Kapitel 3

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Unruhig kaute Hermine auf ihrer Unterlippe herum und trottete etwas langsamer als üblich hinter ihren Freunden her.

Heute war es also endlich soweit. Nicht die allererste Unterrichtsstunde überhaupt, heute war immerhin schon Mittwoch und die letzten zwei Tage waren sie bereits fleißig gewesen.

Aber die erste Doppelstunde Zaubertränke bei Snape stand ihnen nun bevor und Hermine hatte noch immer die Tatsache, dass der Lehrer auf ihren besten Freund stand, nicht so richtig gut verdaut.

Sie hatte kurz darüber nachgedacht, mit Ron über das Thema zu sprechen, aber das wollte sie dann doch nicht. Ron mochte es nicht sonderlich Geheimnisse vor seinen Freunden behalten zu müssen. Aber vor allem, wusste sie selbst nicht recht, ob es da schon viel zu bereden gab.

Harry war nach ihrem Wissensstand nicht schwul. Warum hätte er sonst Cho und Ginny attraktiv gefunden. Und Snape sah nun einmal nicht gerade wie eines der beiden Mädchen aus.

Natürlich war sie nicht hinterm Mond aufgewachsen. Es gab immer die Möglichkeit, dass Harry einfach nur nicht wusste, dass er eigentlich auf Männer stand. Oder er war Bi-Sexuell. Oder aber, er würde sich nur zu Snape als einzigem Mann überhaupt hingezogen fühlen.

Die Welt da draußen war voll von seltsamen und überraschenden Gelüsten, über die sie sich kein Urteil erlauben würde. Gleichzeitig sah sie eine mögliche Beziehung zu dem Lehrer aber unter keinem sehr guten Stern.

Und was war eigentlich mit Snape selbst los?

Das war ein Punkt, der Hermine fast schon in den Wahnsinn trieb.

Harry hatte ihnen erzählt, dass der Lehrer Lily Potter geliebt hatte, seit er sie auf einem Spielplatz als kleiner Junge das erste Mal gesehen hatte.

Wie konnte er da nun plötzlich Gefühle für den Sohn seiner einstigen Angebeteten entwickeln? Oder hatte Harry die Erinnerungen, welche Snape ihm gegeben hatte, irgendwie falsch interpretiert? Sie konnte es nicht beurteilen, immerhin hatte sie die Bilder nie gesehen!

Aber es schüttelte sie schon bei der Vorstellung, dass der Mann sich vielleicht nur auf ihren besten Freund fixierte, weil er ein Teil von Lily war und er ihm die Frau seiner Träume so wieder näher bringen konnte.

Allerdings besaß auch Harry einen Penis! Zumindest soweit sie informiert war. Auch diesen hatte sie natürlich nie gesehen, da hatte sie auch wirklich kein Interesse dran, aber Ron hätte sicher mal etwas erwähnt, wenn bei ihrem Freund anatomisch etwas im Argen wäre.

Wäre Harry ein Mädchen, hätte er vielleicht sogar Lilys rote Haare, dann hätte Hermine die Theorie der Übertragung von Snapes emotional-fixierter Abhängigkeit für extrem wahrscheinlich gehalten. Aber wie konnte Snape erst nur James Potter in Harry sehen und jetzt plötzlich dazu übergehen seine Mutter in ihm wahrzunehmen? Das machte keinen Sinn!

Zumindest nicht solange sie den Lehrer für geistig Gesund hielt.

Trotzdem musste es doch einen Auslöser für diesen Wandel in Snapes Sichtweise seinem Schüler gegenüber geben! Reichte es wirklich aus, wenn man endlich miteinander sprach und einander kennenlernte? War das genug, wenn es so viele negative Erinnerungen zwischen zwei Menschen gab?

Andererseits gab es durchaus so etwas wie Hass-Liebe!

Diese entstand aber ihrem Wissen nach eher im Streit durch aufgebaute Aggressionen sowie sexuelle Frustration, die dann in einem Moment der extremen Leidenschaft gipfelten. Wäre das die Ursache gewesen, hätten sie das aber bestimmt bemerkt, ohne jeden Zweifel!

Außerdem passte dazu nicht, wie sanft und vorsichtig Snape Harry bei den letzten beiden beobachteten Begegnungen berührt hatte.

So oder so blieb Hermine an dieser Stelle zunächst keine andere Wahl, als den Grünäugigen und den Tränkemeister weiter zu beobachten. Und genau dafür würde sich heute bestimmt eine gute Gelegenheit bieten.

Aus Hermines SichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt