82. Kapitel

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(Sicht Yvonne)
Für die Aufzeichnung der Sing Offs fuhr ich mit Charlie wieder ins Hotel in Berlin. Die Sing Offs würden spannend werden, da war ich mir sicher, allerdings hatte ich auch ziemlichen Respekt davor, mich von so vielen guten Talenten verabschieden zu müssen. Wie sollte ich mich bei einem so genialen Team bloss entscheiden können? Das war doch eigentlich unmöglich! Charlie rannte fröhlich voraus durch den Hotelflur und ich musste mich beeilen, ihm hinterherzukommen. "Welches ist es?", fragte er und zeigte auf die vielen Zimmertüren. "326", antwortete ich und deutete auf die richtige Tür. "Darf ich aufmachen? Bitte?" "Klar." Ich drückte ihm die Schlüsselkarte in die Hand und Charlie lief strahlend damit zu unserer Zimmertür, um diese zu öffnen. Da wir zu Hause normale Schlüssel hatten, um abzuschliessen, hatte er grosse Freude an den Schlüsselkarten hier im Hotel. Lächelnd sah ich zu, wie Charlie die Tür innerhalb von wenigen Sekunden bereits geöffnet hatte und mich glücklich anstrahlte. "Offen, Mama!" "Super, danke." Mit unserem Gepäck folgte ich ihm ins Zimmer und stellte es dort auf dem Boden ab. "Darf ich den Schlüssel wieder haben?" Zögernd sah Charlie die Karte an und schien zu überlegen, entschied sich dann aber dafür, sie mir wieder zurückzugeben. "Danke, Charlie." Ich steckte die Karte in den dafür vorgesehenen Schlitz neben der Tür. "Warum steckst du die Karte da rein?", fragte Charlie neugierig. "Damit wir hier im Zimmer Strom haben, sonst könnten wir gar kein Licht anknipsen", erklärte ich. Es wäre ziemlich unpraktisch, wenn wir nachts ohne Licht durch die Dunkelheit stolpern würden. "Wirklich? Kann ich mal schauen?" Er drückte auf einen Lichtschalter und augenblicklich ging das Licht an. "Funktioniert." Zufrieden schaltete er die Lampe wieder aus. "Und jetzt ohne!" Er streckte sich und konnte die Schlüsselkarte ganz knapp erreichen. Nachdem er sie aus dem Schlitz gezogen hatte, drückte er erneut auf den Lichtschalter und stellte fasziniert fest, dass tatsächlich nichts passierte. Mit grossen Augen drückte er nochmals auf den Lichtschalter, aber noch immer blieb es dunkel. "Geht nicht." Schnell steckte er die Karte wieder zurück in den Schlitz und drückte wieder auf den Lichtschalter. Strahlend stellte er fest, dass das Licht nun wieder anging. Ich lächelte. Kinder waren einfach etwas Wunderschönes.

In diesem Moment musste ich wieder an das Kind, welches in meinem Bauch wuchs, und Mark, der davon noch immer nichts wusste, denken. Seit der Geburtstagsparty der Zwillinge war Mark zwar mehrmals bei Charlie und mir zu Besuch gewesen, aber ich hatte mich nie getraut, ihm von unserem Kind zu erzählen. Es war mir bewusst, dass ich es ihm früher oder später sagen musste, ich würde die Schwangerschaft ja nicht ewig verstecken können. Irgendwann würde es Mark auf jeden Fall auffallen, spätestens wenn mein Bauch sichtlich anfangen würde zu wachsen. Verdammt, ich wollte es doch auch gar nicht verheimlichen, im Prinzip war eine Schwangerschaft ja etwas Schönes, aber ich hatte einfach immer noch viel zu grosse Angst vor Marks Reaktion. Entweder würde er sich freuen und alles würde perfekt werden oder er würde mich verlassen und alles würde zusammenbrechen. "Mama, ist Mark schon da?", unterbrach Charlie meine Gedanken. "Keine Ahnung." Ich hatte heute noch nicht mit ihm geschrieben und wusste daher nicht genau, wie sein Tagesplan aussah. "Dann ruf ihn an, Mama! Bitte!"

In den Tagen, an denen Mark bei uns gewesen war, hatte er sich jedes Mal auch viel Zeit für Charlie genommen, um mit ihm zu spielen. Charlie sollte schliesslich nicht das Gefühl bekommen, dass er jetzt plötzlich unerwünscht sei, nur weil Mark und ich zusammen waren, und ich hatte das Gefühl, dass sowohl Mark als auch Charlie die Zeit zusammen genossen. Charlie hatte seither zumindest immer wieder nach Mark gefragt und sich sehr gefreut, als ich ihn erzählt hatte, dass wir heute ins Hotel fuhren und Mark auch hierherkommen würde. Schnell rief ich meinen Freund an und es dauerte nicht lange, da nahm er den Anruf bereits an. "Hi, Kaddi", begrüsste er mich freudig und ich musste automatisch lächeln. "Hi, Forsti, bist du schon im Hotel?" "Noch nicht, aber in wenigen Minuten. Seid ihr schon da?" "Ja, wir sind gerade angekommen", erklärte ich und versuchte Charlie davon abzuhalten, ungeduldig an meinem T-Shirt zu ziehen. "Ich will auch reden!", quengelte er. "Mark ist gleich hier, du musst nur noch ein paar Minuten Geduld haben", versuchte ich, Charlie zu beruhigen. "Was?", fragte Mark am Telefon verwirrt. "Sorry, ich habe gerade kurz mit Charlie geredet. Er freut sich schon sehr auf dich", erklärte ich und fügte dann schnell hinzu: "Und ich mich natürlich auch." "Ich freue mich auch auf euch. In welchem Zimmer seid ihr?" "326." "Okay, bis gleich, ich beeile mich." "Bis gleich, fahr bitte vorsichtig." "Klar."

Etwa eine Viertelstunde später klopfte es an der Zimmertür. "Mark!", rief Charlie sofort und rannte zur Tür, um diese zu öffnen. Fröhlich sprang er meinem Freund zur Begrüssung in die Arme. "Hallo, Charlie." Lächelnd hob Mark ihn hoch und Charlie jubelte: "Jetzt bin ich ganz gross!" Erst jetzt fiel mir die Blume auf, die mein Freund in der anderen Hand hielt, und meine Augen wurden gross. "Die ist für dich. Ich hoffe, dir ist das nicht zu kitschig. Mir fiel nur leider nichts Besseres ein." Verlegen streckte er mir die Blume entgegen. "Oh, vielen Dank!" Ich nahm sie entgegen und wurde leicht rot. "Alles gut, ich freue mich sehr darüber." Glücklich drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen. Mark grinste erleichtert. "Gut, das werde ich mir auf jeden Fall merken." Er liess Charlie wieder hinunter und fragte: "Und wie war eure Anreise?" "Gut, und bei dir?" "Ebenfalls gut. Ich habe euch sehr vermisst." "Ich dich auch", erwiderte ich und Charlie rief sofort: "Und ich auch!" Die Tatsache, dass Mark in der Mehrzahl sprach und somit nicht nur mich, sondern auch Charlie meinte, liess mein Herz höher schlagen und machte mir irgendwie auch Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht so schlecht enden würde, wenn ich ihm von der Schwangerschaft erzählen würde. Wenn er Charlie mochte, konnte er doch bestimmt auch noch ein zweites Kind mögen, oder?

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