Kapitel 108

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Frederik stößt eine viertel Stunde später zu uns dazu. „Was ist passiert?!" fragt er völlig außer Atem und ohne uns richtig zu begrüßen. Da ich vor lauter schluchzen keinen Ton raus bekomme, spricht seine Mutter für mich. „Emma und Max haben im Garten gespielt und wurden von einem Mann angesprochen. Emma ist laut Max wohl zu ihm ins Auto gestiegen" antwortet sie und Frederik wird blass. „oh mein Gott! Weiß die Polizei Bescheid?" fragt er mit brüchiger Stimme und seine Mutter nickt. „Dürfte jede Minute da sein. Max und Felix sind oben zum spielen" antwortet sie wieder. Frederik kommt auf mich zu und legt seine Arme fest um mich, wodurch ich nur noch lauter schluchze. „Sssshh... wir werden sie heil wieder finden... heute Abend liegt sie bestimmt wieder in ihrem Bett und wir kommen alle mit einem Schrecken davon" sagt er leise, aber ich kann hören, dass er selber nicht ganz von seinen Worten überzeugt ist. „Sie ist... bei einem... fremden Mann... eingestiegen... wir haben ihr... doch... so oft... gesagt... dass sie das nicht.... machen darf...." schluchze ich gegen seine Brust und er nickt. „Ich weiß. Es Sind kinder. Sie können das nicht einschätzen und den Ernst der Lage verstehen. Aber die Polizei wird alles was nötig sein wird unternehmen. Es wird alles gut" wiederholt er und drückt mich noch fester an sich. Ich weine heftig weiter, Unfähig noch etwas zu sagen. Nur fünf Minuten später klingelt es an der Tür und Frederiks Vater steht auf, um die Tür zu öffnen. Die Polizisten betreten das Wohnzimmer, woraufhin Frederik Max runter holt, in der Hoffnung, er könnte etwas zum Aussehen des Mannes oder zum Kennzeichenschild oder der Farbe des Autos sagen, jedoch kann er der Polizei nicht mehr sagen als das, was er uns bereits erzählt hat. Nach einer halben Stunde verschwinden die Polizisten wieder mit unseren Aussagen und dem Versprechen, sofort eine Vermisstenanzeige raus zu geben und sich auf die Suche zu machen. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen ist, ist es so still im Raum, dass es schon weh tut. „Wir nehmen Max und Felix heute Nacht und passen gut auf sie auf. Sie bleiben hier im Haus und ich mache mit Max die Hausaufgaben, wir kochen was zum Abendessen und bringen sie ins Bett. Morgen früh bringen wir sie in den Kindergarten und in die Schule" entscheidet Frederiks Vater irgendwann leise und schaut uns eindringlich an. Ich will gerade den Mund auf machen, um zu protestieren, Frederik funkt mir jedoch direkt dazwischen. „Das ist sehr nett von euch, danke! Wir melden uns, sobald es etwas Neues gibt und holen die zwei morgen Mittag ab. Ich melde uns beide von der Arbeit ab" antwortet er und sein Vater lächelt. „Es wird alles gut werden!" wiederholt er Frederiks Worte an ihn selber gewandt und umarmt seinen Sohn fest, ehe seine Mutter es ihm nachtut. „Ich gehe noch schnell mit Felix zu kuscheln" verkünde ich flüsternd und verschwinde die Treppe hoch. Max steht immer noch schweigend in der Ecke. „Hast du gehört? Du bleibst mit deinem kleinen Bruder heute Nacht hier bei Oma und Opa. Du brauchst dir keine Sorgen machen, okay?" Frederik kniet sich zu ihm runter und nimmt seine Hände. „Papa... habe ich etwas falsch gemacht?" fragt er bedrückt, aber Frederik schüttelt sofort den Kopf. „Nein! Du hast nichts falsch gemacht. Es ist gut, dass du nicht eingestiegen bist" sagt er mit einem schwachen lächeln und nimmt Max in den Arm. „Aber... ich hätte Emma abhalten müssen... oder?" schnieft er und fängt an zu weinen. „Hey... nicht weinen! Du hast wirklich alles richtig gemacht! Und deine Schwester finden wir! Okay? Du musst dir keine Sorgen machen! Du kochst heute Abend was leckeres mit Oma zusammen, dann macht ihr deine Hausaufgaben zusammen und vielleicht darfst du ja noch etwas Fernsehen schauen mit Opa. Er bringt dich dann morgen in die Schule und Mama und ich holen euch morgen mit dem Auto ab. Hast du verstanden?" fragt er und Max nickt schwach. „Ist Mama sauer?" fragt er ganz leise, aber Frederik schüttelt den Kopf. „Nein. Mama freut sich nur, wenn Emma wieder zuhause ist. Aber sie ist nicht sauer und hat dich immer noch genauso lieb wie davor. Du hast nichts falsch gemacht. Aber tust du mir einen Gefallen?" fragt er Max und dieser nickt. „Pass gut auf Felix heute auf, okay? Er freut sich bestimmt, wenn du etwas mit ihm spielst". Wieder nickt Max und wischt sich die Tränen weg. Frederik küsst ihn zwei mal fest auf die Wange und umarmt ihn erneut fest, ehe er wieder aufsteht. „Komm, wir gehen zusammen hoch zu Mama" schlägt er vor und hält Max seine Hand hin. Er ergreift sie und folgt Frederik die Treppen nach oben, wo ich im Kinderzimmer auf Max Bett sitze mit Felix auf dem Arm. „Tut mir leid, Mama!" sagt Max betreten, als sie zu mir ins Zimmer treten. Als Antwort strecke ich meine Arme nach ihm aus. Er kommt zu mir aufs Bett geklettert und kuschelt sich an mich. Ich streichle ihm durch die Haare, während Frederik mir Felix zum kuscheln abnimmt. „Sollen wir morgen nach der Schule Pizza bestellen?" frage ich Max mit viel Überwindung, da es mir schwer fällt, mich jetzt auf etwas anderes als Emmas verschwinden zu konzentrieren. Zu groß sind die Sorgen, dass Emma etwas schlimmes zugestoßen sein könnte und ich sie nie wieder in den Arm nehmen kann. Max nickt und schließt die Augen. Ich lege mich mit ihm hin und streichle ihm über den Rücken, bis Frederik sich mit Felix auf der Brust zu uns legt. Wir bleiben noch eine halbe Stunde so zusammengedrückt so liegen, bis Max und Felix eingeschlafen sind, stehen leise auf, legen Felix zurück in sein Bettchen und schleichen uns aus dem Zimmer raus. Sobald die Tür hinter uns zu ist, laufen mir wieder Tränen über die Wangen. „Komm, wir fahren nach Hause" beschließt Frederik und zieht mich sanft die Treppe runter, verabschiedet sich von seinen Eltern und geht dann raus mit mir zum Auto. Wir steigen ein und fahren los.

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