Unsere Geschichte

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Aisha

Vorsichtig öffnete ich die Tür , die nur angelehnt gewesen war.

Ich wagte es nicht , Yiren anzusehen, bis ich an die Bettkante getreten war.
Ihr Atem ging ruhig , so als würde sie noch immer nur schlafen.
Ihre Haare waren ein wenig unordentlich und sollten gewaschen werden , aber ansonsten sah sie so schön aus wie eh und je.

Zaghaft zog ich meine Hand und strich über das Muttermal auf ihrer Wange.
Sie rührte sich nicht .

Jiwoo hatte gesagt , dass sie wieder in Ordnung werden würde .
Ich hatte beschlossen, dass ich Jiwoo vertrauen konnte.
Sie ließen uns bei sich wohnen , und bisher hatte sie Yiren keinen Schaden zugefügt.

Dennoch fragte ich mich , wie lange wir noch hier bleiben müssten .
Mindestens natürlich, bis die anderen vom Sonnenpalast zurückkehrten , aber danach ?
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Sihyeon und Mia ihr Königreich noch länger unbeaufsichtigt lassen wollten.
Und Jiwon natürlich auch nicht , auch wenn sie vielleicht jetzt gerade schon ein wenig mach dem Rechten sah .

Ich seufzte, und mein Atem bewegte die dünnen Haarsträhnen , die in Yirens Stirn fielen.
Ich strich sie ihr aus dem Gesicht.

„Es wird alles gut. Bitte wach bald auf. Ich will dir die Landschaft hier zeigen. Der Ort , an dem unsere Gastgeber wohnen , ist wirklich fantastisch, und sie sind alle so nett."
Sie gab mir keine Antwort.
Natürlich nicht.

Ein letztes Mal drückte ich ihre Hand , und verließ dann das Zimmer , jedoch ohne die Tür komplett zu schließen.
Wenn sie aufwachte , ohne dass ich es mitbekam, sollte sie sich nicht eingesperrt fühlen.

Jiwoo und Mia, die wohl von einem ihrer weiteren Ausflüge mit Jiwons Sohn San zurück war ,
standen nebeneinander in der Küche und backten Brot, wobei die ältere alles vormachte.
Ich musste schmunzeln.
Wahrscheinlich hatte Mia gar keine Ahnung von so etwas . Nun gut , hätte ich ja wahrscheinlich auch nicht, wenn ich die Kronprinzessin wäre .

Ich räusperte mich , und sie schauten zu mir auf.
Jiwoo winkte mich heran , und legte einen Batzen Teig vor mich auf die Arbeitsfläche.
„Du weißt hoffentlich, wie das Ganze funktioniert?" fragte sie mit erhobener Augenbraue.

Ich nickte , und streute eine Handvoll Mehl auf die Fläche.
Dann begann ich , kleine Brötchen zu formen .
Mia starrte auf meine Hände .
Lächelnd bot ich ihr an , Körner auf die fertigen Kugeln zu streuen.

Mit überraschend großer Sorgfalt begann sie begeistert komplizierte Muster aus Körnern zu legen.

Jiwoo, die nach einer Weile genug Teig hergestellt hatte , legte immer ein paar der fertigen Stücke in dem Ofen .

„Ich sollte echt mehr über solche Sachen lernen. Normalerweise habe ich nämlich für alles jemanden , der es für mich erledigt." meinte Mia nach einer Weile peinlich berührt.

„Dafür bist du doch bestimmt furchtbar gebildet." überlegte ich.
„Ich zum Beispiel kann nicht lesen." gestand ich .

Das silberhaarige Mädchen ließ ihre Hände sinken und sah mich entrüstet an.
„Na dagegen lässt sich sicher leicht unternehmen.
Ich kann es dir heute Abend gleich beibringen. Jiwoo , ihr habt doch bestimmt Bücher hier ?"
Die Frau nickte.
„Ein paar Zauberbücher mindestens."

Als wir schließlich mit Traubensaft und noch warmen Brötchen draußen im Garten am Tisch saßen , stellte ich endlich die Frage , die mir schon länger unter den Nägeln brannte.

„Woher weißt du eigentlich so viel über Medizin? Und kannst du wirklich zaubern ?" wollte ich von Jiwoo wissen.

„Ich würde es nicht wirklich als „Zaubern" bezeichnen." begann sie zu erklären.
„Aber vielleicht erkläre ich euch das besser an einem anderen Ort."

Sie erhob sich, und bedeutete uns, ihr zu folgen.
Mia und ich tapsten hinter ihr auf einer steinernen Treppe hinunter in den Keller.
Nachdem wir an einigen Vorratschränken vorbeigelaufen waren, zückte Jiwoo einen schweren Schlüssel, und schloss die Tür am Ende des Gangs auf.

Mit großen Augen traten wir in den Raum, der dahinter lag, und mithilfe von Kerzen, die Jiwoo gerade entzündete , erhellt wurde.

Auf deckenhohen Regalbrettern standen Fläschchen und Tuben, die allesamt mit bunten Inhalten gefüllt waren, aber auch Bücher , deren Einbände so alt aussahen , als wären sie bei Anbeginn der Zeit geschrieben worden. Auf einen Tisch in der Mitte des Raumes befand sich ein riesiger Apparat, mit dem man die Sachen wohl herstellen konnte.

Mia und ich ließe uns gegenüber von der Frau nieder , deren durch und durch weiße Erscheinung heute einen noch größeren Kontrast zu ihrem schwarzen Kleid und dem dunkeln Raum bildete .
Das Licht spiegelte sich in ihren ebenfalls mondhellen Augen.

Sie lächelte.
„Meiner , und auch Somins, Heilkraft muss manchmal ein bisschen nachgeholfen werden.
Jedoch habe ich wohl ein wenig Magie in mir , wenn man bedenkt , dass eine unserer Vorfahren Teil der königlichen Familie war."

„Unsere?" schob Mia dazwischen, bevor ich weiter nachhaken konnte .
„Matthew ist mein Bruder , so sehr ich es auch abstreiten würde ." erklärte Jiwoo lächelnd.

Sie holte tief Luft , bevor sie mit ihrer Erzählung fortfuhr :
„ Ihr wisst ja bestimmt, dass dieser Treffpunkt im Fluss von dem Sol und der Luna , die sich ineinander verliebt haben , gebaut wurde .
Jedenfalls haben die zwei Kinder bekommen. Meinen Bruder und ich."

„Aber das ist doch schon ewig her. Du müsstest ja über hundert  Jahre alt sein!" stieß Mia aus .

Jiwoo lächelte.
„Bin ich auch. Die seltsame Mischung hat uns unsterblich gemacht. Nur jetzt wo Joseph und Somin da sind , werden wir normal altern .
Und unsere Eltern haben diese Häuser hier gebaut.
Einer hat auf der Sol- und einer auf der Luna-Seite gewohnt."

„Und wieso hast du königliches Blut in dir ?" fragte ich gebannt.
„ Mein Vater war ein Nachfahre der Königin. Ein uneheliches Kind, genau wie die erste Luna."
„Was ? Die erste Luna war königlich ?" rief Mia verwundert.

„Richtig." erklärte Jiwoo.
„Die damalige Königin der Sol hatte eine Affäre.
Als sie dann schwanger war, wusste sie nicht , ob es von ihrem Ehemann oder dem anderen war.
Sie hat Zwillinge bekommen, aber eine Tochter aus irgendwelchen Gründen versteckt.
Und diese hatten dann beide magische Kräfte.
Wenn ihr mich jetzt entschuldigt würdet , ich wollte mit Joseph in die Stadt reiten.
Ich  bringe euch einige Bücher mit hoch , setzt euch doch bitte oben ins Wohnzimmer."

Wir brachten die Sachen vom Esstisch ins Wohnzimmer, und ließen uns auf dem Sofa nieder.

Ich trank einen großen Schluck.
„Das verändert die ganze Geschichte der Luna ein wenig, meinst du nicht ?"

Mia starrte an mir vorbei.
„Allerdings. Und es bedeutet, dass Sihyeon und ich mit Jiwon verwandt sind. Und mit Jiwoo und Matthew natürlich auch."

Ich blickte ihr direkt in die Augen , und sie zuckte mit den Schultern.
„Das stimmt. Wenn auch über mehrere Ecken." stimmte ich ihr zu.

„Ich kann es kaum erwarten, wenn sie wiederkommen und wir es ihnen erzählen!" meinte sie jetzt aufgeregt.
„Hat Jiwon eigentlich ihre königliche Magie schon mal benutzt?" wollte sie dann von mir wissen.

Ich erinnerte mich an die rosafarbenen Schwaden, die meine Königin umgeben hatten, als sie der schwangeren Frau geholfen hatte, und nickte.

Mia nickte jetzt zufrieden.
„Danach sollte sie mit Jiwoo vielleicht auch sprechen."

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