7 • lake

23 4 2
                                    

Ich rannte.

Ich rannte so schnell ich konnte.

Tränen liefen mir über die Wangen, welche ich verzweifelt versuchte durch wiederholtes Wegwischen aufzuhalten. Jedoch brachte dies alles nichts.

Mein Leben hatte sich soeben auf einen Schlag komplett verändert und ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Ich denke, niemand wüsste das so genau.

Der Gedanke, dass meine Mutter mich nie wieder in den Arm nehmen würde, mich nie wieder aufmuntern oder auch nur anlächeln würde, zeriss mir mein Herz.

Ich werde nie wieder ihre Stimme zu hören bekommen. Nie wieder.

Ich schluchzte verzweifelt auf.

Erst jetzt erkannte ich, dass ich nicht einmal die Möglichkeit hatte mich richtig von ihr zu verabschieden.

Ich blieb abrupt stehen.

Ich atmete schwer. Ich sah mich in der Umgebung um und versuchte mich irgendwie zu orientieren. Wo war ich nur und wie bin ich hier her gekommen?

Ich drehte mich mehrmals im Kreis und sah mich dabei um.

Ich bemerkte, dass ich mich in einem, mir unbekannten, Wohnviertel befand. Vor mir erstreckte sich ein kleines Waldgebiet, welches mich einladend anzulächeln schien.

Ich ließ das Wohnviertel hinter mir und betrat den Wald.

Währenddessen wischte ich mir abermals über meine Wangen, welche mit angetrockneten Tränenspuren versehen waren. Meine Augen fühlten sich trocken an, so als ob sich keinerlei Flüssigkeit mehr in ihnen befand.

Mittlerweile verließen nur noch vereinzelt Tränen meine Augen. Ich konnte und wollte einfach nicht mehr.

Ich konzentrierte mich vollständig auf die Landschaft sowie die vielen Bäume die mich umgaben, um mich irgendwie von meinen Gedanken loszureißen und mich von allem abzulenken.

Ich hatte kein bestimmtes Ziel, welches ich erreichen wollte. Ich setzte lediglich einen Fuß vor den Nächsten. Dies tat ich so lange, bis sich letztendlich etwas vor mir auftat. Es funkelte mich regelrecht an.

Ich war an einen kleinen See angelangt, welcher sich, umzingelt von Bäumen, vor mir befand. Lediglich eine kleine Wiese trennte diesen vom restlichen Wald.

Dieser Ort löste etwas in mir aus. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht was genau.

Ich ging auf den See zu und ließ mich schließlich auf die Wiese fallen.

Ich sah in den Himmel.

Es dämmerte bereits leicht.

Ich richtete meinen Blick wieder in Richtung See und wurde direkt in seinen Bann gezogen. Ich beobachtete eine Entenfamilie welche gemütlich über den See schwamm und musste leicht lächeln. Wie niedlich.
Das Schilf, welches am Seerand wuchs, wiegte leicht im Wind und gab dabei beruhigende Geräusche von sich.

Damals wusste ich bereits, dass ich diesen Ort an diesem Tag nicht das letzte Mal besuchen würde. Das Gefühl, welches dieser Ort in mir auslöste war fast schon unbeschreiblich. Ich fühlte mich geborgen und gleichzeitig wie, als ob ich in eine komplett fremde, mir aber dennoch vertraute, Welt eingedrungen sei.

Ich ließ meinen Blick zur Seite gleiten und erblickte eine Pusteblume. Ich nahm diese in meine Hand und hielt sie mir vor mein Gesicht. Ich pustete einmal kräftig und verfolgte die Samen der Pflanze mit meinen Augen.

Ich war so fokussiert und in meinen Gedanken versunken, dass ich nicht mal bemerkte wie sich jemand zu mir gesellte und neben mir Platz nahm.

"Es ist wunderschön hier, nicht wahr?"

Erst als eine, mir namenlose, Stimme ertönte, zuckte ich kräftig zusammen.

