Das Gewitter

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Ich erstarrte, genauso wie Charlotte. Mit erhobenen Händen stand sie vor der Tür. Langsam betrat Mark den Raum, die Pistole hielt er dabei die ganze Zeit über auf Charlotte gerichtet. Die Tür schloss er hinter sich. Es klickte. Er hatte uns eingeschlossen.

„Jetzt habe ich dich endlich gefunden.", sagte er, ein leeres Lächeln auf den Lippen. Er stieg über den Körper des toten Mädchens und lachte ein wenig, „Wie ich sehe, habt ihr meine kleine Freundin schon gefunden. Schade, dass sie sterben musste."

Ich starrte ihn an, wie er durch den Raum um die Liege herumlief.

„Sie bleiben jetzt stehen!" rief Charlotte, die ihre Stimme wiedergefunden hatte. Sie machte zwei Schritte auf mich zu, und stellte sich vor mich.

„Charlotte," meine Stimme war leise, „bitte geh weg. Bitte."

Ich streckte meinen Arm aus, um sie wegzuschieben, doch ich schaffte es nicht.

„Emilia, bitte lass das." Sagte sie, doch ich holte mit meinem Bein aus und trat ihr in die Kniekehle. Sie fiel zu Boden, ich fuhr mit meinem Rollstuhl um sie herum.

Ich hörte, wie Charlotte hinter mir nach Luft schnappte, die Empörung war nicht zu überhören.

„Mark, geht es dir immer noch um die Drogen?" rief ich ihm von der anderen Seite des Raumes zu. Der Fakt, dass er eine Knarre bei sich hatte, machte meinen Sicherheitsabstand relativ überflüssig.

„Geht es dir immer noch um die Drogen?", äffte er mich mit hoher Stimme nach und lachte danach, „Ich glaube, ich habe dir mehr als genug Gelegenheiten gegeben, mir das zu geben, was ich verdiene!"

„Ich habe sie dir besorgt!", schrie ich ihn an, „Wenn du wartest, bis ich zurück in die Schule kommen kann, gebe ich sie dir! Versprochen!"

„Und das soll ich dir glauben?"

Er bewegte seinen Arm auf mich zu.

„Es ist Zeit für dich zu Sterben, Emilia!"

Ich schloss meine Augen, hörte ein klacken und einen gewaltigen Schlag. Ich erwartete jederzeit eine Kugel in mich eindringen zu spüren, doch der Schmerz kam und kam nicht. Vorsichtig öffnete ich erst ein Auge, und dann das andere. Charlotte war von dem Platz, an dem sie zuvor gelegen hatte, verschwunden, dafür kam ein undefinierbares Stöhnen von Marks Standpunkt. Ich stand aus meinem Rollstuhl auf und spähte vorsichtig über die Liege. Am Boden hinter der Liege lag Mark und auf ihm Charlotte. Mark stöhnte nochmal, doch Charlotte regte sich nicht.

Unsanft schob Mark sie von sich runter. Sie lag jetzt auf dem Rücken am Boden, die Augen immer noch geschlossen, doch eine blutende Wunde an ihrem Kopf kam zum Vorschein.

Mark rappelte sich auf und griff nach der Pistole auf dem Boden, die ihm bei Charlottes mutmaßlichem Angriff aus der Hand gefallen zu sein schien.


„Nein,", hauchte ich, meine Stimme war kaum mehr als ein Atemzug, „nein-"

„Es scheint mir, als hätte sich deine Freundin gerade selbst ausgeknockt."

Dieses dreckige Grinsen auf Marks Gesicht war wieder zurück.

„Jetzt beschützt dich niemand mehr."

Ängstlich trat ich einen Schritt zurück zur Wand, als Mark einen auf mich zu machte, doch was hatte ich zu verlieren? Ich war so gut wie tot, ich wollte nicht sterben, ohne versucht zu haben, zu überleben. Also schrie ich laut auf, nahm all meine in den letzten Tagen gesammelte Kraft zusammen, schnappte mir einen auf dem Tisch liegenden Kugelschreiber und rannte auf Mark zu. Ich war wahnsinnig langsam und meine Hausschuhe waren rutschig, doch ich hatte genug Kraft, um Mark umzurennen. Wir lagen auf dem Boden, ich auf ihm, und rangelten ein bisschen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich ihn angreifen würde, das wusste ich. Doch genauso schnell, wie ich ihn überrascht hatte, hatte er sich auch wieder gesammelt und griff mein gesundes Handgelenk. Meine gebrochene Hand war vollkommen nutzlos, sie tat zu sehr weh, um als Waffe dienen zu können. Seine Pistole ließ er fallen. Schnell holte ich mit meinem Bein aus und kickte sie weg, damit er sie nicht mehr erreichen konnte, ohne dabei aufstehen zu müssen. Ich schrie noch ein bisschen mehr in der Hoffnung, dass uns jemand hören würde, dass jemand eins und eins zusammenzählte und wusste was hier los war und auch ein kleines Bisschen in der Hoffnung, dass Charlotte von unserem Lärm aufwachen würde und ich nicht mehr alleine war.

Mein Handgelenk war immer noch im festen Griff von Mark gefangen. Ich hatte doch mal bei einem Selbstverteidigungskurs gelernt, wie man sich daraus befreien konnte. Ich zog noch ein bisschen meine Arme herum, bis ich meinen rechten Arm drehte und blitzschnell nach oben zog.

Jetzt ging alles ganz schnell: ich nahm mein letztes bisschen Konzentration zusammen, zielte und stach Mark den Kugelschreiber tief ins Auge, bis er stecken blieb. Er schrie vor Schmerz und stieß mich von sich, ich taumelte nach hinten und schlug heftig mit meinem Kopf auf dem Boden auf, als ich fiel. Etwas neben mir zersplitterte mit einem ohrenbetäubenden Krachen, es war die Tür und zwei Polizisten kamen herein. Mir war ganz schwindelig, ich dachte ich würde jeder Zeit umkippen, obwohl ich schon am Boden lag.

„Hier sind Verletzte! Wir haben den Schützen!"

Ich hörte die Polizisten sprechen, doch es hörte sich dumpf an, als wären sie meilenweit von mir entfernt. Ein Gesicht tauchte über mir auf.

„Emilia?"

Ich blinzelte und schaute auf. Ein Arzt stand über mich gebeugt, aber ich konnte das Gesicht nicht zuordnen. Schwarze Funken tanzten durchs Bild. Mit einem Kopfschütteln wollte ich sie verjagen, doch nach dem Bruchteil einer Sekunde sah ich überhaupt nichts mehr. Meine Hände kribbelten ganz komisch und mein Kopf fühlte sich an, als würde er jede Sekunde platzen. Jemand verfrachtete mich auf einen anderen Untergrund, eine Liege vermutlich, und ich erlaubte meinem Körper endlich abzuschalten, um mich zu heilen.

Und auf einmal, ganz plötzlich, war das alles vorbei. Der Schmerz war weg, die lauten Geräusche um mich herum verstummt. Eine angenehme Wärme breitete sich in mir aus. Ich war in einem Schlaf gefangen, doch das machte mir nichts aus. Ich wusste, dass ich schlief, aber ich wusste auch, dass ich den Schlaf jetzt brauchte und ein bisschen zur Ruhe kommen musste. Mein Körper würde wieder aufwachen, wenn er soweit war.
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Sooo, das war das letzte Kapitel des Finales 🙈 ich hoffe es hat euch gefallen 🌼 nächste Woche kommt noch ein Kapitel, mit dem ich diese Fanfiction abschließen werde 😇


Du weißt nicht, wozu er fähig ist Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt