Zwei Tage später wurde ich auf die Kinderstation verlegt. Darüber war ich froh, denn dort hatte ich wenigstens jemanden, mit dem ich etwas Zeit verbringen konnte. Ich bekam ein Doppelzimmer, doch musste dort noch eine weitere Nacht allein verbringen. Das Mädchen, mit dem ich es teilen würde, würde erst am nächsten Tag eintreffen. Trotzdem war ich froh darüber, nicht mehr auf der Intensivstation liegen zu müssen, weil ich jetzt das Zimmer verlassen konnte und nicht mehr so viele Geräte um mich hatte.
Am frühen Abend kam eine Ärztin herein, die sich mir als Tabea Rohde vorstellte. Sie blieb nicht lange, sie wollte nur meine Wunde kontrollieren, da sie sich ein Bild von ihr machen wollte.
„Das sieht aber schon toll aus.“ sagte sie und lächelte mich an.
Ich lächelte zurück.
„Ich habe gehört, dass die Wunde kein Unfall war, und dass du schon mehrmals deswegen operiert wurdest,“, sprach sie weiter, „möchtest du vielleicht mir sagen, wie es dazu kam, dass die Drainage gezogen wurde?“
Ich schloss meine Augen. Wieso kann hier niemand akzeptieren, wenn ich sage, dass ich nicht darüber sprechen möchte?
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Wirklich nicht. Ich werde mich selbst darum kümmern.“
„Aber weißt du, es wäre schon wichtig, dass wir die Polizei einschalten. Das war Körperverletzung.“
„Ich weiß, aber ich möchte nicht, dass die Polizei eingeschalten wird. Ich werde mich selbst darum kümmern, wenn ich hier draußen bin. Versprochen.“
Tabea sah mich an, nickte dann aber schließlich.
„Okay, alles klar. Ich denke du bist alt genug, um zu verstehen, wie wichtig das ist.“
Sie verabschiedete sich und ließ mich dann wieder allein.
Mein Vater hatte mir zum Glück ein Buch vorbeigebracht, dass ich lesen konnte, um die Zeit zu überbrücken. Als es klopfte hoffte ich, dass er es war, doch herein kam Charlotte.
„Na du,“, begrüßte sie mich, „wie geht es dir denn?“
Ich lächelte.
„Soweit ganz gut, eigentlich.“
„Ich habe es schon gehört.“
Charlotte lächelte schief. Ich lächelte schief zurück.„Willst du mir vielleicht sagen, wer das war? Obwohl ich es mir fast schon denken kann.“
Ich nickte langsam.
„Es war Mark.“
Charlotte legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Wie geht es dir damit? Kannst du damit umgehen?“ fragte sie leise.
Ich nickte wieder.
„Ja, es geht schon, schätze ich.“
„Ich kann dich auch beim Therapeuten vorstellen, wir haben ganz tolle Psychologen im H-“
„Nein, bitte nicht,“, unterbrach ich sie, „einen Psychologen brauche ich nicht, wirklich nicht, es ist alles gut.“
Und zum Beweis lächelte ich. Charlotte nickte nachdenklich. Eine kurze Pause entstand.
„Aber ist er einfach reingekommen und hat die Drainage rausgerissen, oder was hat er gemacht?“
„Nein, er kam rein und hat mir verboten die Krankenschwestern zu rufen, als ich es wollte, dabei hätte ich es einfach tun sollen. Dann hat er meine Hände zusammengebunden, hat meine Decke weggezogen und mein T-Shirt nach oben geschoben und dann hat er mir hier hin gefasst.“, ich legte meine Hand an meine Taille, so wie er es getan hat, „Dann hat er das gemacht.“, demonstrativ ließ ich meine eigene Hand nach oben wandern, bis sie an meiner Brust angelangt war, „Und dann habe ich angefangen zu schreien. Er hat daraufhin die Drainage gezogen und ist weggerannt.“
Entsetzt schaute mich Charlotte an, doch sie sagte erstmal nichts. Ich glaube sie wusste auch nicht so richtig, wie sie darauf reagieren sollte.
„Und ich glaube, dass er das schon einmal versucht hat. Ich hatte in der Nacht nach meiner zweiten Operation einen Traum, in dem jemand nachts in mein Zimmer gekommen war und versucht hat, meine Drainage rauszureißen. Na ja, zumindest vermute ich das mal, es ist in diesem Traum nicht so weit gekommen, weil eine Krankenschwester reingekommen ist, um das Fenster zu schließen. Er hat sich hinter der Tür versteckt und ist raus gerannt, als die Schwester ihm den Rücken zugedreht hatte. Doch heute ist mir klar geworden-“
„-dass es gar kein Traum gewesen ist.“ vervollständigte Charlotte meinen Satz.
Ich nickte.
„Es war Mark.“
Mit ernsten Gesichtern sahen wir uns schweigend an.
„Ich erinnere mich an diese Nacht,“, sagte Charlotte, „ich saß mit Schwester Nicole in der Schwesternkanzel und wir dachten es wäre jemand auf dem Gang. Nicole ist los gegangen und hat nachgeschaut, hat aber niemanden gesehen.“
„Dann werdet ihr wahrscheinlich Mark gehört haben.“
Sie nickte und schaute auf ihre Uhr.
„Du, ich muss dann auch bald mal los, ich habe gleich Schichtbeginn und muss mich noch fertig machen.“
Ich wollte eigentlich nicht, dass sie geht, ich genoss ihre Anwesenheit.
„Ich komme aber bald wieder.“ fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
Ich lächelte zurück.
„Okay, bis dann.“ sagte ich zum Abschied und winkte ihr zu.
An diesem Abend beschloss ich, dass Mark seine Drogen bekommen sollte. Ich wusste, wie ich an sie kommen würde, ich wusste was zu tun war. Hoffentlich würde er dann aufhören, mich zu belästigen, aber ob ich ihm die Drogen nun besorgen würde oder nicht, würde ja dann in dem Fall auch keinen Unterschied mehr machen.
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Hellow 🙃 ich weiß, ich habe gesagt das nächste Kapitel kommt am Sonntag, aber ich hab voll verpeilt dass ich da im Urlaub bin und keine Ahnung habe, wie da das Wlan sein wird 🥴 deswegen habe ich dieses Kapitel einige Tage vorgezogen, ab nächster Woche geht es aber ganz normal wie jeden Sonntag weiter 😇 wie immer freue ich mich eure Meinung zu diesem Kapitel zu hören ☺
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Du weißt nicht, wozu er fähig ist
Hayran KurguEmilia wird seit einiger Zeit von Mark belästigt. Es ist soweit gekommen, dass er sie zwingt, ihm Drogen zu besorgen. Nachdem sie seiner Drohung nicht nachkommt, attackiert er sie mitten auf der Straße und lässt sie liegen. Mit Stichverletzungen wir...