„Erzähl die Legende, erzähl die Legende!", verlangte ein kleines Mädchen, das wie all die anderen Kinder in einem Kreis herumsaß und gespannt darauf wartete, dass ich endlich zu erzählen begann.
„Also gut.", meinte ich und begann zu erzählen: „Einst konnte ein Mädchen in jungen Jahren abends nicht schlafen, woraufhin sie sich trotz der Anweisung ihrer Eltern dem Wald fern zu bleiben, aus dem Haus schlich.
Sie ging am Waldesrand entlang, als sie sich plötzlich beobachtet fühlte, sich umschaute und schließlich tief im Wald eine schwarze Gestalt sah, die mit dem Rücken zu ihr stand.Das Mädchen starrte auf die Gestalt und konnte aus irgendeinem Grund nicht die Augen von ihr nehmen. Und dann drehte sich die Gestalt auch schon zu ihr um!
Die roten Augen bohrten sich in die ihren. Sie wollte rennen, doch sie konnte nicht. Wie gebannt starrte sie weiterhin auf die Gestalt, die Schritt für Schritt näherkam, bis sie schließlich direkt vor dem Mädchen stehen blieb und seine Bestienzähne entblößte, sodass das Mädchen vor Angst aufschrie, gleichzeitig nach hinten stolperte und unsanft am Boden landete.
Die Kontrolle über ihren Körper wiedererlangt bewegte sie sich rücklings von der Gestalt weg, die bereits mit ihren großen Händen nach ihr greifen wollte. Hals über Kopf rappelte sie sich wieder auf und rannte zurück zu ihrem Haus, schloss die Tür hinter sich, sperrte diese panisch ab und lief zu ihren Eltern, die schlafend in ihren Betten lagen.
Doch dies war nicht das letzte Mal dass das Mädchen die roten Augen gesehen hatte. In der nächsten Nacht wurde sie erneut von ihnen heimgesucht.
Sie blickten direkt vom Waldesrand zu ihr in den ersten Stock hinauf, wo sie gerade stand und aus dem Fenster schaute, weil sie wieder nicht schlafen konnte.Zwei Tage danach war das Mädchen spurlos verschwunden und niemand wusste, wo sie abgeblieben war. Man munkelt, dass der schwarze Geist, der auch als schwarze Bestie bezeichnet wird, sie und andere Kinder nachts entführte und nichts Gutes mit ihnen vorzuhaben schien, da man ab und an Schreie aus dem Wald vernahm.
Manch einer meint, dass der schwarze Geist bereits seit tausenden von Jahren sein Unwesen im Wald treibt und nur darauf wartet, das so jemand wie ihr im Dunklen hinaus geht, um euch zu..."
Bei dem Wort „...fressen!" angelangt schnellten meine Hände schlagartig zu dem Kind, das neben mir saß, sodass alle aufkreischten.
„Das reicht jetzt Sina", meinte meine beste Freundin Finja, die sich hinter mich gestellt hatte und bewundernd wie ich es immer wieder schaffte alle Kinder in Angst und Schrecken zu versetzen, in die verängstigten Kindergesichter sah.
Sie leitete dieses Waisenhaus und ich half ich tagsüber die Kinder zu beschäftigen, was gar nicht so einfach war. Doch morgen sollte sich all dies ändern!„Es ist Zeit für euch ins Bett zu gehen", sagte Finja auffordern, woraufhin alle Kinder, wenn auch widerwillig aufstanden und das Zimmer verließen. „Das wird wohl mein letztes Mal gewesen sein, dass ich den Kindern von den Legenden erzählt habe.", meinte ich etwas traurig, während ich vor mir auf den Holzboden schaute und mit den Fingern über den Boden fuhr.
„Wenigstens ist dann eine von uns beiden besser dran.", sagte sie um mich ein wenig aufzumuntern. „Kann sein.", murrte ich, da mir der ganze Reichtum, den der Mann haben würde, den ich schon morgen heiraten müsste, total egal war. Das Einzige was ich wollte war frei zu sein und niemanden heiraten zu müssen nur weil er das ganze Land besaß und glaubte er könnte machen was er wolle.
„Du kennst ihn ja noch gar nicht. Wer weiß, vielleicht ist er der charmanteste Mann, den du je getroffen hast und er verdreht dir den Kopf in null Komma nix.", sagte meine Freundin schon fast schwärmend, während sie ihre Hände zusammen geklatscht hatte und verträumt hinauf auf die Decke des Zimmers blickte.
„Wohl kaum", verdrehte ich die Augen und schnaufte. „Dieser Typ kann einiges sein, aber das bestimmt nicht!", sagte ich missmutig gelaunt. Wissend, dass dieser Mann, der mein Ehemann werden würde, der war, den ich am allerwenigsten leiden konnte. Noch dazu war er um ein ganzes Stück älter als ich, um nicht zu sagen mehr als 15 Jahre, was nicht gerade dazu beitrug ihn mehr zu mögen.
Finja hatte schon recht damit, dass ich ihn nicht kannte, aber ich hatte ihn schon einmal gesehen, was reichte, denn am liebsten hätte ich mich bei dem Gedanken ihn als meinen Ehemann haben zu müssen, übergeben! Was ja schon alles sagt, meiner Meinung nach...„Ach, Sina. Ich wünschte ich könnte es ändern, dass du ihn heiraten musst, aber das kann ich nun mal nicht.", sagte meine beste Freundin mitfühlend: „Am besten du gehst nachhause und genießt deinen letzten Abend in Freiheit. Ich übernehme denn Rest hier." Ich lächelte ihr dankbar zu und stand dann auf um sie ein letztes Mal zu umarmen. Denn wer wusste schon wann ich wieder hierherkommen dürfte, wenn ich erst einmal mit diesem Grafen verheiratet war.
„Mach's gut", sagte ich, während ich sie zu fest umarmte. Am liebsten hätte ich sie nie wieder losgelassen, doch ich musste schauen, dass ich nachhause kam. Also ließ ich sie dann schließlich doch los und ging zur Ausgangstür.
„Lass von dir hören und schick mir was von deinem Geld.", sagte Finja scherzhaft und lachte anschließend. „Klar mach ich.", gab ich zurück, als ich mich noch einmal lächelnd zu ihr umdrehte.
Als ich dann aus dem Haus draußen war wurde es bereits dunkel. Langsamen Schrittes ging ich den Weg am Waldrand entlang, in die Richtung meines Elternhauses und fragte mich warum das ausgerechnet mir passieren musste. Warum musste ausgerechnet ich diesen Grafen heiraten?...
Als mich ein Rascheln, das vom Wald her kam aus meinen Gedanken riss und mich schlagartig aufsehen ließ.
Zuerst erkannte ich nichts, da sich meine Augen noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt hatten, die den Wald bereits so gut wie einnahm. Doch dann erkannte ich die Umrisse einer schwarzen Gestalt die dort einige Meter im Inneren des Waldes stand.Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich wäre am liebsten weggelaufen, doch ich konnte meine Augen nicht von der Gestalt abwenden. Ich starrte sie mit geweiteten Augen an, als sie sich auch schon zu mir umdrehte und ich nicht glauben wollte was ich da sah. Ich schluckte schwer und mein Herz rutschte mir in die Hose als ich diese blutroten Augen sah, die mich nicht mehr aus den Augen ließen.
„Was um alles in der Welt ist das?", fragte ich mich gedanklich, weiterhin auf diese roten Augen starrend, nicht glauben wollend dass diese Gestalt etwas mit der Legende zu tun haben könnte. Sie legte ihren Kopf schief und ich hätte schwören können einen fragenden Blick in ihren Augen gesehen zu haben, obwohl das auf diese Entfernung so gut wie unmöglich war.
Mein Herz schlug mir bis zur Brust hinauf. Ich wusste, dass ich hier wegmusste, da mir diese Gestalt mit Sicherheit nichts Gutes wollte! Und womöglich auch noch näherkommen würde, wenn ich hier nicht schnell verschwinden würde!
Schließlich schaffte ich es meinen Blick von diesen roten Augen zu reißen, woraufhin ich auch schon loslief und erst wieder bei dem Haus meiner Eltern außer Atem anhielt.
„Wer um alles in der Welt war diese Gestalt? Und was hatte sie im Wald verloren?", fragte ich mich keuchend, bei der Hauswand abstützend, da ich eine logische Erklärung dafür suchte. Denn dass dies der schwarze Geist sein sollte, konnte unmöglich sein! Diese Legende war frei erfunden!! Und das wusste auch jeder! Die Kinder natürlich nicht miteingeschlossen.Dann öffnete ich auch schon die Haustüre um meiner Mutter davon zu erzählen, die mir mit Sicherheit nicht glauben würde.
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The legend of the black ghost
FantasyEine Legende, die den Kinder erzählt wird um sie in angst und schrecken zu versetzen, doch in wahrheit frei erfunden ist. Was jeder weiß! Doch Sina ein unscheinbares Mädchen das bald volljährig wird und schließlich gegen ihren Willen den Grafen, des...