Schläfchen

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Dabi hatte nie gedacht, dass die Zeit, die er im Bett verbrachte, mehr Qual als Erholung bringen könnte. Jedoch musste er seine Meinung ändern, als ein gewisser Blondschopf in sein Leben trat, dank dem es ihm nicht möglich war, einzuschlafen. Mit zusammengezogener Augenbraue seufzte er, während er die ganze Zeit an die weiße Decke starrte.

Der auf dem Nachttisch stehende elektrische Wecker zeigte sechs vor eins an. Genau. Es war fast ein Uhr und in der Zeit, seit er sich hingelegt hatte, schaffte er es einfach nicht einzuschlafen. Jedes Mal, wenn er es gerade geschafft hatte, weg zu dösen, bekam er kurze Zeit später einen der Flügel ins Gesicht, was ihn wieder völlig aus dem Halbschlaf riss. Im Gegenteil zu ihm, schlief der Held wie ein Toter, seit er sich hingelegt hatte.

Natürlich wechselte er immer wieder seine Position, was ihm eine weitere Portion Schmerzen bescherte. Mittlerweile hatte der Schwarzhaarige jegliche Hoffnung verloren. Das Einzige, worüber er nun nachdachte, war, wieso er zugestimmt hatte, bei ihm zu bleiben? Schließlich war er kein kleines Kind mehr, das man an die Hand nehmen musste. Doch wenn er genau darüber nachdachte, war es die Erschöpfung, welche ihn dazu überredet hatte, genauso wie das gemütliche Bett, das er bereits mehrmals ausprobieren konnte.

In seinen Gedanken verfluchte er sich. Er gab sich seiner Müdigkeit hin, genauso wie der weichen Matratze, die beinahe an ein Wasserbett erinnerte. Nach kurzer Zeit machte sein Gesicht erneut Bekanntschaft mit einem der Flügel, worauf er zum wiederholten Mal in dieser Nacht seufzte. Allen Anschein nach war das hier seine Buße.

Er wischte die rubinroten Federn aus seinem Gesicht, drehte seinen Kopf zur Seite und durchlöcherte den Blonden, der mit dem Rücken zu ihm lag, mit seinen unzufriedenen Blicken. Nicht nur, dass er fast die komplette Decke für sich beanspruchte – ihm war nicht kalt, jedoch war es ohne nicht wirklich möglich, einzuschlafen –, nein, obendrauf wedelte er immer wieder mit seinen Flügeln, als würde er am liebsten wegfliegen.

Seines Weges überlegte der Schwarzhaarige, ob der Held während des Schlafwandels schon einmal geflogen war. Vermutlich würde das ziemlich lustig aussehen und vielleicht hätte er darüber gelacht, jedoch nicht in dieser Situation. Dabi drehte sich auf die Seite und versuchte dabei, die Flügel, die ihn so störten, wegzuschieben.

Theoretisch könnte er sie als eine Decke benutzen, doch dann bestand eine größere Wahrscheinlichkeit, dass er sie schneller und stärker zu spüren bekommen würde. Schon vor langer Zeit hatte er die Angewohnheit des Blonden bemerkt, die darin bestand, dass er mit ausgebreiteten Flügeln schlief. Eine ganze Weile geschah absolut gar nichts. Alles und jeder war auf seinem Platz, in genau der gleichen Position.

Dabi streckte seine Hand aus, legte sie auf den Rücken des Jungen, direkt zwischen die Flügel, worauf sie zu zittern begannen. Ihm ging der Gedanke durch den Kopf, dass es ihn gleich wieder erwischen würde. Jedoch geschah nichts in der Art, worauf er anfing, die warme Haut des Blonden zu streicheln, die er schon unzählige Male geküsst hatte.

Augenblicklich spürte er, wie sich seine Wut über die Schlaflosigkeit in Luft auflöste. Als er die Wärme, die von seinem Partner ausging, spürte, schloss er erneut die Augen, bereit für einen weiteren Versuch. Wenn es dieses Mal nicht klappen sollte, würde er auf das Sofa umziehen, oder aber den Vogel vom Bett werfen und ihn damit brutal wecken.

Einige Minuten später, als er es gerade geschafft hatte, in den Halbschlaf zu fallen, spürte er erneut das Gefieder auf seinem Gesicht. Mit geöffneten Augen seufzte er und stellte fest, dass er dieses Mal komplett mit ihnen bedeckt wurde. Er verzog die Augenbraue, setzte sich auf und begann, den unwissenden Blonden mit seinen Blicken zu durchbohren.

Gerade hatte er Lust darauf, ihn mit den bloßen Händen zu erwürgen, oder aber die gesamten Federn ab zu fackeln. Damit wäre das Problem dann gelöst. Wenig später griff er in das weiche Gefieder und richtete seine gesamte Aufmerksamkeit auf dieses. Kurz darauf nahm er eine der Federn und zog daran, aus dem Augenwinkel beobachtete er seinen Partner, dessen Gesicht sich, als Reaktion darauf, unzufrieden verzog.

Dabi hatte nicht erwartet, dass der Held sich entschließen würde, plötzlich seine Position zu ändern, was zur Folge hatte, dass die von ihm gehaltene Feder ausgerissen wurde. Der Schwarzhaarige betrachtete sie und danach den Helden, der durch die Situation geweckt wurde. Sich auf den Armen abstütztend, fiel sein Blick direkt auf den Schurken, dessen Unzufriedenheit und Mordlust augenblicklich verdampfte.

»Hab ich dich schon wieder geweckt ...?« Es klang mehr nach einer  Feststellung, als nach einer Frage und Dabi konnte es nicht leugnen. Ohne den Blick abzuwenden, ließ er die Feder wieder los, die gleich darauf zurück an ihren Platz flog.
»Wenn es nur einmal wäre«, seufzte er und massierte sich den Nacken.

Keigo konnte die Erschöpfung des Älteren sehen, wodurch er sich wirklich blöd vorkam. Nicht deswegen hatte er ihm angeboten zu bleiben. Er wollte nicht, dass der Schwarzhaarige sich um diese Uhrzeit herumtrieb. Dabei hatte er vergessen, dass er in letzter Zeit immer wieder Schlafprobleme hatte.

»Entschuldige, ich werde auf der Couch schlafen.« Zur Bestätigung seiner Worte erhob er sich von der weichen Bettwäsche und drehte sich mit dem Rücken zum Partner um, mit der Intention, vom Bett aufzustehen. Doch als er die warme Hand des Schurken auf seinem Handgelenk spürte, schaute er über die Schulter zu ihm.

»Du hast geweint«, stellte er fest, als er das Rot um die goldenen Augen bemerkte. Seine Stimme klang ebenfalls nicht wie sonst, wodurch er schnell bemerkt hatte, dass irgendwas nicht stimmte. Der Blonde wusste, dass er um die Antwort nicht herumkommen würde, drehte den Kopf um und senkte sein Haupt, um dem intensiven, blauen Blick des Schurken zu entfliehen.

»Nur ... ein Alptraum ...«, antwortete er mit leiser Stimme und wenn nicht gerade eine ideale Stille herrschen würde, hätte der Schwarzhaarige das Gesagte wohl nicht verstanden. In dem Moment begriff er das Verhalten des Blonden. Früher hatte er keine schlechten Träume, wodurch ihm klar wurde, dass es dieses Mal etwas Ernstes sein musste.

Keigo verspürte nicht nur Erleichterung, sondern auch Enttäuschung, als der Griff um sein Gelenk gänzlich verschwand. Er war sich sicher, dass Dabi sauer war, sowohl auf ihn als auch auf die Situation, und er in seinen Augen verloren hatte. Noch nie zuvor hatte er in seiner Gegenwart geweint, weshalb er verständlicherweise Angst vor seiner Reaktion hatte.

»Komm«, hörte er direkt neben seinem Ohr, woraufhin er erschauderte. Als er sich umdrehte, konnte er nicht ahnen, dass der Schurke überraschenderweise seine Lippen auf die seinen pressen würde. Als er die Wärme spürte, die sich über seinen Körper ausbreitete, vertiefte er den Kuss. Gleichzeitig bewegte er sich zu dem Mann, der ihn sanft zu sich zog und kurz darauf wieder auf das weiche Bett fiel. Hawks direkt auf ihn.

Der Kuss bereitete ihm nicht nur Vergnügen, er versicherte ihm auch, dass er nicht allein war und sich keine Sorgen darüber machen musste, was er im Traum gesehen hatte. Im Geiste dankte Keigo ihm. Dafür, wie auch für die Reaktion auf seine Tränen.
»Versuchen wir es noch einmal«, sagte der Schurke, worauf der Blonde unsicher mit dem Kopf nickte, den er kurz darauf auf der Schulter des Schwarzhaarigen ablegte und das Gesicht in der Halsbeuge versteckte.

Mit dem ganzen Körper auf dem Schurken liegend, verspürte er die wunderbare Wärme, wie auch Erleichterung, die ihn umhüllte, nachdem er die Augen schloss. Er konnte sich nicht hundertprozentig sicher sein, dass der Alptraum nicht zurückkehren würde, doch so nah, wie er bei ihm war, interessierte es ihn auch nicht. Er war bei ihm und nur das zählte.

Als Dabi die sich ausbreitenden Flügel sah, lächelte er, dieses Mal waren sie kein Ärgernis mehr. Gleichzeitig legte er seine Hand auf den warmen Körper seines Partners, der als Antwort nur etwas Unverständliches in sein Ohr murmelte.

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