Sein Ende

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Ihm ist nach Schreien zu mute, nach Weinen,  sich hin und her Wiegen und die Hände auf die Ohren gepresst ignorieren, was um ihn herum geschieht.

Dafür ist es jetzt zu spät, denkt er verbittert und automatisch hat er das Gesicht seines Bruders vor Augen, zu einer zornigen Grimasse verzogen, in Momenten, in denen sie sich in leeren Korridoren über den Weg liefen.

Regulus erinnert sich nicht gerne an Sirius. Er weiß, dass es seine Schuld ist, dass er seinen Bruder am Gehen hätte hindern können, wäre er nur nicht so ein Feigling gewesen.

Er umklammert seinen Zauberstab fester und starrt verloren über den See.

Vor einer halben Stunde war er noch so sicher gewesen, dass alles glatt laufen würde. Von seiner Selbstsicherheit ist nicht mehr viel übrig, stattdessen beschleicht ihn ein beengendes Gefühl der Angst.

Seine rechte Hand wandert zu seiner Brust und er greift in den weichen Stoff seines Umhangs, als wolle er sein Herz herausreißen, um es zum Stillstand zu bringen.

»Master Regulus?« krächzt Kreacher neben ihm und reißt ihn aus seiner Starre.
Er atmet tief ein und aus, ehe er zu dem Hauselfen blickt.Halte dich an den Plan, mahnt er sich, es ist ein guter Plan.

»Hör mir gut zu, Kreacher.« sagt er und versucht die Nervosität, die in seiner Stimme mitschwingt, zu überspielen.

»Du wirst mich den Trank trinken lassen, du wirst ihn mir zwanghaft einflößen, wenn es nicht anders geht, du wirst mich nicht retten, sondern den Horcrux gegen das andere Medaillon austauschen und verschwinden.«

Regulus schließt die Augen, ob aus Resignation oder Nervosität, er weiß es nicht, aber er fühlt, eine schwere Müdigkeit ihn durchfluten und ist sich sicher, dass das sein Ende sein wird.

Wie realistisch stehen die Chancen schon, einen Horcrux des Dunkelsten Zauberers seit langem zu stehlen und lebendig davon zu kommen? Er unterdrückt ein verbittertes Lachen.

»Ja, Master Regulus.« antwortet der Elf.
»Nichts davon darf zum Dunklen Lord durchdringen, verstanden?«

Lächerlich, denkt er, nach meinem Tod kann Kreacher tun und lassen, was er will.
Er muss darauf vertrauen, dass er Kreachers  uneingeschränkte Treue hat.

»Na dann los.« murmelt er mehr zu sich selbst und betritt das kleine Boot.

Die Fahrt dauert nicht lang, aber es ist die pure Hölle, denn er muss sich zwingen nicht in den See zu schauen, in dem, wie er weiß, hunderttausende von Inferi herumtreiben.
Sie erreichen eine schmale Insel, auf der ein Podest mit einer großen Schüssel steht.

Regulus verliert keine Zeit, er wirft Kreacher einen letzten bedeutungsvollen Blick zu, bevor er die Schale greift und ansetzt.

Es verätzt seinen Mund, seinen Hals, es löst unerträgliche Schmerzen in ihm auf, die ihn den Verstand verlieren lassen.

Er will nicht weiter trinken! Er will zurück Warum ist er überhaupt hier?

»Master Regulus...«
»Nein! Nein, bitte!«

Er schluchzt unaufhörlich, mit jedem Schluck, den er nimmt, wird es schlimmer.
Ein Feuer brennt in seinem Innersten, er hat das Gefühl zu verdursten.

»D-du weißt, was zu tun ist.«

Regulus stürzt auf den See zu, ihm ist gleichgültig, dass ihn womöglich der Tod erwartet, sobald er nur einen Finger ins Wasser gleiten lässt, er hat unfassbaren Durst. Aus dem Augenwinkel sieht er den Hauselfen seine Anweisung ausführen.

Regulus wirft alle Vorsicht über Bord und beugt den Kopf nach unten, um einen Schluck Wasser zu sich zu nehmen.

Kaum haben seine Hände das Wasser berührt, schießen unzählige Arme hervor und packen ihn, sodass er keine Chance hat, sich zu wehren.

Kreacher disappariert, er ist jetzt allein mit dem Tod und seinen Gedanken an die Vergangenheit.

Sirius taucht erneut in seinem Kopf auf, er schreit ihn an, verflucht ihn, sowohl im übertragenen Sinne als auch mit dem Zauberstab, sodass Regulus für zwei Tage in den Krankenflügel muss.

Sie redeten seit seiner Einteilung nach Slytherin in Hogwarts kein nettes Wort mehr miteinander, dann flüchtete sein Bruder zu seinem besten Freund und er fühlte sich betrogen, im Stich gelassen. Dabei war es von Anfang an seine eigene Schuld.

Die Inferi ziehen ihn in die Tiefe, seine Sicht verschwimmt, Hände reißen an seinem Körper. Sein Umhang ist gerissen, ein Arm streift seine nackte Haut, er erschaudert.

Er spürt lange Finger an seinem Hals und wenn er gedacht hat, ertrinken zu müssen, dann täuscht er sich, den in dem Moment, in dem sich dutzende Hände um seinen Hals legen, an seiner Haut kratzen, weiß er, dass es ihn schlimmer getroffen hat.

Sie werden ihn zerfetzen,  strangulieren, ihm möglichst viel Leid antun und unwillkürlich stellt sich ihm die Frage, was wohl mit seiner Leiche geschehen wird.

Vermutlich wird sie auf den Grund des Sees sinken und in Vergessenheit geraten. Niemand wird sich an ihn und sein Opfer erinnern. Niemand wird um ihn trauern.

Er stirbt allein, wie er es immer gewesen ist, und es gibt niemanden, der sich an seinen Tod erinnern wird.

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