Mein Kopf schnellte zur Seite und ich erblickte einen Jungen. Er sah mich einfach nur an und lächelte dabei leicht.

Kannte ich ihn? Er kam mir irgendwie bekannt vor.

"Kennen wir uns?", erwiederte ich, ohne dabei genauer auf seine zuvor gestellte Frage einzugehen.

Sein Lächeln wurde stärker. Er wandte seinen Blick von mir ab und sah in Richtung See.

"Ich glaube nicht. Ich bin erst vor ein paar Tagen in diese Stadt gezogen. Es könnte aber sein, dass wir auf eine Schule gehen."

Damit fiel es mir wieder ein.

Ich kannte ihn tatsächlich, zwar nicht persönlich, jedoch flüchtig vom Sehen. Er war der Neue, auf welchen mich Jimin und Namjoon nach der Schule aufmerksam gemacht hatten.

Dieses Wissen behielt ich allerdings für mich und nickte als Antwort nur leicht.

"Ich heiße übrigens Jungkook.", teilte mir der Schwarzhaarige seinen Namen mit.

Was ein schöner Name.

"Dürfte ich auch wissen wie du heißt?", fragte er mich. Anscheinend war ich mit meinen Gedanken schon wieder ganz wo anders.

Ich räusperte mich kurz.

"Taehyung. Ich heiße Taehyung."

"Schöner Name, Taehyung."

Mein Herzschlag beschleunigte sich und meine Wangen färbten sich leicht rötlich. Warum ich auf ein einfaches Kompliment so stark reagierte wusste ich nicht. Hinterfragen tat ich es in diesem Moment allerdings auch nicht. Ich ließ es einfach geschehen.

"D-danke."

Eine kurze Stille herrschte zwischen uns, welche mir jedoch keinesfalls als unangenehm erschien.

"Was machst du hier eigentlich? A-also ich meine, was führt dich zu diesem See?", ergriff ich erneut das Wort und sah ihn dabei fragend an.

"Ich wohne in einem nahegelegenen Wohngebiet. Am Tag unserer Ankunft wollte ich Abends ein wenig die Umgebung erkunden und bin letztendlich auf dieses Waldgebiet gestoßen. Dann bin ich ein bisschen darin herumgeirrt, bis ich schließlich auf diesen See gestoßen bin. Seitdem komme ich eigentlich jeden Tag her.", ließ er mich wissen und lachte dann leise.

Er hatte ein bezauberndes Lachen.

"Und was führt dich hierher?", fragte er mich und sah mich mit leicht gerunzelter Stirn an.

Mein Körper verkampfte sich augenblicklich und meine Atmung setzte kurz aus, als ich an den Grund für meinen "Ausflug" denken musste.

"Ist alles in Ordnung mit dir?"

Er klang besorgt, während er mich dies fragte.

Erst jetzt bemerkte ich, dass mir wieder Tränen über meine Wangen liefen. Verdammt.

"Warum weinst du denn? Habe ich irgendwas Falsches gesagt?", fragte er mich und legte eine Hand auf meine Schulter.

Ich erwartete eigentlich eine abwehrende Haltung meines Körpers auf seine Geste. Allerdings blieb diese aus, was mich ziemlich verwirrte. Ich war nie der Mensch, welcher Körperkontakt guthieß. Vor allem nicht mit mir unbekannten Personen.

Eher das Gegenteil war der Fall. Mein Körper schien sich unter seiner Berührung zu entspannen.

"I-ich, Jungkook ich i-ch"

Weiter kam ich jedoch nicht, da mich Jungkook in seine Arme zog und anschließend diese um mich legte.

Ich zuckte leicht zusammen, bis mich seine Wärme vollständig umschloss.

"Du bist mir keine Erklärung schuldig Taehyung. Sag mir bitte nur ob alles in Ordnung ist.", flüsterte er schon fast.

"Nichts ist in Ordnung."

"Lass mich dir helfen Tae."

savior - taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt