Alone in the world?

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Die Angst wurde von etwas Anderem überlagert. Der Gewissheit, dass ich mich vor Sev nicht fürchten müsste. Ich lief barfuß, nur in meinem geblümten Sommerkleid aus dem Haus und zur Wiese. Ein paar Meter von Sev entfernt hielt ich an. Mit einem Mal wurde mir bewusst, wie intensiv seine Ausstrahlung geworden war. Ich verstand jetzt Lilys Gedanken, dass er vielleicht bei dem Angriff dabei gewesen war. Etwas Düsteres ging von ihm aus. Und dieses Mal kam es nicht aus seinem traumatisierten Inneren, sondern es hatte etwas Bedrohliches, wie ein Panther, der im Schatten lauert.

„Hi", begrüßte ich ihn so ungezwungen wie möglich. Als er sich auf die Unterarme stützte um mich anzusehen erschien ein schiefes Grinsen in seinem Gesicht. Ich wusste, dass nur Lily und ich dieses Grinsen kannten. „Ich dachte schon du kommst nicht", entgegnete er. Früher hätte immer Unsicherheit mitgeschwungen, doch jetzt war es eine nüchterne Feststellung.

„Ich war mir sicher, dass ich vor dir keine Angst haben muss", erklärte ich sanft. Ich wollte, dass er verstand, dass ihn nicht alle aufgegeben hatten.

Um der alten Zeiten willen fügte ich hinzu: „Immerhin hast du mich Essen von deinem Teller klauen lassen, auch wenn ich meinte ich habe keinen Hunger."

Das Grinsen blieb auf seinem Gesicht und ich wünschte ich könnte es dort festhalten. Denn unter dieser Dunkelheit, die ihn um schwebte, sah ich meinen besten Freund, dahinter der verlorenen Jungen und ganz tief unten schien ein neues Selbstbewusstsein zu keimen. Eine Stärke, die er zuvor immer bei anderen gesucht hatte. Ich wollte nicht glauben, dass er an die Todesser verloren war. Ich ließ mich neben ihm ins Gras fallen.

„Und? Wie war die Schule?", fragte ich ihn. Ich war mir bewusst, dass es sein könnte, dass er jetzt anfing von Voldemort zu schwärmen oder er nicht darüber reden wollte, aber ich musste es zumindest einmal probieren. Er zuckte mit den Achseln, soweit das im Liegen ging und meinte: „Ich hab mir noch nie so viele moralische Vorträge von Lily anhören müssen, wie dieses Jahr." Ich wusste nicht, was ich daraufhin sagen sollte, also schwieg ich mit ihm gemeinsam. Schließlich ergriff er erneut das Wort: „Ich habe schon vor langer Zeit entschieden, dass ich mich nie wieder schwach fühlen würde. Nun ja, jetzt habe ich einen Weg gefunden, der mir Macht verleiht und eine meiner besten Freundinnen meint ich sei vom richtigen Weg abgekommen. Wo soll ich denn noch hin? Wenn die anderen mitbekommen würden, dass ich nur noch Zeit mit dir und Lily verbringe, würden sie euch beide töten. Ich bin viel zu nützlich für sie. Ich spüre, dass sich alles geändert hat. Die ganze Welt beginnt sich zu fürchten. Und die Mehrheit weiß noch nicht einmal wovor. Ich habe auch Angst. Vermutlich bin ich schon viel zu tief drin und werde es nie schaffen da raus zu kommen. Niemand würde mir vertrauen. Ich war in Slytherin schon vergessen? Ich bin böse."

Ich war erleichtert, dass er mit mir sprach. Es tat mir so gut seine Sicht zu hören. Seine Angst erschien mir sogar logisch. So wie Lily ihn verdächtigte, war es schon wahrscheinlich, dass sie und die Rumtreiber ihm nicht vertrauen würden, wenn er jetzt sagen würde, dass er die Seite wechseln würde. Vermutlich würden die Todesser das auch gar nicht zu lassen. Ich fragte mich, ob er bereits das dunkle Mal hatte.

„Du bist nicht böse", entschied ich, denn dessen war ich mir sicher. Mehr konnte ich ihm nicht versichern. Er sprach von einer Welt, die ich nur aus Erzählungen kannte und von Gefahren, die ich definitiv nicht einschätzen konnte. „Ich weiß, dass du stärker bist, als du denkst und du mehr durchstehen könntest, als du jetzt vielleicht glaubst. Ehrlich gesagt vertraue ich Lily, was ihre moralische Einschätzung betrifft. In so etwas war sie immer schon ziemlich gut. Das heißt aber nicht, dass du deswegen ein schlechter Mensch bist."

Erneut traf mich sein schiefes Grinsen und in den dunkelbraunen Augen schlummerte ein Licht. „Lass uns aus der Sonne gehen", schlug er vor und angesichts seiner blassen Haut stimmte ich ihm zu. Als wir den Wald erreichten, begann ich in meinem dünnen Sommerkleid zu frösteln. Er bemerkte es und wollte mir seinen schwarzen Trenchcoat über die Schulter legen.

„Ich komm schon klar", wehrte ich grinsend ab und duckte mich unter ihm weg.

„Ach echt? Deine blauen Lippen sagen etwas Anderes", behauptete er und ehe ich mich versah, hatte er mich mit seinen Armen fest umschlungen und legte mir den Mantel um. Mit einem tiefen Blick in meine Augen trat er einen Schritt zurück.

„Wäre nicht nötig gewesen", brummte ich, „Aber trotzdem danke". Seine schwarzen, etwa 10cm langen Haare waren glatt nach hinten gekämmt. Durch meinen Versuch seinem Mantel zu entkommen, hatten sich ein paar Strähnen gelockert und fielen ihm jetzt locker in die Stirn. In dem schwarzen Tshirt waren anders als sonst seine Armmuskeln deutlich zu erkennen. Ich rief mir in Erinnerung, wer es war, der hier vor mir stand und den ich gerade anschmachtete und setzte mich auf einen Baumstumpf. „Ich kann nicht entscheiden, welchen Weg du gehst. Ich kann nicht sagen, womit du glücklich wirst, aber ich habe eine Bitte: vergiss mich und Lily nicht. Wir wissen, wer du bist und haben dich nicht von uns gestoßen. Du bist nicht allein."

Ich schaute zu ihm auf, da er noch immer vor meinem Baumstumpf stand. Sein Blick war auf den Boden vor ihn gerichtet. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, aber ich wusste, dass er nicht so der Fan von körperlichen Berührungen war.

„Ich verspreche es", murmelte er. Danach war kurz Stille, bis ich beschloss, dass ich auch von meiner Schule erzählen konnte. Ich regte mich über Lehrer auf, erzählte Sev welche Jungs ich hatte abblitzen lassen, und wie die ersten größeren Partys mit Alkohol so gelaufen waren. Als es schon später Nachmittag sein musste, machten wir uns auf den Rückweg zu meinem Haus. Er bestand darauf mich zu begleiten und in den gefährlichen Zeiten war es mir nur Recht einen Zauberer an meiner Seite zu haben.

„Willst du noch mit uns essen?", fragte ich ihn, als wir kurz vor meinem Haus stehen blieben. Ich schlüpfte aus dem Trenchcoat, während er noch nach einer Antwort suchte.

„Ich glaube nicht, dass deine Eltern mich noch gerne sehen wollen. Und ich bezweifle, dass sie in der jetzigen Zeit überhaupt irgendwelche Zauberer dulden, außer Lily", entgegnete er. Er warf sich schwungvoll den Trenchcoat um die Schulter und schlug dann den Kragen hoch.

„Ich fürchte du hast Recht. Pass auf dich auf Sev", gestand ich ein, unwissend, dass das für lange Zeit meine letzten Worte zu ihm sein würden.

„Ich passe auch auf dich und Lily auf. Egal wie ich mich entscheide", versicherte er mir. Ganz langsam, wie als wüsste er nicht ganz genau, warum er das tat, legte er eine seiner großen, leicht rauen Hände an meine Wange. Seine Augen hielten meine gefangen. Ich wagte es kaum zu atmen. Der Moment zog sich in die Länge und als ich blinzelte, war er verschwunden. Etwas verwirrt schüttelte ich den Kopf, bevor ich wieder ins Haus ging.  

A story of strength in the shadowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt