Kapitel 11

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*POW Noya*

~Timeskip 6 Monate~

Es ist jetzt fast ein Jahr her, dass Shimizu von uns gegangen ist. So richtig los lassen konnte ich nicht. Seit ihrem Tod geht es mir nicht sonderlich gut. Ich fühle so viel Schmerz. Alles wirkt so schrecklich, das Leben ist so schwierig. Ich will doch nur wieder glücklich sein. Aber das bin ich nicht. Das einzige, was das Leben erträglich macht, ist Asahi. Ich liebe ihn wirklich und ich kann mir nicht vorstellen, je wieder von ihm getrennt zu werden.

Suga und Daichi kamen vor einiger Zeit Händchenhaltend an und verkündeten, dass sie nun offiziell zusammen sind. Im letzten Trainingscamp haben wir dann auch erfahren, dass Suga krank ist... Das ist jetzt 2 Monate her. Das hat es angefangen, dass er nicht mehr spielen konnte. Seit dem gehört er eher zu den Managern von unserem Team, er ist immer dabei, aber kann nicht spielen.

TW!

Jetzt gerade haben wir Training. Das letzte Training vor dem großen Spiel. Da entscheidet sich, ob wir zu den nationalen Meisterschaften gehen, oder nicht. Ich fühle mich heute wieder besonders schlecht. Das Reden fällt mir schwer. Ich sage kein Wort zu den anderen. Asahi hat sofort verstanden, was los ist. Seit er rausgefunden hat, dass ich mich selbst verletzte, habe ich das Gefühl, er passt noch mehr auf mich auf, achtet noch mehr auf mich. Deswegen kann er sowas mittlerweile ganz gut einschätzen. Ich bin ihm dann dankbar, dass er mich nicht zum Reden drängt und auch den anderen sagt, sie sollen mich eher in Ruhe lassen. Heute ist es wieder so weit. Er meinte zu den anderen, dass sie mich eher in Ruhe lassen sollen und genau das haben sie auch gemacht. Dafür bin ich auch wirklich dankbar. Die anderen sind trotz allem immer für mich da, auch wenn keiner von ihnen Bescheid weiß. Nicht einmal Tanaka habe ich etwas von meinem kleinen Problem erzählt, davon weiß eben nur Asahi.

Jetzt ist es soweit. Ich stehe gerade auf dem Feld und schütze den Ball vor dem Fallen. Doch ich merke es ganz deutlich. Es geht mir so schlecht gerade. Ich halte dieses Gefühl nicht aus. Schnell, wie kann ich mich verletzten, wie kann ich mir Schmerzen hinzufügen??! Ich brauche das, JETZT SOFORT! Ich halte das nicht aus! Ich laufe los, zur Toilette, stolpere auf dem Weg leicht. Die anderen rufen mir hinterher, fragen was los ist, doch ich antworte nicht. Keine Zeit... schnell... Die Toilette... Die Klinge...

Ich habe in meiner Tasche immer eine meiner kleinen Klingen dabei, einfach für Fälle wie diesen hier. Ich drehe mich nicht um, sondern renne bloß in die Richtung der Toiletten. Dort angekommen schließe ich sofort die Tür hinter mir. Ich schließe nicht ab, wozu auch? Ich bin doch sofort fertig und wenn jemand hier her kommt, kann ich immer noch zu schließen. Dann ziehe ich sofort die Klinge aus meiner Tasche und setze sie an meiner Haut an. Ich ziehe eine Linie und zurück bleibt ein Schnitt. Er ist nicht sonderlich tief, aber es ist der erste Schnitt. Ich fange immer so an. Dieses brennen im Arm macht mich verrückt, ich brauche mehr. Schnell ziehe ich noch eine Linie, diesmal tiefer als die andere. Blut bildet sich sofort und läuft meinen Arm entlang. Das brennen wird stärker, aber so komisch das klingt, kann ich den Schmerz nicht spüren, nur das Brennen, aber es ist anders.

Ich ziehe noch ein paar mal nach, bis ich eine Stimme in der Nähe höre. "Noya, bist du hier? Was ist denn plötzlich los gewesen mit dir, ist alles okay? Bist du hier drin? Ich komme rein, ok? Hey, du kannst mit mir reden, was ist denn-" die Tür öffnet sich, noch bevor ich abschließen kann. Natürlich muss das passieren, bin ich ja auch selber Schuld. Tanaka steht direkt vor mir, sichtlich besorgt, doch ehe er seinen Satz beenden kann, fällt sein Blick auf meinen Arm und die Klinge, die gerade dabei ist, einen Schnitt zu hinterlassen. Tanaka stoppt mitten im Satz uns starrt nur dorthin. Verdammt, was jetzt?!!

Sein starres Gesicht verzieht sich langsam zu einem, was sauer, geschockt, verletzt und ängstlich zugleich aussieht. Was soll ich tun?! Er holt tief Luft und beginnt dann mit energischer Stimme, mich anzuschreien. Ich kann es ihm nicht verübeln, ich hätte vermutlich genauso reagiert. "Noya was-!!" Er wird unterbrochen von Asahi, der hinter ihm in der Tür aufgetaucht ist. Er muss gewusst haben, wo ich bin und warum. Er heißt das zwar nicht gut, weiß aber genau, dass ich es ohne das nicht aushalten kann. Das letzte mal, als ich einfach aufgehört habe, habe ich versucht, mich umzubringen. Als Asahi eine Sekunde nicht hingesehen hat, hab ich mir alle mögliche Tabletten geschnappt und geschluckt. Zum glück hat Asahi das sofort mitbekommen und mir die Tabletten weg genommen, dann sofort den Krankenwagen gerufen.

Mein Freund mir gegenüber sieht mich nur Wortlos an. Er streckt mir seine Hand entgegen und ich händige ihm die Klinge aus, die ich eben noch benutzt habe. Dann drückt er mir einen kurzen Kuss auf die Stirn, dreht sich um und geht wieder. Hinter sich zieht er Tanaka her, der noch immer aufgebracht ist. Ich schätze mal, dass die beiden nicht zurück zu den anderen sind, sondern im Clubraum um zu reden, denn ich kann sie bis hier hin schreien hören. Ich höre ihr Stimmen ganz deutlich "Warum hast du nichts gesagt?!" "Er hat sich GERITZT!" sowas kam von Tanaka. Asahi schrie jedoch andere Sachen, wie "Ich weiß es doch!" oder "Er ist süchtig, du kanns ihn keinen kalten Entzug machen lassen!". Irgendwann beruhigen sie sich, ich kann sie jetzt nicht mehr hören. Ich gehe mal davon aus, dass Asahi ihm die Lage erklärt, von meinem Problem. So wie ich Tanaka kenne, wird er sich wieder einkriegen. Er wird ein wenig Zeit für sich brauchen, meistens so um einen Tag herum. Dann kommt er auch nicht zur Schule, zum Training oder sonst irgendwas. Er wird sich komplett isolieren, auch, wenn wir morgen das Spiel haben, er wird nicht kommen. Er braucht diese Zeit einfach, wenn er morgen kommt, macht es alles schlimmer. Ihm geht es dann schlecht, er spielt schlecht, das Team verliert, alle sind niedergeschlagen, er gibt sich die Schuld. Ja, ich kenne ihn mittlerweile ganz gut, ich kenne seine Verhaltensweisen.

Fast so, als wären wir ein Paar. Das Problem ist, ich liebe Asahi und er liebt...liebte Shimizu. Wir haben sie zwar alle beide vergöttert und sowas, aber seine Gefühle waren da noch mal was ganz anderes. Er meinte alles Ernst, für mich gab es aber schon immer eigentlich nur eine Person. Aber Tanaka ist mein bester Freund, definitiv, deswegen weiß ich genau, er wird sich beruhigen. Er hat einfach diese Stärke. Mentale Stärke. Ich bräuchte gerade auch was davon, denn ich stehe noch immer genauso, wie vor einiger Zeit, in der die beiden mich hier allein gelassen haben. Ich bin einfach total überfordert mit dieser ganzen Situation, ich weiß gar nicht, was ich tun soll. Ich denke nur darüber nach, was eben passiert ist, dass ich vergesse, mich zu rühren, Ich stehe genauso hier, bewege mich nicht, man könnte denken, mein Gehirn hätte einen Kurzschluss.

Nach einer gewissen Zeit ziehe ich meinen Pulli wieder über meine Arme und gehe wieder zurück zum Rest des Teams. Dort kann ich nur Asahi entdecken, von Tanaka fehlt jede Spur. Ich gehe sofort zu Daichi und teile ihm mit, was ich vermute "Daichi, ich glaube nicht, dass Ryu morgen mit zum Spiel kommen wird..." er versteht sofort, dass ich nicht drüber reden will, deswegen fragt er nicht weiter nach. Er nickt mir nur zu und wendet sich wieder Suga zu, der auf der Bank sitzt. Man kann diesem deutlich anmerken, wie anstrengend das alles hier für ihn sein muss. Er kann nicht mehr spielen, das ist klar, aber ihm wird so langsam auch das Laufen zu anstrengend. Er läuft immer langsamer und macht viele Pausen, auch auf dem Weg nach hause. Daichi hat ihm oft angeboten, ihn zu fahren, aber Suga will laufen. Ich kann das gut verstehen, ich würde das genauso sehen. Solange er noch laufen kann, will er auch noch laufen. Würde er jetzt schon nur noch im Auto umher gefahren werden, würde er sich wie ein kompletter Pflegefall fühlen.

Hoffnung / DaisugaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt