~06~

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„Aber um jetzt mal auf ein anderes Thema zu kommen, warum bist du hier? Du hast heute frei und trotzdem stehst du hier vor der Tür. Was ist also passiert?"

Ich erzähle ihm von Gon und was alles passiert ist. Warum ich ausgerechnet Hinata davon erzähle, weiß ich nicht so wirklich.
Er hört mir zu, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen. Als ich fertig bin herrscht eine Stille und ich schaue betreten weg. „Okay, das ist, ich weiß nicht, ein bisschen viel auf einmal? Was hast du jetzt vor?" Ohne ihn anzuschauen, antworte ich Hinata: „Ich weiß es nicht, aber ich muss wieder zurück. Ich bin schon zu lange weg." Ich stehe auf und will so schnell wie möglich an ihm vorbei, doch auf einmal hält er mich am Arm fest und schaut mir in die Augen. „Pass gut auf den Jungen auf." Ohne noch irgendetwas anderes zu sagen, lässt er meinen Arm wieder los und ich gehe.
Auf der Straße ist es mittlerweile noch kälter geworden und ich ziehe mir den Mantel enger um meinen Körper. Mit schnellen Schritten laufe ich in die Richtung meiner Wohnung. Doch sobald ich an der Treppe angekommen bin, bremse ich ab. Was soll ich zu ihm sagen? Ich bin einfach gegangen. Hoffentlich ist er noch da. Rest entschlossen stoße ich meine Wohnungstür auf und ich sehe ihn. Erleichtert atme ich auf. Er ist noch da! Meine Sachen lasse ich achtlos fallen und laufe auf die zusammengekauerte Person zu. Er sitzt auf dem Sofa mit meiner Decke um seinen kompletten Körper gewickelt, sodass nur noch sein Kopf zu sehen ist. Sobald ich vor ihm stehe, lasse ich mich auf meine Knie fallen und nehme das Häufchen in meine Arme. „Tut mir leid, ich hätte nicht einfach gehen sollen", nuschle ich in die Decke. Ich weiß nicht wieso, aber ich meine es ernst. Ihn so zu sehen tut mir weh und zu wissen, dass es meine Schuld ist, macht es nicht besser. Ich sage nichts mehr. Halte ihn einfach nur in meinen Armen. Die Minuten ziehen sich ohne dass jemand die Stille durchbricht oder es wagt sich zu bewegen. Jeder hängt in seinen Gedanken fest.

Doch langsam fangen meine Beine an weh zu tun und ich löse mich von dem Jungen. Ich suche seinen Blick, doch er weicht mir immer wieder aus. Es versetzt mir einen Stich zu sehen, wie ich wieder etwas falsch gemacht habe. Interessiert starre ich auf den schwarz grauen Teppich und stehe auf. Deprimiert blicke ich weiter auf den Boden, während ich mich auf den Weg in die angrenzende Küche mache. Auf einmal höre ich ein rascheln und dann schnelle Schritte. Doch bevor ich mich auch nur umdrehen kann, werde ich umgeworfen. Mühevoll versuche ich mich auf den Rücken zu drehen und sehe, dass Gon auf mir sitzt. Erschrocken schaue ich ihn an und will etwas sagen, jedoch kommt er mir zuvor: „Es tut mir Leid! Du hast nichts falsch gemacht! Ich habe dich grundlos beschuldigt, obwohl ich keinerlei Recht dazu hatte. Du hast mich einfach so aufgenommen, obwohl es dir eigentlich egal sein könnte, ob es mir gut geht oder nicht. Ich sollte dankbar sein, aber ich war verwirrt und wusste nicht mehr wie ich hier her gekommen bin. Es ist mir einfach zu viel passiert und ich bin misstrauisch geworden. Es tut mir Leid!" Er sagt das alles mit geschlossenen Augen, doch jetzt öffnet er sie. Ich sehe wie sie verdächtig glänzen und schon rollen ihm vereinzelte Tränen über die Wangen. Geschockt von diesem Ausbruch kann ich nicht wirklich etwas tun und bleibe deswegen einfach regungslos liegen. Ohne groß drüber nachzudenken, beugt sich Gon nach unten und legt seinen Kopf auf meiner Brust ab. Seine Haare streifen mein Gesicht und ich sehe wie sein Körper anfängt zu beben. Immer wieder wiederholt er diesen einen einzigen Satz: „Es tut mir Leid!" An der Stelle wo sich sein Kopf befindet, wird mein T-Shirt immer feuchter. Ich lege einen Arm um den Jungen und setzte mich vorsichtig auf. Ohne aufzuschauen, klammert Gon sich an mich. Seine Beine schlingen sich um meine Hüfte und seine Arme verschränkt er an meinem Nacken. Ich bleibe nicht lange in dieser Position, denn ich stehe einfach mit ihm auf und setzte ihn auf mein Sofa. Widerstandslos lässt er mich los, aber vermeidet den Blickkontakt. Seufzend atme ich aus. Wo bin ich hier nur wieder reingeraten? Ich verschwende nicht viele Gedanken, sondern fülle zwei Tassen mit Milch und mache Kakao. Mit den Tassen in den Händen kehre ich wieder zum Sofa zurück. Dieses Mal setzte ich mich direkt neben Gon und reiche ihm eine der Tassen, nachdem ich meine auf den Tisch gestellt habe. Seine Augen hängen zuerst an dem dampfenden Getränk, bis er zu mir aufblickt. Er hat aufgehört zu weinen und ich lächle ihn sanft an, was ihn scheinbar sehr zu freuen scheint. Seine braunen Augen strahlen mich förmlich an.

Still sitzen wir nebeneinander und trinken unseren Kakao. Es ist eine angenehme Stille. Gon sitzt ruhig und entspannt neben mir und ich schaue ihn lächelnd von oben herab an. Ein Glück, er hat sich wieder beruhigt und scheint ich komischerweise wirklich wohl zu fühlen. Was wohl in seinem Kopf vor geht? Als hätte Gon den Blick auf sich gespürt, schaut er plötzlich auf. Direkt in meine Augen und es fühlt sich an, als würde er alles was in mir vorgeht mit einem Blick lesen können. Räuspernd wende ich mich ab, doch er macht keine Anstalten weg zu schauen. Nein er behält seinen starren und dennoch weichen Blick bei. „Ich hab da drüben heute Mittag ein paar DVDs gesehen. Ja und da wollte ich dich fragen, ob wir uns davon vielleicht eine anschauen könnten?", fragt Gon direkt heraus. Mein Kopf fährt herum und schaue ihn erstaunt an. Er will sich einen Film anschauen und dann auch noch mit mir? Hab ich da irgendwas falsch verstanden? Als hätte der Junge meine Gedanken gelesen beantwortet er schon meine unausgesprochene Frage: „Ich möchte mit dir einen Film schauen, wenn das okay wäre." Ohne jedoch auf eine Antwort zu warten steht er auf und greift nach meinem Arm. Gon zieht mich hoch und hinter ihm her. Er steuert gezielt den Stapel mit den DVDs an und nimmt auch ebenso sicher eine davon. Die ganze Zeit lässt er meinen Arm nicht los, sondern zieht mich einfach weiter. Wie selbstverständlich läuft er die Treppen hoch und direkt in mein Schlafzimmer. Erst als wir in dem Zimmer stehen, lässt er meinen Arm los und legt mit flinken Fingern den Film ein. Mit der Fernbedienung in der Hand springt er schon fast auf mein Bett. Ich bleibe jedoch unsicher mitten im Raum stehen. Gon schaltet den Film schon an, stoppt ihn allerdings direkt wieder und schaut mich mit schräg gelegtem Kopf an. Kann ich wirklich einfach mit ihm dort sitzen? Was wenn er mir wieder Vorwürfe macht? Wenn ich ihm zu nahe komme oder er sich einfach nur freundlich sein will und mir nicht sagt, dass er meine Gesellschaft nicht braucht? „Willst du nicht auch her kommen? Im Stehen einen Film zu schauen, wenn es ein bequemes und weiches Bett gibt, ist doch nicht Sinn der Sache. Also jetzt komm schon her!" Erwartungsvoll klopft er neben sich aufs Bett und lächelt mich sanft an.



Hayy, ja ich lebe noch und habe es geschafft endlich mal wieder einen neuen Teil hochzuladen. Ich hoffe es gefällt euch weiterhin. Dann noch viel Spaß beim Lesen.

Eure Junta_ Azumaya!

WintermagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt