Der nächste Morgen sollte ursprünglich ganz normal nach Plan verlaufen. Aufstehen um Acht, Termin im Brautmodengeschäft um elf, um Darias Kleid abzuholen, Make-Up, das Essen vorbereiten, die Location nochmal überprüfen, dann ab fünf die ersten Gäste empfangen. Doch was ist schon eine Hochzeit die total nach Plan läuft? Sowas kommt wahrscheinlich nie vor. Es gibt immer irgendwelche Komplikationen.
Die emotionale Achterbahn begann schon, als Daria morgens um sechs weinend vor meiner Tür stand und mir sagte, dass sie das Kleid, was sie heute Abend anziehen würde, nicht zubekommt. Also bin ich aufgesprungen, da ich wirklich Angst hatte, dass sie zugelegt hat und somit in keines der Kleider mehr passt, und hab versucht sie irgendwie in dieses Kleid zu kriegen. Es stellte sich heraus, dass es natürlich perfekt passte, und Daria einfach nur viel zu aufgeregt war. Hätte mich auch gewundert, denn sonderlich zugenommen hat sie nicht. Nicht, dass ich das großartig beurteilen konnte, aber auf den Fotos, die man mir immer geschickt hat, sah sie aus wie jetzt auch. Um neun Uhr standen ihre beiden besten Freundinnen vor der Tür und übernahmen, doch Daria bekam einen Nervenzusammenbruch und ich beschloss niemals in meinem Leben zu heiraten, wenn das jedes Mal so abläuft. So eine Hochzeit ist ganz schön emotionaler Stress, und die beiden haben gleich drei Tage daraus gemacht. Daria konnte zum Glück relativ schnell wieder beruhigt werden, immerhin liebt sie meinen Bruder und als ihr das wieder ins Gedächtnis gerufen wurde, war sie wieder glücklich. Also konnte ich sie guten Gewissens mit ihren Freunden zum Brautmodengeschäft schicken und einen Moment verschnaufen. Doch etwa eine halbe Stunde, nachdem sie abgehauen sind, stand plötzlich Samu vor der Tür, denn Alex, der bei ihm den Anzug abholen wollte, ist nicht bei ihm aufgetaucht und war auch nicht zu erreichen. Samu war also ebenfalls total gestresst, denn er ist der Trauzeuge, und wenn irgendwas Alex betreffend schief gehen würde, würde es bestimmt auf ihn zurückfallen. Mari und ich mussten ihn beruhigen und er ist dann kurze Zeit später wieder gegangen, um Alex zu suchen, und ich habe Dad geholfen, das Buffet aufzubauen, welches natürlich relativ klein geraten ist, da das heute Abend ja nur ein kleines Get Together ist, aber doch genug für alle. Als Daria mit ihren Freunden wiederkam, war sie total am Strahlen und ich wollte ihr nicht direkt verkünden, dass ihr zukünftiger gerade auf Abwegen ist. Samu würde ihn bestimmt noch finden.
Tja, und jetzt, einige Stunden später, sitze ich schon ziemlich geschafft draußen auf der Veranda, nachdem ich gerade noch Darias Make Up fertig gemacht habe und auch mich selbst auf Vordermann gebracht habe. Eigentlich habe ich keine besondere Rolle in diesem ganzen Event, aber da ich hier wohne und irgendwie Familie bin, helfe ich natürlich wo ich kann, und es stellt sich heraus, dass das anstrengender ist als gedacht. Die Hochzeit hat nicht mal angefangen und ich bin schon geschafft. Das nenne ich mal einen guten Start.
Es ist schon bald fünf und ich habe keine Ahnung, ob Samu Alex schon gefunden hat. Ich fange schon an mir Gedanken zu machen, bis plötzlich der Nachrichtenton meines Handys mich aus meinen Gedanken reißt.
Samu: Hab Alex gefunden, schon vor einer Weile. Sorry, hab vergessen Bescheid zu sagen. Wir sind gleich da :-)
Als ich seinen Namen und die Nachricht auf meinem Bildschirm lese, macht mein Herz einen kurzen Aussetzer, bevor es doppelt so schnell wie zuvor weiterschlägt. Er hätte auch Mari Bescheid sagen können oder sonst irgendwem, aber er hat mir geschrieben. Keine Ahnung, ob ich mir da gerade mehr drauf einbilde als es tatsächlich ist, doch plötzlich schwitzen meine Hände wie sonst was und die Schmetterlinge in meinem Bauch fangen an wie verrückt hin und her zu flattern. Wieso bringt mich so eine simple, notwendige Nachricht so sehr aus dem Konzept? Warum bringt mich alles, was er tut, so sehr aus dem Konzept? Ich kann nicht mal eine SMS empfangen, ohne Aussetzer zu haben. Das muss echt aufhören.
Als ich mich einen Moment später wieder gefangen habe, antworte ich ihm schnell und stecke mein Handy in meine Tasche um aufzustehen und zu sehen, ob schon jemand hier unten ist. Doch so weit komme ich gar nicht, denn in diesem Moment sehe ich eine blonde Person im Türrahmen stehen, die mich breit angrinst. Augenblicklich erhellt sich mein Blick.
"Osmo?", quietsche ich und ehe er überhaupt eine Antwort darauf geben kann, springe ich ihm schon in die Arme. Er ist etwas überrascht und verfehlt den Moment, in dem er mich hätte auffangen müssen, weswegen wir laut lachend auf den Steinboden krachen und nur noch mehr lachen müssen.
"Tut mir leid", lache ich und setze mich schließlich so gut wie es geht wieder hin, auf die Stufe. Dann mustere ich Osmo erstmal. Er hat einen ordentlichen Bart bekommen, was ihm aber echt gut steht, und hat ebenfalls einiges an Muskeln zugelegt. Außerdem trägt er ebenfalls ein dunkles Hemd und dunkle Schuhe. Fast so als hätte er sich mit Samu abgesprochen.
"Was ist los mit euch allen, geht ihr alle zusammen ins Fitnessstudio oder was?", murmele ich und kneife ihm andeutend in den Oberarm, muss dann aber grinsen. Erst Samu, jetzt er. Was ist das für eine geheime Mission?
"Wieso? Wer denn noch?", fragt er verwirrt.
"Samu?", helfe ich ihm auf die Sprünge und er rappelt sich endlich auf, um sich auch ordentlich hinzusetzen. Dann sieht er mich mit gerunzelter Stirn an.
"Oh, ihr habt euch also schon gesehen. Wie lief es?"
"Ist doch ganz egal jetzt, das wichtigste ist, dass du da bist." Ich versuche eventuell, ihm damit aus dem Weg zu gehen. Ich will heute wirklich nicht darüber reden, nicht mal darüber nachdenken oder sonst irgendwas. Das ist eh schon alles zu viel. Jetzt möchte ich einfach nur mit ihm über irgendwas reden, was nichts mit Samu zu tun hat. Aber er hat anscheinend andere Pläne.
"Naja, so egal ist das nicht. Samu war ganz schön aufgeregt."
Was? Wie, Samu aufgeregt? Jetzt bin ich doch hellhörig geworden.
"Schau doch nicht so", lachte Osmo, denn mein Blick scheint wohl Bände zu sprechen. Ich weiß echt nicht, was er meint.
"Wie, er war aufgeregt?"
"Na, als er erfahren hat, dass du kommst, wurde er total nervös. Er hat dauernd darüber geredet und die ganze Zeit nur nachgedacht. Er war wie in seiner eigenen, kleinen Welt. Bis vor einer Woche hatte er einen Bart, der war so lang, dass du dich in früheren Zeiten tierisch drüber aufgeregt hättest. Er war auch beim Friseur. Er hat sich echt auf Vordermann gebracht. Also ja, er war aufgeregt. Sehr."
Mir wird heiß und kalt zur gleichen Zeit und ich starre ihn einfach nur mit offenem Mund an. Als ob Samu sich so große Gedanken darum gemacht hat, wie er aussieht, nur weil ich komme. Er wollte sich bestimmt nur für die Hochzeit vorbereiten.
"Er hat sich doch nicht extra für mich hergerichtet."
"Wofür denn sonst?", fragt Osmo irritiert, als wäre es das offensichtlichste der Welt.
"Na, die Hochzeit", murmele ich und Osmo fängt an laut zu lachen. Ich bin immer noch verwirrt, warum lacht er jetzt? Ich finde das nämlich nicht so lustig. Mein Herz droht aus meiner Brust zu springen.
"Ach Schatz. Seine originalen Worte waren: Ich glaube ich sollte mich rasieren. Wenn Aurora mich so sieht, denkt sie ich bin obdachlos. Also ja, ich bin ziemlich sicher, dass er das nicht nur für die Hochzeit gemacht hat."
Jetzt bin ich sprachlos. Sprachlos, weil Osmo mir gerade verkündet hat, dass Samu anscheinend immernoch wichtig ist was ich von ihm halte. Und außerdem sprachlos, weil dieser genau jetzt mit Alex im Schlepptau im Türrahmen steht und mit hochgezogenen Augenbrauen von mir zu Osmo und wieder zu mir schaut. Dann räuspert er sich.
Osmo, der mit dem Rücken zu ihm gewandt saß, springt wie von der Tarantel gestochen auf und starrt ihn ertappt an.
"Hei Samu", versucht er ihn locker zu begrüßen und lächelt, doch dieser scheint nicht so amüsiert zu sein.
"Meidän täytyy puhua. Nyt."
Keine Ahnung, was er da gerade gesagt hat, aber er scheint – laut seiner Tonlage- ein bisschen sauer zu sein. Noch nicht richtig sauer, denn ich habe Samu schon mal wirklich sauer erlebt, und das hier ist nichts dagegen, aber trotzdem irgendwie angepisst. Kann ich ihm auch nicht verübeln. Ich denke ich würde es auch nicht so gut finden, wenn jemand sowas über mich verraten würde. Obwohl ich trotzdem froh bin, dass Osmo es mir gesagt hat. Zwar weiß ich jetzt gar nicht mehr, was ich noch denken soll, aber immerhin weiß ich, dass ich nicht die Einzige bin, die komische Gefühle hat. Und ich weiß auch, dass das echt nicht gut ist.
Osmo wirft mir einen hilfesuchenden Blick zu, doch bevor ich überhaupt irgendwas sagen oder tun kann, zieht Samu ihn schon am Arm hinter sich ins Haus und mir bleibt nichts anderes, als ihnen hinterherzustarren.
"Na das habt ihr ja gut hinbekommen. Samu ist eh schon sauer gewesen", meldet mein Bruder sich jetzt zu Wort und setzt sich neben mich auf die Stufe. Er sieht gut aus, die Haare nach hinten gegelt und gekleidet in einem dunklen Hemd und Anzughose.
"Weswegen? Wegen dir? Wo warst du überhaupt?", frage ich und schaue ihn an. Er scheint eben so aufgeregt zu sein wie Daria, die, während ich ihr Make-Up gemacht habe, kaum stillhalten konnte. Wenn es heute schon so schlimm ist, frage ich mich echt, wie es morgen wird. Immerhin ist morgen erst die richtige Zeremonie, der Zeitpunkt an dem es wirklich ernst wird. Heute Abend sollte eigentlich nur ein gemütlicher Abend werden.
"Ich brauchte einen Moment zum Durchatmen. Bin an den See gefahren."
"Du hättest ja wenigstens mal Bescheid sagen können. Kein Wunder, dass Samu sauer ist. Er ist immerhin für dich zuständig. Es hätte dir bestimmt keiner übelgenommen, wenn du mal kurz durchatmen musst, aber Bescheid sagen solltest du schon."
Ich kann das schon irgendwo gut verstehen. Sich für immer zu binden, ist ein großer Schritt, und es ist nicht so leicht da wieder raus zu kommen, aber die beiden lieben sich und das habe ich in der wenigen Zeit, die ich hier verbracht habe, deutlich gesehen. Es gibt also keinen Grund, so mega aufgeregt zu sein. Denke ich. Erinnert mich daran, wenn ich irgendwann selber mal heirate und durchdrehe, denn das werde ich dann bestimmt.
"Ich weiß. Ich habe mich auch schon hundert Mal entschuldigt. Aber du weißt ja wie er ist." Ich nicke.
"Oh ja."
Wenn man Samu sauer gemacht hat, dann spricht er erstmal nicht mit dir. Nach einer Weile, die je nach dem wie schwerwiegend dein Fehler war ein paar Minuten oder ein paar Wochen anhalten kann, fängt er an Witze darüber zu machen. Das ist der Moment, wo er dir zwar verzeiht, aber es trotzdem nicht lassen kann, dir deinen Fehler noch eine Weile unter die Nase zu reiben, damit es dir extra leidtut. Naja, und irgendwann hört er auf damit, und alles ist wieder gut. Er ist nicht wirklich nachtragend, zum Glück. Zumindest nicht auf einem längeren Zeitraum betrachtet. Doch um ganz ehrlich zu sein, bin ich froh, dass er noch nie länger als ein paar Tage sauer auf mich gewesen ist. Ich glaube das hätte ich nicht ausgehalten, denn von dem normalerweise immer strahlenden Samu mit Stille bestraft zu werden, ist echt unangenehm. Das wünsche ich echt keinem.
"Wie bin ich denn?"
Jesus Christ. Seit wann versteht Samu eigentlich norwegisch? Ein wenig erschrocken drehe ich mich wieder zur Tür und sehe in Samus grinsendes Gesicht. Osmo steht neben ihm und sieht mich verschreckt an. Was hat der Arme wohl durchgemacht in den letzten paar Minuten? Ich mag es mir gar nicht ausmalen. Bei dem Gedanken daran muss ich grinsen. Samu könnte Osmo gar nichts tun, die beiden sind ein Herz und eine Seele.
"So leise, dass man dich nie hört, wenn du auf einmal in der Tür stehst", grummelt Alex und sieht mich leicht genervt an, weswegen ich nur noch mehr grinsen muss.
Osmo lässt sich seufzend auf meiner anderen Seite auf die Treppe fallen, nur Samu bleibt mit verschränkten Armen in der Tür stehen und mustert uns. Mein Herz schlägt so unglaublich schnell, schon die ganze Zeit über, und jetzt nur noch schneller. Das kann wirklich nicht gesund sein. Er sieht auf einmal so viel erwachsener aus als noch damals, und irgendwie mysteriös, weil er bisher noch nicht so viel geredet hat wie früher. Doch genau das ist es, was mich innerlich so fertig macht. Jedes Mal, wenn sein Blick mich streift, fährt ein Blitz durch meinen Körper, und da ist absolut nichts, was ich dagegen tun könnte. Ich fühle mich ihm komplett ausgeliefert, nach gerade mal zwei Tagen hier. Und nach dem, was Osmo mir erzählt hat, ist es nur noch schlimmer. Wie soll das denn weitergehen?
"Hast du überlebt?", wispere ich leise und Osmo nickt nur mit einem gespielt verletzten Ausdruck im Gesicht.
"Aber nur ganz knapp."
Irgendwie ist es lustig, wie wir hier jetzt so zusammensitzen. In genau dieser Konstellation waren wir auch früher immer unterwegs, und das sind immer die besten Abende gewesen. Als Samu und Ich zusammengekommen sind, haben wir natürlich vermehrt Abende alleine, nur zu zweit, verbracht, aber mindestens einmal in der Woche waren wir alle zu viert unterwegs. Ich vermisse diese Zeiten wirklich. Da war noch alles so unbeschwert. Jetzt ist eine gewisse Distanz zwischen uns in der Gruppe, die vermutlich nur an meiner Anwesenheit liegt. Denn die drei sind ja nach wie vor die besten Freunde.
"Findet ihr es nicht witzig, dass wir jetzt alle hier sitzen und Alex in ein paar Stunden heiratet?", seufzt Samu und ich nicke verhalten. Ich hätte niemals gedacht, dass Alex als erster von uns allen heiraten würde. Naja, um genau zu sein, ist Osmo derjenige, der zuerst verheiratet war, aber das ist relativ schnell wieder zerbrochen. Leider. Ich mochte seine Ex wirklich gerne, doch die beiden hatten von Anfang an Differenzen, die im Endeffekt nicht zu überwinden waren. Ich muss unbedingt demnächst mit ihm in Ruhe sprechen, immerhin haben wir uns ewig nicht gesehen und ich weiß gar nicht so recht, wie es ihm eigentlich geht. Aber auf so einer Hochzeit ist einfach nicht so viel Zeit. Das muss dann eben bis nächste Woche warten.
"Wir sind echt alt geworden", murmelt Osmo und ich lache ein bisschen.
"Ihr ja. Ich bin noch jung", ziehe ich ihn auf und er schüttelt amüsiert den Kopf.
"Kaum zu glauben. Bald musst du uns füttern, weil wir so alt sind, dass wir uns nicht mehr bewegen können."
"Oh du armer. Wir wollen jetzt aber mal nicht übertreiben", necke ich ihn und merke aus dem Augenwinkel, dass Samu mich anstarrt. Ich will ihn nicht anschauen, doch ich kann nicht anders. Seine blauen Augen ziehen mich in ihren Bann, und da ist es wieder, dieser Blitz, der durch meinen Körper fährt und eine angenehme Wärme hinterlässt. Ich bin echt verloren.
Doch statt, wie ich es erwartet habe, wegzuschauen, lächelt er mich sanft an und seine Augen glänzen. Ich weiß nicht, ob es der Sonneneinfall ist, oder ob er echt eine Träne im Augenwinkel hat. Vielleicht bilde ich mir auch wieder irgendetwas ein, was gar nicht da ist, aber merkwürdig ist es auf jeden Fall.
Erst der schrille Laut der Klingel holt mich aus diesem Augenblick, und ich zucke ein wenig zusammen, ehe ich den Blick blitzschnell abwende. Während Alex schon aufgesprungen ist und an Samu vorbeihechtet, sitze ich nur da und starre auf den Holzboden der Veranda. Wie unangenehm.
Der erste Abend der Hochzeitsfeier verläuft wirklich gut, was etwas verwunderlich ist, wenn man bedenkt wie es heute Morgen gelaufen ist. Nachdem Daria und Alex eine kurze Rede gehalten haben und sich bedankt haben, dass so viele gekommen sind, eröffnen wir das Buffet und die Gespräche verteilen sich mal wieder im ganzen Garten. Die beiden huschen von Gast zu Gast, um sich wenigstens schon mal alle zu begrüßen, und auch ich versuche, ein bisschen in Gespräche zu kommen. Es sind einige alte Freunde von Alex da, die wissen wollen, wie es mir ergangen ist, und ich lerne auch ein paar Freundinnen von Daria kennen. Da morgen einige Freunde von Alex aus Norwegen anreisen werde, wird die Zeremonie komplett auf Englisch stattfinden, doch heute sind fast nur Finnen da, und es ist etwas schwierig für mich, hier in Gespräche zu kommen, weswegen ich froh bin, wenn mich die Leute von selber ansprechen und ich nicht verloren in der Ecke stehe. Ich bin außerdem wahnsinnig froh, dass meine Mutter und Brian heute noch nicht da sind, weil sie anscheinend keine Zeit haben, doch ich bin trotzdem irgendwie nervös, wenn ich an dieses Zusammentreffen morgen denke. Ich weiß wirklich nicht, was ich ihr sagen soll und wie das morgen überhaupt werden soll. Meinem Bruder zu liebe werde ich mich ihr gegenüber natürlich normal verhalten, doch was passiert, wenn ich Brian treffe, weiß ich noch nicht.
"Hei", höre ich von der Seite und drehe meinen Kopf nach links, nur um wieder in Samus blaue Augen zu schauen. Diesmal hat er extra aufgepasst, mich nicht zu erschrecken. Wie aufmerksam.
"Hei", lächele ich sanft und er hält mir ein Glas Champagner hin, was ich nur zu gern annehme.
"So nachdenklich?", fragt er schmunzelnd und schaut mich an.
"Hmmm. Ich habe gerade an meine Mutter gedacht", antworte ich ehrlich und er nickt verständnisvoll. Er weiß schon, was in mir vorgeht, obwohl er nicht mal die ganze Geschichte kennt. Das mit Brian habe ich ihm nie erzählt, auch wenn ich ein paar Mal das Bedürfnis dazu hatte, denn eigentlich habe ich ihm nie irgendwas verschwiegen. Ich schätze er war einfach viel unterwegs zu der Zeit, weswegen manche Dinge einfach auf der Strecke geblieben sind. Wichtige Dinge.
"Das wird schon. Was soll sie tun. Du wirst damit beschäftigt sein, mit mir zu tanzen. Sie kann gar nichts sagen", grinst er jetzt und ich werde ein bisschen rot. Er hat also vor mit mir tanzen? Wenigstens kann ich mich jetzt schon mal darauf einstellen. "Und wie du weißt, halte ich sehr lange durch."
Hätte ich jetzt schon einen Schluck von meinem Champagner genommen, hätte ich mich wahrscheinlich daran verschluckt, doch stattdessen schaue ich ihn nur mit großen Augen an und sage gar nichts. Ja, er lässt wirklich gerne Kommentare ab, die man durchaus auch anders sehen könnte als sie wirklich gemeint sind. Daran muss ich mich erstmal wieder gewöhnen.
"Was denn? Was denkst du denn wieder?" Natürlich hat er es nicht so gemeint, doch sein verschmitztes Grinsen verrät ihn. Ich wusste es.
"Oh gar nichts", schüttele ich den Kopf und will das Thema wechseln. "Ist deine Mum eigentlich gar nicht da?"
"Doch, aber sie kommt erst morgen, weil sie bis heute noch geschäftlich unterwegs war."
"Achso. Wie geht's ihr?"
Ich liebe Samus Mutter. Sie hat mich von Anfang an herzlich in die Familie aufgenommen, war immer nett zu mir, hat mir sogar bei vielen Problemen geholfen. Selbst als es mit Samu und mir vorbei war, war sie noch für mich da und hat immer gesagt, dass ich mich mal bei ihr melden soll. Sie war einfach immer für alle da, was schon was heißen soll, denn Samu alleine ist bestimmt schon anstrengend genug. Er ist nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt und hat schon so viel Mist in seinem Leben gebaut, doch er und seine Mutter sind schon immer ein Herz und eine Seele gewesen, egal was auch passiert ist. Und das ist auch gut so.
"Gut. Aber da kannst du sie ja morgen selber fragen. Sie freut sich bestimmt dich zu sehen", antwortet er und schaut mich kurz lächelnd an, ehe er sein Glas anhebt und mit mir anstoßen will.
"Auf Alex und Daria."
Lächelnd hebe ich mein Glas ebenfalls.
"Auf Alex und Daria."
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Afterglow [18+]
FanficAurora kommt nach vielen Jahren endlich zurück nach Helsinki. Konfrontiert von alten Beziehungen, merkt sie schnell, dass es nicht so leicht ist, die alte Liebe hinter sich zu lassen.