Kapitel 1

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Hermine blieb in der Tür des Zuges stehen und blickte suchend über die Köpfer der Schüler hinweg. Es herrschte das übliche Gewusel, wie immer zu beginn eines Schuljahrs. Katzen fauchten, Eulen schrien und die jüngsten Kinder jammerten. Auf der andern Seite des Bahnsteigs konnte sie Hagrids durchdringende Stimme nach den Erstklässlern rufen hören.

Von Ihrer erhöhten Position aus, hätte es ihr eigentlich leicht fallen sollen den Mann zu entdecken, denn sie schon seit mehreren Stunden schmerzlich vermisste. Doch leider fand sie die strubbeligen, schwarzen Haare genau so wenig, wie leuchtend grüne Augen.

„Hermine, du kannst da nicht länger stehen bleiben!", meinte Ron mit einem Mal sanft aus dem Gang hinter ihr. „Du hältst den ganzen Verkehr auf. Das macht keinen sonderlich guten Eindruck, Frau Schulsprecherin!"

Hermine seufzte, trat dann aber aus der Tür hinaus und auf Bahnsteig. Ron folgte ihr nur Sekunden später. In der Hand hielt er den Käfig von Pig.

„Ich mache mir einfach nur so sorgen.", meinte sie gedämpft und griff nach Rons freier Hand. „Harry sollte noch nicht ganz alleine in der Weltgeschichte rumtingeln. Es sind immer noch genug von Voldemorts Anhängern frei. Ganz davon abgesehen, dass Schulleiterin McGonagall ihn erwürgt, wenn er zu spät zum Eröffnungsbankett kommt."

Auch Neville hatte sich ihnen inzwischen angeschlossen und gemeinsam trotteten sie zu den Kutschen hinüber.

Hermine konnte nicht behaupten, dass ihr der Anblick der Thestrale inzwischen angenehmer war. Aber solange sie nicht wieder auf einem der Tiere reiten musste, würde sie die Sache schon überleben.

„Ich denke nicht, dass wir uns große Sorgen um Harry machen müssen.", meinte Neville fröhlich. „Wenn er später kommt, dann hat er dafür bestimmt einen guten Grund."

Am liebsten hätte Hermine über die Gleichgültigkeit der beiden Gryffindor-Jungs die Augen verdreht, aber sie beherrschte sich.

Trotzdem machte sie sich weiter Sorgen um Harry. Der Idiot war heute früh schon verschwunden gewesen, als alle anderen erst aufstanden. Mit ihm zusammen auch alle seine Sachen. Niemand hatte ihn gesehen.

Zunächst hatte sie angenommen, dass er noch dringend etwas besorgen musste. Es wäre typisch für ihn etwas wichtiges bis zur letzten Minute aufzuschieben. Aber auf dem Gleis 9 ¾ war er auch nicht aufgetaucht.

Und das war doch wirklich seltsam. Harry liebte den Hogwarts-Express! Er würde es sich nie entgehen lassen mit ihm zu fahren.

Wo war der Kerl nun also? Sie hoffte sehr für ihn, dass er es sich mit dem Nachholen seines Schulabschlusses nicht doch noch einmal anders überlegt hatte. Dann würde sie ihn nämlich am Nacken her schleifen, wenn es sein musste auch mit Gewalt!

Der verbotene Wald flog an ihrem Fenster vorbei. Sie waren heute früher dran als üblich, daher war die Sonne noch nicht ganz untergegangen. Und als sie um eine Ecke bogen, erhob sich Hogwarts stolz vor ihnen. Eingetaucht in das warme Licht der roten Sonne.

Hermine spürte, wie sich automatisch ein fester Knoten in ihrer Brust löste. Irgendwie war dieser große Haufen Stein halt doch Heimat, da hatte Harry schon ganz recht mit.

Ihre Kutsche hielt. Ron kletterte vor ihr hinaus, nur um sich dann zu ihr rumzudrehen und ihr wie ein vollendeter Gentleman beim Aussteigen behilflich zu sein. Die Hexe spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht krabbelte. Aber im Licht des Sonnenuntergangs würde diese Tatsache wohl nicht weiter auffallen. Sie gab Ron als Dankeschön einen schnellen Kuss auf die Wange und behielt seine Hand dann fest in ihrer.

Auf den Stufen hoch zum Eingangsportal holte Luna sie ein.

„Da seid ihr ja.", meinte die Blondine zufrieden. „Ich hatte euch gesucht, aber dann hat mich Blaise abgelenkt."

Aus Hermines SichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt