Kapitel 96

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Nachdem die Haustür ins Schloss gefallen ist, stößt Frederik hörbar Laut Luft aus. „Puh" sagt er nur und setzt sich langsam neben mich. Mir laufen weiterhin stumm Tränen über die Wange. „Tut mir leid..." sagt er leise zerknirscht und will seinen Arm um mich legen, ich stehe jedoch auf und verschwinde schluchzend ins Schlafzimmer, wo ich mich aufs Bett fallen lasse und mein Gesicht ins Kissen drücke, damit mein schluchzen nicht so laut ist. Es dauert eine halbe Stunde, bis Frederik hinterher kommt und sich leise schweigend neben mich legt. „Es tut mir wirklich so leid! Ich... habe echt scheisse gebaut" gesteht er. „Du wolltest dich scheiden lassen, weil du mir nicht vertraust!" schluchze ich. „Ich vertraue dir! Ich vertraue dir wie keinem anderen auf dieser Welt! Ich würde dir mein Leben anvertrauen... ich... wollte das niemals alles so auslösen! Ich liebe dich wirklich über alles! Und gerade deshalb hatte ich so Angst davor, dich zu verlieren! Ich will dich für immer an meiner Seite haben" versucht er mir zu versichern. Ich schluchze ohne ein weiteres Wort weiter - der Schmerz in meinem Herz ist im Moment zu groß, als dass ich weiter mit ihm diskutieren könnte. Er zieht mich zu sich, trotz dass ich versuche mich zu wehren und weg zu drücken und legt seine Arme fest um mich, bis ich meine Abwehrversuche aufgegeben habe. Er streichelt mir über den Rücken und durch die Haare, während ich weiter weine. „Ssshhhh... ich verspreche dir, das alles wieder gut zu machen! Und ich werde nie wieder an deinen Freunden zweifeln! Ich freue mich wahnsinnig für dich, dass du Moritz als Freund hast - auch wenn er nicht schwul wäre" flüstert er. Ich schweige ihn weiterhin schluchzend an, bis ich eingeschlafen bin.

Das Wochenende über verläuft alles noch relativ angespannt, wobei wir versuchen, Emma und Max nichts merken zu lassen und Frederik gibt sich durch Frühstück am Bett, einem Blumenstrauß am Samstagmorgen und einem Massageangebot ernsthaft Mühe. Trotzdem bleiben mir seine Worte die ganze Zeit im Kopf und ich weiß selber, dass das auch noch eine ganze Weile so bleiben wird.

Vier Wochen vor meinen Semesterferien holt Frederik mich Donnerstag nachmittags von der Uni ab. „Hey! Was machst du hier?" frage ich verwirrt, als ich mich von Moritz verabschiedet habe und zu Frederiks ins Auto gestiegen bin. „Dich abholen. Wir machen einen Ausflug" verkündet Frederik und ich schaue noch verwirrter auf die Rückbank. „Einen Ausflug? Und wo sind die Kinder? Noch bei deinen Eltern? Und warum hast du unsere zwei Taschen dabei?" frage ich immer verwirrter, wobei ich böses Ahne. „Emma und Max sind bei meinen Eltern und da bleiben sie übers Wochenende auch... wir fahren noch kurz bei ihnen Bescheid, Klamotten und alles andere an Spielzeug usw. vorbei bringen und uns verabschieden - wir fahren heute noch nach Zermatt in unsere Hütte. Meine Eltern wissen aber schon seit Beginn der Woche Bescheid. Ich wollte dich damit überraschen" erklärt und ich starre ihn überrumpelt an. „Was?!" frage ich, aber er nickt nur, beugt sich zu mir rüber und küsst mich. „Alles andere erkläre ich dir auf der Fahrt" verkündet er und fährt los. Völliger verdattert schaue ich die Fahrt über aus dem Fenster und versuche meine Gedanken und die Informationen zu verarbeiten. Keine zehn Minuten später stehen wir vor dem Haus von Frederiks Eltern und klingeln - Frederik mit der Tasche für Emma und Max überm Arm. „Hallo!" begrüßt Frederiks Vater uns freudig und lässt uns rein. Wir begrüßen ihn ebenfalls und treten ins Wohnzimmer ein. Während Frederik mit seinen Eltern redet, setze ich mich zu den Kindern auf den Boden und nehme beide zum kuscheln auf den Schoß. Überfordert bin ich mit dieser spontanen Aktion jedoch trotzdem. Frederik setzt sich kurz später zu mir. „So ihr zwei süßen. Ihr dürft dieses Wochenende bei Oma und Opa bleiben" erklärt er ihnen und streichelt Emma mit dem Zeigefinger über die Wange, die ihre Arme sofort nach ihm ausstreckt und sich von ihm hoch nehmen lässt. „Am Sonntag Abend holen wir sie wieder" sagt Frederik an seine Eltern gewandt und sie nicken. Wir bleiben noch eine halbe Stunde, ehe wir uns von allen Vieren verabschieden und wieder nach draußen zum Auto gehen, einsteigen und los fahren. 8 stunden später kommen wir Gegen Mitternacht im Zermatt vor unserer Hütte an. Da ich die ganze Fahrt über geschlafen habe, hatten Frederik und ich nicht groß Zeit zu reden. „So. da wären wir" verkündet Frederik und stellt den Motor ab. Ich gähne als Antwort und strecke mich auf meinem Sitz. Er beugt sich zu mir rüber, küsst mich kurz und steigt dann aus. Während er unsere beiden Taschen rein trägt, folge ich ihm schweigend. „Bett? Und noch ein wenig reden?" fragt er und da ich sehen kann, wie müde er ist, nicke ich. Ich gehe ihm voraus ins Schlafzimmer, wo ich mir Schlafsachen aus meiner Tasche suche und ins Badezimmer zum duschen und Zähneputzen verschwinde. Während ich das heisse Wasser auf mich fallen lasse, versuche ich mir diesen spontanen Trip zu erklären. Und Während ich meine Haare einseife, taucht Frederik hinter mir auf. Er stellt sich zu mir unters Wasser und legt seine Arme fest nach vorne über meinen Oberkörper. Ich schließe die Augen und lehne mich an ihn. Wir bleiben ein paar Minuten so stehen, ehe ich ihn sanft weg drücke und mich fertig mache. Noch bevor er aus der Dusche raus kommt, liege ich im Bett und tippe auf meinem Handy rum. „So. jetzt" sagt Frederik lächelnd, als er neben mir unter die Decke Rutsch und ich lege mein Handy zur Seite. „Nachdem ich dir vor ein paar Wochen so unrecht getan habe mit Moritz und dich so verletzt habe, habe ich mir gedacht, wir machen uns ein entspanntes Wochenende zu zweit... in der Hoffnung, dass ich dadurch nochmal etwas gut machen kann... ich habe uns für morgen einen ganzen wellnesstag in der Therme gebucht und am Samstag könnten wir laufen gehen... ich würde gerne noch mal mit dir und dem da..." er zeigt auf meinen Bauch „...dahin, wo wir uns verlobt haben und du mir von Emma und Max erzählt hast. Ich liebe dich über alles!" erklärt er und ich merke, wie mir Tränen in die Augen kommen. Er schaut mich unsicher fragend an, jedoch lege ich direkt meine Arme fest um ihn und küsse ihn auf den Hals. Wie sehr ich diesen Menschen doch liebe!

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