I'm just the same

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"Was macht die Musik?"
Vorsichtig nippe ich an meinem Coffee-to-go und schaue mich in der Gegend um. Heute ist ein ziemlich schöner Tag, die Sonne scheint und es sind viele Leute hier im Park unterwegs. So auch Osmo und ich. Nachdem ich mit meinem Dad und Mari gesprochen habe, habe ich versucht mich wieder einzukriegen, und nicht so viel an Samu und das Geschehene zu denken. Das ist mir zwar nicht so leichtgefallen, wie ich es gehofft habe, aber nach einer Weile konnte ich mich wieder ganz gut ablenken. Mein Dad hat mich in die Gartenarbeit eingespannt, was ich wirklich liebend gern gemacht habe. Alles, was mich ablenkt, ist mir willkommen gewesen. Am vorherigen Tag hat sich Osmo schließlich gemeldet, da wir ja noch nicht viel geredet haben, seit ich hier angekommen bin, und so haben wir uns für heute verabredet. Da wir beide frische Luft brauchen, haben wir uns einen Kaffee geholt und schlendern jetzt einfach durch Helsinki, was mir mal wirklich guttut. Ein bisschen habe ich diese Stadt und ihre Ecken ja schon vermisst, denn es ist wirklich wunderschön hier. Osmo hat mir schließlich erzählt, was bei ihm in den letzten Jahren so passiert ist, und er tut mir schon ein bisschen leid, denn er ist zwischenzeitlich an einige Personen geraten, die ihm nicht gutgetan haben, und in ein Loch gestoßen haben. Natürlich wusste ich das schon vorher, aber die Details zu hören ist dann doch nochmal was anderes und ich wünschte, ich hätte ihm in mancher Situation beistehen können.
Von meinem kleinen Ausrutscher und meinen verwirrten Gefühlen habe ich ihm bisher nichts gesagt. Ich wollte einfach mal wieder wissen, wie es bei ihm läuft, und ihn nicht direkt mit meinen armseligen Problemen nerven, weswegen ich auch schon den ganzen Tag versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Bisher scheint es gut zu klappen, denn sonst hätte er mich schon viel eher darauf angesprochen.
"Die Band oder meine eigene?", schmunzelt Osmo jetzt und wir setzen uns schließlich auf eine freie Bank, die ein bisschen abseits vom Geschehen ist.
"Beides", sage ich und sehe ihn interessiert an. Osmo ist schon immer ein musikalisches Ausnahmetalent gewesen, in meinen Augen, und ich habe ihn immer bewundert. Neben der Band hat er auch seine eigene Musik hochgezogen und spielt immer wieder kleine Konzerte in Finnland.
"Mit meiner Musik läuft's gut. Ich habe eigentlich jede Woche ein paar Auftritte, und mache so mein Ding. Mit der Band, naja...", sagte er schließlich und zuckte mit den Schultern, was mich stutzig machte. Ich hatte bisher eigentlich nicht das Gefühl, dass es in der Band irgendwie nicht läuft. Andererseits habe ich seit hier bin kaum mit ihnen gesprochen, und weiß nicht, was da wirklich los ist.
"Was ist mit der Band?", hake ich schließlich nach.
Osmo sieht mich an und überlegt einen Moment lang.
"Eigentlich ist alles in Ordnung. Nur die Stimmung zwischen uns ist irgendwie...schwierig. Wir distanzieren uns irgendwie alle ein bisschen voneinander. Klar, wir verstehen uns gut, wenn wir zusammen sind, aber es ist trotzdem, als würde irgendwas zwischen uns stehen. Ich kann es nicht so gut erklären."
"Du scheinst aber nicht so glücklich darüber zu sein, also versuche es doch mal", sage ich leise, weil ich sehe, dass er plötzlich wieder sehr nachdenklich wird, wie schon vorhin, als wir über seine Ex gesprochen haben, und das passiert immer, wenn er bedrückt ist.
"Naja, wir machen einfach alle unser eigenes Ding. Sami hat seine eigene Band, Riku und ich machen unsere eigene Musik, Raul hält sich ohnehin mehr im Hintergrund und Samu...keine Ahnung, was der macht."
Als sein Name fällt, muss ich kurz schlucken, denn eigentlich hatte ich das Ganze in den letzten Stunden mehr oder weniger gut verdrängen können. Aber es ist ja klar, dass wir doch wieder über ihn sprechen, wenn wir auch über die Band sprechen. Er ist immerhin der Leader dieser Band, und wird ganz bestimmt auch seinen Teil zu der schlechten Stimmung beitragen. So wie ich Samu und seine manchmal merkwürdigen Eigenarten kenne.
"Er lebt so in den Tag hinein. Man sieht ihn dauernd im Fernsehen, ansonsten macht er sich ziemlich rar."
"Aber ihr seht euch doch zwischendurch oder redet ihr sonst nicht miteinander?"
"Nicht so viel, wie du vielleicht denkst."
"Hmm", mache ich nur und schaue in die Ferne, wo gerade ein paar Kinder spielen und mich ungewollt zum Lächeln bringen. Es ist einfach gut, mal wieder hier zu sitzen und mich mit meinem besten Freund zu unterhalten. Auch, wenn das Gespräch gerade in eine negative Richtung läuft, aber wenn es Osmo bedrückt, sollte er darüber reden.
"Wir sehen uns manchmal wegen deinem Bruder. Aber sonst haben wir nicht viel miteinander zu tun. Unsere Tour war richtig super, und seitdem hat niemand mehr darüber nachgedacht, wie es eigentlich weitergeht, was passiert. Keine Ahnung, ob Samu Songs schreibt oder einfach sein Leben lebt. Ich denke aber eher nicht, denn sonst kam er immer wie ein aufgescheuchtes Reh zu einem von uns und hat uns alles vorgespielt. Das ist die letzten Monate nicht passiert, also. Ich habe das Gefühl, dass er sich zurückzieht."
"Aber ihr seid doch eigentlich Freunde. Vielleicht gehst du mal zu ihm und redest mit ihm?", schlage ich vor und weiß aber ehrlich gesagt selbst nicht, ob das so eine gute Idee ist.
"Aber er ist es ja, der sich zurückzieht. Müsste er dann nicht eigentlich auch derjenige sein, der reden will?"
Wieder schweige ich einen Moment und denke nach. Vielleicht geht es ihm nicht so gut und er will niemanden belasten. Das ist etwas, was Samu sehr gut kann. Wenn es ihm schlecht ging in der Vergangenheit, hat er sich einfach verkrochen und mit niemandem darüber gesprochen. Wenn es einem dann aufgefallen ist, musste man ihm alles aus der Nase ziehen. Mal davon abgesehen, dass es auch immer eine Weile gedauert hat, bis er überhaupt angefangen hat, darüber zu reden. Wahrscheinlich hat sich an all dem rein gar nichts geändert, und er braucht einfach einen kleinen Anstoß.
"Naja, wir reden hier über Samu. Ihr seid vielleicht gerade etwas auf Distanz, aber du kennst ihn. Wenn er irgendein Problem hat, frisst er es in sich hinein. Er würde niemals von selbst zu dir kommen und dich um Hilfe bitten oder dir von irgendwas erzählen, was ihn bedrückt. Du musst es schon aus ihm herausquetschen."
Während ich rede, wird mir klar, dass ich nicht nur Samu beschreibe, sondern auch mich selbst. Ich bin ganz genauso, und plötzlich kann ich mir auch vorstellen, dass es extrem nervig für meinen Dad und auch andere sein muss, denn es ist wirklich nicht schön, wenn man sieht, dass es jemandem schlecht geht, aber man ihm nicht helfen kann, weil er nicht redet. Vielleicht sollte ich das nächste Mal daran denken, bevor ich mich wieder für ein paar Tage in mein Zimmer sperre.
"Wahrscheinlich liegt es daran, dass er dich und andere nicht belasten will mit seinen Problemen, weil er weiß, dass jeder einzelne seine eigenen Lasten zu tragen hat. Also musst du ihm irgendwie das Gefühl geben, dass er sich dir öffnen kann und du ihm zuhörst. Ohne ihn zu verurteilen. Ich glaube das ist auch ein Problem, weil er nicht möchte, dass seine Freunde ihn verurteilen, aber es doch viel zu oft passiert."
"Ich habe ihn noch nie verurteilt", sagt Osmo und sieht mich an. "Ich habe oft versucht, seine Seite der Dinge irgendwie zu verstehen. Wenn wir innerhalb der Band diskutieren, war ich immer derjenige, der versucht hat, alle Seiten zu verstehen, ohne die Person zu verurteilen."
"Ich weiß. Und deswegen hat er Angst davor, dass du es doch irgendwann mal tust, denn einmal ist immer das erste Mal", erwidere ich leise. "Und die anderen haben es ja auch getan. Früher oder später."
"Also soll ich zu ihm gehen und es rauskitzeln?", fragt Osmo nochmal nach und sieht mich kritisch an, doch ich nicke.
"Versuch's wenigstens mal. Vielleicht bedrückt ihn irgendwas."
"Aber er hat doch seine Freundin. Wahrscheinlich hat er momentan einfach keine Lust auf seine Freunde."
Jetzt ist der Moment gekommen, wo mir endgültig das Herz in die Rose rutscht. Eine Freundin? Wirklich?
"E-Er hat eine Freundin?", bringe ich etwas verwirrt hervor und starre Osmo mit großen Augen an. Wenn er jetzt ja sagt, werde ich emotional wieder an den Punkt vor einigen Tagen zurückkatapultiert. Nicht, weil ich ihn wahrscheinlich irgendwie immer noch liebe, sondern weil mir die Sache mit dem Kuss dann noch peinlicher wäre.
"Weiß nicht genau. Er hat sie ein paar Mal mitgebracht, keine Ahnung ob sie zusammen sind oder sie nur sein Betthäschen ist. Er redet ja mit niemandem. Vielleicht weiß dein Bruder mehr."
Mir wird ganz anders. Primär, weil ich nicht verstehe, warum er dann die ganzen letzten Tage immer wieder Anspielungen gemacht hat. Und weil ich ihn geküsst habe, obwohl er anscheinend eine Freundin hat. Dass da auch ein Funke Eifersucht mitschwingt, versuche ich zu ignorieren, aber es fällt mir schwer. Ein bisschen habe ich gehofft, dass er auch immer noch etwas für mich empfindet. Keine Ahnung, warum, denn es würde sowieso nicht funktionieren, aber es ist jetzt trotzdem niederschmetternd. Er hat eine Freundin und ich habe ihn geküsst, und genau deswegen ist er wahrscheinlich so drauf und ignoriert mich komplett.
Wenigstens ergibt es jetzt einen Sinn.
"Aura?", meldet sich Osmo schließlich, nachdem ich gefühlt ein paar Minuten nichts gesagt und nur in die Ferne gestarrt habe, und ich schrecke auf.
"Was denn?", murmele ich schließlich und sehe ihn wieder an. Er hat die Augenbrauen hochgezogen und ein wissendes Grinsen auf den Lippen.
"Alles okay?"
"Klar", versuche ich überzeugend sein, aber es gelingt mir natürlich nicht wirklich. Toll.
"Bist du eifersüchtig?"
"Auf wen?"
Ich kann ja wenigstens mal versuchen so tun, als wüsste ich nicht, wovon er spricht, auch wenn das natürlich kompletter Unsinn ist.
"Auf Samus Freundin. Oder was auch immer sie ist", hilft er mir auf die Sprünge und ich schüttele energisch den Kopf.
"Auf keinen Fall."
"Ah ja."
War ja klar, dass Osmo mir nicht glaubt. Ich bin aber auch nicht besonders gut darin, meine Gefühle zu verstecken, und vor allem er erkennt sofort, wenn etwas los ist. Außerdem kann er sich wahrscheinlich eh seinen Teil denken, so wie Samu und ich uns benommen haben in den letzten Tagen. Von meiner kleinen Eskalation mit meiner Mum hat er aber nichts mehr mitbekommen.
"Ich bin nicht eifersüchtig. Es ist nur...ein bisschen kompliziert", sage ich schließlich und muss zugeben, dass ihm das jetzt wahrscheinlich nicht viel mehr Aufschluss gibt.
"Ihr wart ziemlich eng die letzten Tage oder?", fragt er nach und ich nicke wieder.
"Schon irgendwie. Ich weiß auch nicht."
"Wieso habe ich das Gefühl, dass ich jetzt dir die Würmer aus der Nase ziehen muss? Du bist ganz genauso wie er", schmunzelt Osmo jetzt und ich schaue weg. Er hat mich erwischt, ich bin wirklich genauso. Also sollte ich jetzt auf meine eigenen Ratschläge hören und ihm einfach erzählen was passiert ist. Er kennt Samu so gut wie fast kein anderer, und er wird mir bestimmt einen Rat geben können, damit ich weiß, was ich tun kann.
"Es ist einiges passiert, am Sonntag nach dem Brunch. Als du schon weg warst", fange ich an zu erzählen und schaue wieder zu den spielenden Kindern in der Ferne, während ich an meinem Kaffee nippe.
"Oh Gott, ich ahne schlimmes."
"Nein, nicht das was du jetzt denkst", schlage ich ihm den Gedanken gleich wieder aus und überlege kurz, ehe ich weitererzähle.
"Ich wollte mit meiner Mum reden. Das Ganze ist ein bisschen eskaliert und ich wollte da einfach weg. Also ist Samu mit mir zu sich nachhause gefahren, er hat das nämlich mitbekommen."
"Moment mal.", mischt er sich ein und ich halte einen Moment inne. Hoffentlich fragt er nicht, was mit meiner Mum war. Ich kann das nicht noch jemandem erzählen, auch wenn ich ihm mehr vertraue als den meisten anderen Menschen.
Aber natürlich wird mein Wunsch nicht erhört.
"Warum ist das eskaliert? Worüber wolltest du mit ihr reden?"
Klar will er das wissen. Darauf baut ja auch immerhin die Geschichte auf.
"Naja, du weißt doch wie sie ist. Wir haben ja schon seit Jahren kein gutes Verhältnis mehr zueinander. Ich wollte mich einfach mit ihr aussprechen, also zumindest ein bisschen, aber daraus wurde mal wieder Streit. Aber das ist gar nicht der Punkt", kläre ich ihn schnell auf und seufze dann.
"Er ist mir dann nachgegangen und mit mir zu sich gefahren. Ich habe ihn vollgeheult, wir haben geredet. Stundenlang."
"Worüber?", unterbricht er mich wieder und ich seufze.
"Keine Ahnung, meine Mum halt. Und über irgendwelche belanglosen Dinge", antworte ich und bekomme nur ein Nicken als Antwort.
"Dann bin ich eingeschlafen und er hat mich ins Bett getragen. Keine Ahnung was dann passiert ist, aber am nächsten Morgen lag er auch da. Neben mir. Angezogen, also bild' dir nichts darauf ein", fahre ich fort und grinse ein bisschen, weil sein Gesicht sich schon erhellt hat, während ich erzählt habe, doch ich ihm sofort wieder alle Hoffnung genommen habe.
"Und dann am nächsten Morgen wollte er mich nachhause bringen und..."
Jetzt stocke ich doch, während Osmo mich schon erwartungsvoll anschaut.
"Was denn?"
Wieder nippe ich an meinem Kaffee und starre in den Himmel. Jetzt kann ich es eh nicht mehr rückgängig machen, also muss ich es ihm auch sagen.
"Wir haben uns geküsst. Naja, ich ihn. Irgendwie", presse ich schließlich nervös hervor und sehe schließlich wieder zu Osmo, der mich mit großen Augen anschaut.
"Ernsthaft?"
"Ja, sonst würde ich das ja nicht sagen", murmele ich beschämt.
"Wow okay und wie wars?", fragt er und wackelt mit den Augenbrauen. Er kann auch nie irgendwas ernst nehmen.
"Osmo. Wen juckts wie es war. Fakt ist, dass er anscheinend eine Freundin hat, und ich mache sowas."
"Naja, aber hat er dich abgewiesen? Oder fand er es auch gut? Immerhin ist das dann sein Problem, du wusstest ja nicht, dass er mit jemandem was am Laufen hat."
Auch wieder wahr. Die Tatsache, dass er mein Ex ist und man nichts mit seinem Ex anfangen sollte, scheint Osmo gar nicht zu interessieren, wobei es mich umso mehr stört.
"Ich weiß nicht", sage ich ehrlich und zucke mit den Schultern. "Abgewiesen hat er mich nicht. Aber er wurde dann angerufen, und danach hat er nicht mehr mit mir geredet. Er hat mich nicht mal angeschaut. Und seitdem habe ich auch nichts mehr von ihm gehört. Keine Ahnung."
Osmo nickt und scheint eine Weile nachzudenken.
Und ich fühle mich – mal wieder – ein bisschen leichter. Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass ich mich besser fühle, nachdem ich jemandem meine Probleme geschildert habe, und langsam sollte ich vielleicht einsehen, dass das wirklich helfen kann und ich einfach öfter mal über meinen Schatten springen könnte. Vor allem, weil Osmo mich wirklich besser kennt als ich mich selbst. Das gleiche gilt auch für meinen Dad, aber mit ihm kann ich über sowas nicht so einfach reden. Und Alex ist sowieso sauer auf mich, er hat keine einzige meiner Nachrichten beantwortet in den letzten Tagen.
"Wenn er dich nicht abgewiesen hat, wird es ihm wohl gefallen haben. Ich glaube nicht, dass er dich ignoriert, weil er das nicht schön fand. Eher, weil er ein schlechtes Gewissen hat. Wegen Amelie."
"Sie heißt Amelie?"
Er nickt und ich seufze. Dass ich jetzt ihren Namen weiß, ändert nichts an der ganzen Situation, nur dass ich hundertprozentig herausfinden werde, wer sie ist. Und warum tue ich das? Weil ich eifersüchtig bin. Das muss ich mir wohl langsam eingestehen.
Nach einer Weile in der wir wieder nur geschwiegen haben, räuspert er sich.
"Also läuft zwischen euch zwei wieder was?", stellt er schließlich die Frage der Fragen und ich zucke wieder nur mit den Schultern. Ich weiß ja selbst nicht mal, was das soll, und was es wird, wenn es fertig ist.
"Aber du hast wieder Gefühle für ihn, sonst hättest du ihn ja nicht geküsst. Oder immer noch?"
"Ich denke schon. Keine Ahnung. Aber das ist eh bedeutungslos, denn erstens, er hat ja anscheinend was anderes am Laufen. Zweitens würde das eh nie funktionieren, denn ich bin ja auch nicht für immer hier."
"Als ob das ein Hindernis wäre."
"Nicht?"
Osmo zuckt mit den Schultern und lächelt.
"Er war doch früher auch oft unterwegs. Habt ihr ja auch irgendwie hingekriegt."
"Versuchst du gerade, mich wieder mit meinem Ex zusammenzubringen?", frage ich und sehe ihn vorwurfsvoll grinsend an. Normale Freunde würden einen davon abhalten, aber nicht Osmo. Der unterstützt das noch, obwohl ich das nicht mal will.
Oder?
"Samu war viel entspannter, als ihr noch zusammen wart. Und ihr wart das Traumpaar schlechthin, also ja, versuche ich. Aber nur wenn du es willst", antwortet er und sieht mich ernst an. Einen Moment starre ich ihn ungläubig an, dann lache ich leise.
"Nein, will ich nicht. Er hat eine Freundin und damit ist das für mich gegessen. Ich sollte mich da eh nicht so reinsteigern", sage ich und seufze.
"Tust du aber doch."
"Osmooooo", mache ich verzweifelt und höre ihn leise lachen. Er findet das vielleicht lustig, aber ich befinde mich in einer kritischen Gefühlslage und würde da gern irgendwie rausfinden. Stattdessen rät mein bester Freund mir, wieder mit Samu zusammenzukommen, weil wir ja so ein Traumpaar sind. Wow.
"Also was soll ich jetzt machen? Und jetzt komm nicht mit 'geh zu ihm und werdet wieder ein Paar'.", sage ich schließlich, weil ich aus seinen Worten auch nicht viel schlauer geworden bin.
"Du musst auf jeden Fall mit ihm reden. Aber stress dich nicht so. Ich bin mir sicher es liegt nicht daran, dass du ihn geküsst hast und er es blöd fand."
"Sondern daran, dass er ein schlechtes Gewissen hat?"
"Denke schon. Vielleicht empfindet er auch was für dich und das ist ihm jetzt erst wieder klargeworden. Und was auch immer mit Amelie läuft, hält ihn davon ab, es zuzulassen", antwortet er und ich lege meine Stirn in Falten. Als ob er wirklich was für mich empfindet. Ich bin gerade mal ein paar Tage hier und nur, weil meine Gefühle Achterbahn fahren, heißt das ja nicht, dass seine es auch tun.
"Das ist aber eine ziemlich gewagte Theorie."
"Finde ich nicht. So wie der sich benommen hat, als er wusste, dass du kommen wirst, würde mich gar nichts wundern."
Stimmt, das hatte er ja den anderen Tag schon erwähnt.
"Also soll ich mit ihm reden und dann? Was soll ich ihm sagen?"
Ich habe wirklich keine Ahnung. Wahrscheinlich ist es nicht mal eine gute Idee, mit Samu zu reden, aber ich möchte das schon irgendwie aus dem Weg schaffen, denn ich kann ja nicht leugnen, dass es mich belastet.
"Die Wahrheit?", schlägt er vor und ich schüttele empört den Kopf.
"Ich werde ihm ganz sicher nicht sagen, dass ich noch Gefühle für ihn habe, wenn er eine Freundin hat."
"Aber du weißt ja gar nicht, ob sie seine Freundin ist. Bei Samu kann es gut sein, dass sie nur Vergnügen für ihn ist. Hat er die letzten Jahre nicht anders gemacht."
Ok, wow. Das ist etwas, was ich irgendwie jetzt nicht wissen wollte. Eigentlich könnte es mir ja egal sein, was er mit wem in den letzten Jahren getrieben hat, aber das ist es nicht.
"Eben genau deshalb werde ich nicht zu ihm gehen und sagen: He Samu, zufälligerweise bin ich immer noch in dich verliebt und deswegen hab' ich dich geküsst. Wenn du das genauso siehst, kannst du dich von deiner Freundin trennen und zu mir kommen, du weißt ja wo du mich findest."
Osmo lacht plötzlich laut auf und ich sehe ihn verständnislos an. Warum lacht er denn immer? Er soll doch helfen und mich nicht auslachen.
"Osmo, komm schon. Ich meine das ernst."
"Eigentlich könntest du das genauso sagen. Vielleicht ein bisschen hübscher verpackt."
"Hübscher?"
"Naja, eleganter. Dass es nicht so bescheuert klingt."
"Du bist echt keine Hilfe, Schatz", grinse ich und tätschele seinen Arm, worauf er nur seufzt. Ja, wahrscheinlich bin ich wirklich anstrengend gerade, aber ich weiß eben wirklich nicht, was ich tun oder sagen soll.
"Okay, schließ die Augen.", befiehlt er mir und ich ziehe kurz eine Augenbraue hoch, ehe ich seinem Befehl nachkomme und meine Augen schließe.
"Stell dir vor ich bin Samu. Was würdest du mir sagen wollen?"
Ich halte meine Augen geschlossen und atme tief durch, bevor ich meine Gedanken sortiere, die wirklich ziemlich durcheinander sind momentan. Was möchte ich ihm sagen? Dass es mir leidtut und dass ich nicht in seine Beziehung oder was auch immer er hat interferieren wollte.
"Dass es mir leidtut und wir einfach nur Freunde bleiben sollten."
"Das ist alles?"
Nein, eigentlich gibt es da noch viel mehr, aber diese ganzen Dinge kann ich ihm nicht sagen. Ich werde in ein paar Wochen wieder zurück nach Oslo gehen und es wäre das Beste für alle, wenn wir einfach Freunde bleiben würden. Zumal ich immer noch davon überzeugt bin, dass Samu ganz bestimmt nicht dasselbe für mich empfindet. Unsere Zeit hat vor einigen Jahren geendet und ich denke, das muss ich einfach einsehen. Naja, bis zu meiner Anreise hierher war ich ja auch überzeugt, dass ich keine Gefühle für ihn habe. Ich habe ja nicht mal richtig an ihn gedacht, als ich ankam, auch davor nicht. Erst, als mein Dad seinen Namen genannt hat, kam er wieder zurück in meine Gedanken. Und seitdem ist er daraus auch nicht mehr verschwunden, leider. Was natürlich auch aus seinen ganzen Annäherungsversuchen resultiert. Vielleicht bilde ich mir mehr darauf ein, als es wirklich ist, aber geht ein Mann in einer vernünftigen Beziehung so mit seiner Ex um? Ich weiß es wirklich nicht. Es ist einfach alles so komisch. Und bevor ich unsere Beziehung zueinander komplett zerstöre indem ich ihm alles beichte, was mir gerade durch den Kopf geht, bitte ich ihn lieber darum, einfach mit mir befreundet zu bleiben. Wenn ich mich denn traue, überhaupt auf ihn zuzugehen.
"Ja. Ich denke schon."

Afterglow [18+]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt