Das Herrenhaus

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Lily spürte in den nächsten Tagen immer ein seltsames Ziehen im Magen. Jedes Mal, wenn sie seine Stimme hörte - ob im Unterricht oder auf den Korridoren - wurde dieses Ziehen stärker, bis sie kurz davor war, zur nächsten Mädchentoilette zu rennen und...
Ja was? Zitternd Wasser über ihr Gesicht zu spritzen, um der kalten, blassen Haut etwas Leben einzuhauchen? Sich zu übergeben, weil dieses Gefühl für ihren Magen zu neu war? Sich in einer Kabine einzuschließen, um dieses seltsame Gefühl rauszuweinen? Half das überhaupt?

Am liebsten hätte sie ihre Freundinnen im Rat gebeten, doch dann hätte sie zugeben müssen, dass sie sich tatsächlich für Samstagabend ausgerechnet mit James Potter verabredet hatte.

Immer wieder spürte sie seine Blicke auf sich. Nicht dass sie es nicht gewöhnt sein müsste - er schaute sie seit Jahren schon an - doch dieses Mal war es irgendwie anders. Dieses Mal durchfuhr sie eine Gänsehaut am ganzen Körper und ihr Herz schien zu explodieren. In jeder einzelnen Sekunde, in der sie realisierte, dass er sie ansah. Ja, es war definitiv anders als zuvor.
Man könnte glauben, dass sie nervös wegen des Dates wäre - doch tatsächlich war sie eher nervös davor, dass Laura und Black etwas davon mitbekamen und irgendwelche Streiche spielten, die für James und sie äußerst unangenehm werden würden - von den anschließenden Gerüchten abgesehen.

Aufgeregt wuselte sie deshalb am Samstag im Bad umher, probierte sämtliche Kleidung und Frisuren aus, bis sie sich letztendlich für eine schlichte braune Bluse und ihren grauen Wollrock entschied. Frustriert fuhr sie mit ihrer Hand durchs Haar und betrachtete ihre Mähne. Was machten Laura und Kate immer, wenn sie zu einem Date gingen? Musste man da schick aussehen oder war man da eher alltäglich gekleidet?
Die grünen Augen im Spiegel starrten sie hilflos an. So hatte sie es sich nicht gerade vorgestellt.
Sie entschied sich letztendlich für einen schlichten Pferdeschwanz.

Gerade war sie dabei, ihre Haare zusammen zu binden, als es an der Tür klopfte.
„Lily, brauchst du noch lange?”, hörte sie Marys Stimme. „Ich müsste so langsam echt dringend!”
Seufzend nahm sie ihr Haarband in den Mund, dass sie ihre rechte Hand für den Zauberstab frei hatte, und öffnete mit einem kleiner Schlenker die Tür. Mary drückte sich hastig rein und hüpfte schnell in eine Klokabine.
„Es tut mir echt leid, Lily, aber ich hab' das echt nicht mehr länger halten können”, sagte sie zwischen dem leisen Plätschern, das von ihrer Kabine kam. „Ich hoffe, das macht dir grad' nichts aus.”
„Ehr-ehr”, nuschelte Lily in ihr Haarband, ehe sie sich damit den Pferdeschwanz zu band.

Mary spülte und tauchte kurz darauf neben Lily am Waschbecken auf, um sich die Hände zu waschen. Erstaunt sah sie in den Spiegel und musterte die rothaarige Hexe darin von Kopf bis Fuß.
„Oho, ein Date?”, fragte sie.
Lily senkte ihren Kopf, um die Röte in ihrem Gesicht zu verbergen, doch Mary blieb diese Reaktion nicht verborgen und entlockte ihr ein vielsagendes Grinsen. „Sag, wer ist es?”, fragte sie und Lily erstarrte. „Komm schon, ich verrat auch nichts!”

Nervös griff Lily nach ihren braunen Kniestrümpfen und rollte sich eine zum Hineinschlüpfen zusammen.
„Doch nicht etwa Remus?”, bohrte Mary weiter, doch sie schüttelte den Kopf. „Mary, bitte. Ich möchte nichts sagen. Und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du auch keinem verrätst, dass ich verabredet bin.”
Dies war Mary Antwort genug. Grinsend lief sie aus der Tür und Lily konnte sich in Ruhe ihre Strümpfe und Schnallenschuhe anziehen. Sie sprühte sich einen Spritzer Parfüm auf ihre Bluse und sah noch ein letztes Mal in den Spiegel. Zufrieden mit ihrem Aussehen räumte sie alles mit einem Schlenker ihres Zauberstabs zusammen und lief in den Schlafsaal, um ihren Mantel zu holen.

Gerade als sie aus dem Schlafsaal ging, riss sich vor ihr die Tür auf und eine aufgewühlte Kate mit roten Augen stand vor ihr.
„Kate!”, rief Lily überrascht, doch diese sah ihre Freundin mit einer solch tiefen Enttäuschung an. „Sag mir bitte, dass das nicht wahr ist!”
Verwirrt hob Lily ihre Hand an Kate's Arm, doch diese windete sich unter ihrer Berührung und zischte. „Fass mich nicht an.”
„Hey, was ist los?”, fragte sie hilflos.
„Sag mir bitte, dass dein Date nicht Remus sein wird!”, entgegnete Kate und fing an zu schluchzen. „Wir sind doch F-Freundinnen!”
„Ja Kate, das sind wir auch! Ich.. Ich wusste gar nicht, dass du so tief für ihn empfindest!”, antwortete sie. „D-doch! Seit - hicks! - s-seit den S-Sommer-hicks!-f-ferien!”
Lily zog überrascht ihr Taschentuch aus der Rocktasche und hielt es ihrer Freundin entgegen. Dankbar nahm Kate das Tuch an und schnäutzte laut hinein. Allmählich beruhigte sie sich wieder.
„Also ist es wahr?”, fragte sie schwer atmend.
„Nein!”, entgegnete Lily und versuchte so beruhigend wie möglich zu klingen. „Remus ist doch nur ein Freund!”
„Ich seh aber, wie ihr euch immer anguckt. Er mag dich!” Verzweifelt schluchzte sie wieder auf.

Das geheime Tagebuch (Jily-FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt