Kapitel 17

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* POW Noya*

TW!

Ich nehme mal wieder diese kleine Klinge in die Hand, die mir schon so oft geholfen hat. Ich sehe sie mir ganz genau an, jeden Kratzer, jede gebrauchsspur. Dann setze ich sie endlich auf meiner Haut an. So wie schon oft lasse ich sie schnell über meine Haut fahren. Das wars, der erste Schnitt ist gemacht. Auf ihn folgen noch einige andere, mal schnell, mal langsam gezogen. Die langsamen tun besonders weh, wohingegen die schnellen tiefer gehen und mehr Blut hinterlassen. Ich brauche diese Schmerzen gerade.

Ich sehe hinab zu meinem Arm. Ich Blicke auf die roten Linien, aus denen Blut läuft. Ich sehe mir das alles an, doch ich kann keine Schmerzen ausmachen. Dieses Gefühl ist weg. Es tut einfach nicht weh. Kein Schmerz, keine Befreiung. Ich ziehe noch ein paar tiefere Schnitte, ich fahre immer wieder über die gleichen, damit sie immer tiefer werden, aber der Schmerz bleibt mir noch immer fern. Das kann nicht sein, warum zur Hölle spüre ich denn nichts?! Ich muss doch was spüren, ich brauche diese Schmerzen!

Dann eben wo anders. Am Bauch. Am Bein. Nein, es bringt alles nichts, ich kann die Schmerzen nicht finden. Dann sehe ich zu meinem Handgelenk. Soll ich? Mir steigen sofort Tränen in die Augen. Gleich ist es vorbei. Aber ich muss asahi zurück lassen, das Team, meine Familie... Deswegen weine ich, nicht wegen der Erlösung. Dann setze ich die kleine Klinge endlich an. Genau auf der blauen Ader. Ich kann vor lauter Tränen schon gar nicht mehr klar sehen. Habe ich getroffen? Ich kann nur Blut aus dem eben entstandenen Schnitt fließen sehen. Das muss es sein, ich muss getroffen haben. Gleich werde ich erlöst.

Aber was, wenn ich daneben geschnitten habe? Ich muss noch einmal schneiden, um sicher zu gehen. Ich setze die Klinge also erneut an der Stelle an. Doch bevor ich diese letzte kleine Linie ziehen kann, höre ich asahis Stimme hinter mir sprechen. Im nächsten Moment nimmt er mir schon die Klinge aus der Hand und hüllt mich in eine Umarmung. Er küsst sanft meine Stirn und sieht sich dann mein Handgelenk an. Ich kann jetzt auch wieder klarer sehen und muss leider entdecken, dass ich nicht getroffen habe. Der Schnitt liegt genau daneben. Ich werde nicht sterben...

TW Ende!

Ich Weine einfach nur. Ich bin noch immer in seinen Armen und lasse meinen Tränen freien Lauf. Ich kann ihn nicht zurück lassen. Ich muss durchhalten, es wird schon wieder irgendwann alles besser werden, nicht wahr?

* POW Hinata*

Ich öffne langsam meine Augen. Zuerst muss ich ein paar Mal blinzeln, weil das Licht so hell ist. Aber als ich mich daran gewöhnt habe, kann ich die Gesichter meiner Eltern und meiner Schwester Natsu sehen. Erst im nächsten Moment fällt mir auf, wo ich mich gerade befinde. In einem KrankenhausBett. Warum bin ich hier? Was ist passiert? Ich versuche mich zu erinnern, doch ich weiß nichts mehr. Dann schießt mir eine Frage durch den Kopf. "Wo ist Kageyama?" Meine Familie weiß schon vo uns, der Rest des Teams aber nicht. Wo ist er denn, wenn ich im Krankenhaus liege, würde er mich doch besuchen kommen, oder nicht?

"Liebling, kannst du dich nicht erinnern?" fragt mich meine Mom sehr vorsichtig. Ich schütteln den Kopf und ich kann ganz klar sehen, wie ihr Tränen in die Augen schießen. Sie versucht sie zwar zu verbergen, aber ich kenne meine Mutter gut genug. Ich weiß, dass sie und Kageyama sich super verstehen und mache mir deswegen Sorgen. Die nächsten Worte, die ich höre, lassen meine Welt stehen bleiben und mein Herz stoppen.

"Ihr hattet einen Unfall... Kageyama ist gestorben..."

* POW Tsukishima*

Ich bin im Krankenhaus. Ich sitze am Bett von Yamaguchi, der noch immer nicht aufgewacht ist. Warum muss das passieren? Warum gerade ihm. Er ist so ein wundervoller Mensch. Jeden anderen hätte es treffen können. Jeden, nur nicht ihn. Aber natürlich muss es ihn treffen. Natürlich, denn das Leben ist nicht fair. Die Welt ist grausam. Ich hab keinen Bock mehr auf die ganze scheiße hier. Das einzige, was mir antrieb verleiht, ist Yamaguchi. Nur für ihn lebe ich weiter.

Ich halte seine Hand, sage ihm immer wieder, wie sehr ich ihn brauche, dass er endlich aufwachen soll, dass verdammt noch mal alles wieder gut wird. Meine Stimme wird immer schwächer und leiser. Ich habe so viel mit ihm geredet, dass ich nur noch flüstere. Ein lauterer Ton verlässt meine Lippen nicht. Aber egal wie oft ich ihm diese Worte mitteile, er wacht einfach nicht aus. Seine Augen bleiben geschlossen.

Ich brauche ihn. Ohne seine positive Art und seine Versuche, mich aufzumuntern, bin ich verloren. Ich mag die Stille, eigentlich. Aber ohne seine Stimme halte ich die Stille nicht aus. Ich brauch ihn. Warum kann ich nicht an seiner Stelle da liegen. Das schlimmste ist, dass ich nicht weiß, wie es ihm wirklich geht. Ich weiß nicht, ob er Schmerzen hat. Ich weiß nicht wo er gerade ist, in seinem Traum. Ich weiß es nicht. Und das macht mich fertig. Ich kann nichts tun. Nur hier bei ihm sein und warten bis er aufwacht.

Nach mehreren Wochen, wacht er endlich auf. Ich beginne sofort zu lächeln, aber er sieht mich nur verwirrt an. "Wer sind sie?" ist die Frage, die er stellt. Die Frage, die mein Herz brechen lässt.

* POW Daichi*

Wir haben mit Sugas Arzt gesprochen und er darf hier bleiben. Er muss nicht ins Krankenhaus. Ich kann ihn von hier aus pflegen. Und genau das tue ich auch, jeden Tag. Er kann nicht laufen. Er hat die Fähigkeit zu sprechen verloren. Erst vor ein paar Tagen, aber ich werde mich nicht an diese Stille gewöhnen können.

Er liegt da, in unserem Bett. Ich liege neben ihm und beobachte ihn beim schlafen. Ich achte auf jede Bewegung von ihm, wenn seine Augenlider zucken, wenn sich seine Brust anhebt und wieder senkt, wenn er seine Lippen verzieht. Ich beobachte all dies genau. Er schläft, aber ich kann nicht. Ich habe Angst, wenn ich die Augen schließe, dann verlässt er mich.

Nach einiger Zeit wacht er auf und sieht mich an. Ich sage ihm "Guten Morgen Liebling". Normalerweise spricht er mich so jeden Morgen an, aber da er jetzt nicht mehr sprechen kann, muss ich das übernehmen. Ich halte das nicht aus, wenn es still ist. Er lächelt mich an und ich beginne sofort, auch zu lächeln. Irgendwann spüre ich, wie seine Hand meine berührt. Nicht nur das, er hat meine Finger in seine verschränkt.

Ich setze mich sofort hin. Irgendwas ist komisch. Ist es etwa so weit? Nein, das kann nicht sein, das will ich nicht glauben. Doch ich sehe in seine Augen und sie verraten mir, dass ich mit meiner Befürchtung richtig liege. Ich weiß, es ist so weit, ich weiß, was jetzt kommen wird. Aber ich will das noch nicht. Ich bekomme sofort Tränen in den Augen, halte sie aber noch zurück.

Ich sehe Suga an und kann genau erkennen, wie er seine Lippen bewegt. "Ich liebe dich!" das sind die Worte, die man ganz klar erkennen kann. Sofort erwidere ich seine Worte. "Ich liebe dich auch Koushi!" dann bewege ich meinen Kopf auf seinen zu,bis meine Lippen auf seinen liegen. Das ist der längste und emotionale Kuss, den wir jemals teilten. Unsere Hände sind noch immer ineinander verschränkt. Dann merke ich, dass sein Atem stoppt.

Ich halte den Kuss noch ein paar Sekunden, bis ich mich abwende. Ich sehe sein Gesicht genau an, während ich panisch seinen Namen sage. "Koushi?" keine Reaktion. Ich wiederhole mich, diesmal lauter "Koushi?!" aber wieder ernte ich keine Reaktion. Spätestens jetzt schreie ich seinen Namen, während die Tränen aus meinen Augen schießen. Die Tränen laufen meine Wangen herunter und Ich habe das Gefühl, keine Luft zu bekommen.

Ich weiß nicht, was mich zu dieser Handlung bringt, vielleicht habe ich doch noch ein bisschen Hoffnung. Ich führe meine andere Hand zu seinem freien Arm und fühle am Handgelenk den Puls. Ich bekomme eine eindeutige Antwort. Kein Platz mehr für Hoffnung. Er ist weg. Und mit ihm ein großer Teil in meinem Herzen.

Verdammt, warum tut das so weh

Hoffnung / DaisugaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt