16. Türchen

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Kapitel 16

Raphael Ragucci

Es tat gut, wieder zurück in der Öffentlichkeit zu sein und auf etwas hinzuarbeiten.

Den Tag verbrachte ich in meinem neuen Shop, half dabei die letzen Dinge fertigzustellen, aufzuräumen und zu putzen. War mein Laden, was wäre ich für ein Penner hätte ich die Drecksarbeit nur den Anderen überlassen?

So schleppte auch ich Kisten, baute das Mobiliar mit auf und spielte nicht nur den Kommandeur mit Smartphone in der Hand.

Alles nahm nach ewig langen Baumaßnahmen endlich Form und Farbe an und ich war stolz. Stolz auf den Laden, der in meinen Augen allein vom Design her krass war. Auf das Team, auch, wenn ich merkte, dass mir ein wichtiger Teil meines Teams fehlte.

Abudi war es gewesenen , der mich überhaupt erst auf die Idee gebracht hatte, ein solches Ladenkonzept umzusetzen. Als wir zu Beginn des Jahres in Barcelona gewesen waren, hatten wir einen ähnlichen Shop zufällig entdeckt. Er gefiel uns, wir verbrachten Stunde dort und ließen uns irgendeinen Scheiß tätowieren, tranken Kaffee und hörten Musik.

"Bruder, warum haben wir sowas nicht in Wien?", hatte Abudi irgendwann gemeint und die Idee nahm Formen an.

Er war von Anfang an dabei gewesen, hatte mir bei der Umsetzung geholfen. War sogar mit mir bis sonstwo zu einem Steinbruch geflogen, um den passenden Mamor auszuwählen, der jetzt die Wände des Ladens bestückte.

Er hatte mir geholfen, Tätowierer und Barber zu finden, die ihrem Job perfekt genug beherrschten, um meinen Ansprüchen an meine Angestellten zu genügen.

Und er fehlte mir, seine Meinung fehlte mir. Ich schätze, wenn er etwas sagte, denn er redete mir nie nach dem Mund.

Ich war noch immer sauer und fühlte mich von ihm verarscht und doch war ich inzwischen bereit, einen Schritt auf ihn zuzumachen.

Bei Relia konnte ich mich noch nicht dazu überwinden, denn irgendwie machte mir das Gespräch mit ihr Angst. Selbst, wenn ich ihr verzieht - würde sie es bei mir ebenso tun?

Wenn sie es wollte, war sie knallhart, ich war mir sicher, dass sie nie wieder Kontakt zu mir gesucht hätte, hätte Mila sie nicht damals quasi dazu gezwungen indem sie mir von Relias Schwangerschaft erzählt hatte.

"Raf!" tönte es hinter mir und ich fuhr herum. "Wohin sollen die Rahmen mit den Schallplatten?"

Die riesigen Bilderrahmen mit meinen Gold und Platinauszeichnungen für meine Musik. Sie sollten in dem neuen Laden hängen.

"Da, an die Wand!", rief ich zurück und deutete an die entsprechende Stelle.

Hab ich heute doch mit Sicherheit schon fünfundzwanzig Mal erwähnt...

Manchmal war ich extrem ungeduldig, wenn es darum ging, etwas Anderen zu überlassen. Wenn sie zu oft nachfragen oder zu lange brauchten, wurde ich fuchsig. Denn dann hätte ich es selbst schneller erledigen können. Aber man konnte eben nicht alles selbst machen und gerade bei diesem Projekt musste ich mich auch mal auf andere verlassen.

Mit Abudi klappte sowas blind. Wir mussten nie viel besprechen, denn wir konnten Hand in Hand arbeiten, er dachte in vielen Dingen ähnlich wie ich. Wäre er da gewesen, hätte ich ihm die Aufsicht für einen Teil des Einrichtungsprozesses gegeben und am Ende wäre es genau so geworden, wie ich es mir vorstellte. Er kannte mich und hätte es wahrscheinlich richtig gemacht, ohne, dass ich es ihm in elenig langen Referaten ausführte.
John zum Beispiel vertraute ich ebenfalls blind. Aber bei dem hätte ich Sorge gehabt, dass er noch schnell jemanden organisiere, der ein Graffiti auf den Marmor sprayte, damit der Laden ein wenig mehr Street bekam. Was unsere Vorstellung von Stil betraf waren John und ich Welten voneinander entfernd.

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