Kapitel 12

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PoV Marry

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Ich war geschockt über die Situation, die sich vor mir bot.
Julian wie geknebelt vor meinem Bruder sitzen zu sehen, Chris dahinter, welcher mich grinsend ansah.
"Das Aufnahmeritual" Flüsterte mir Nelson in mein Ohr. Sein Atem kitzelte meine Wange, so nah war er mir. Erleichtert stieß ich die Luft aus, welche ich angehalten hatte.
Ich betrat das Hinterzimmer, gefolgt von den anderen.
Sam begann mit tiefer Stimme zu reden, wobei ich mir das Lachen nur schwer verkneifen konnte: "Julian Carl Bennet, bist du wirklich bereit, bei den Blooddrops einzutreten?" Julian verstand anscheinend sofort was los war. Man konnte ihm die Erleichterung ansehen, dennoch blieb sein Körper angespannt. "Ja, ich bin bereit dazu." "Ist dir bewusst, was das für dich bedeutet?" "Stillschweigen über jegliche Aktivitäten der Gang sowie der einzelnen Mitglieder, Loyalität und Ehrlichkeit. Sowie Mut, und wenn es sein muss, sich zu seinen Kameraden ins Hexenfeuer werfen. Immer zusammen halten."
Julian wählte seine Worte gut aus, er ließ sich dazu auch die Zeit. Während er sprach war es still. Ich war noch nie bei dem Aufnahmeritual dabei, doch anhand der Reaktion der anderen, fühlte ich mich in meiner Annahme bestätigt, Julian hatte sich nicht schlecht angestellt, denn ihren Blicken nach zu urteilen waren sie sehr zufrieden seiner Antwort. Selbst mein Bruder lächelte. 
Chris trat wieder hinter Julian und zog ihm den Sack vom Kopf. 'Das war's schon?' "Wir sind ja keine Unmenschen und verlangen irgendeine halsbrecherische Aktion von dir, wenn du bei uns einsteigen willst. Ich finde, man sollte den Leuten etwas Vertrauen entgegen bringen. Und soweit ich das mitbekommen habe, hast du dich ganz gut Verhalten." 
Ich runzelte die Stirn. Irgendwie war das doch etwas leichtsinnig, oder etwa nicht? Sie kannten Julian doch noch gar nicht so lange. Nelson, der anscheinend meinen Blick gesehen haben musste, flüsterte, wieder so nah an meinem Ohr: "Sam sagt das nur. Er darf anfangs trotzdem keine Namen von uns kennen. Also nicht unsere vollen Namen. Und natürlich stellt er ihn auf die Probe, aber das kommt noch." Ich drehte mein Gesicht zu Nelsen, etwas unbedacht da er so nah bei mir stand, und nun unsere Lippen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Ich bemerkte, dass seine Augen auf meinen Lippen ruhten. Diese Situation war mir mehr als unangenehm, weshalb ich mich wieder wegdrehte und mir an meiner Nase kratzte. Ich weiß nicht, das mache ich manchmal, wenn mir Situationen nicht so sehr in mein Konzept passen. 
Meine Aufmerksamkeit lenkte sich wieder auf meinen Bruder. Nebensächlich nahm ich wahr, wie Nelson sich ein Stück von mir entfernte. Aber auch nur so viel, dass ich seine Präsents trotzdem sehr gut spüren konnte, was mir Gänsehaut bescherte. Ob gut oder schlecht, war ich mir nicht so sicher. 
"Ich erwarte nicht viel von dir, nur eine winzige Kleinigkeit." fuhr Sam fort, woraufhin die restlichen Mitglieder ein Messer zogen. Manche aus der Hosentasche, andere aus der Bauchtasche, und bei Can wollte ich gar nicht wissen, woher er es geholt hatte. 
Julian drehte den Kopf in unsere Richtung, als er das Schnappen der sich öffnenden Taschenmesser vernahm. In seinem Gesicht erschien ein Ausdruck von Erkenntnis. "Ein Bluttropfen, hab' ich Recht?" Julians Grinsen ließ mich für einen kurzen Moment erahnen, wie er wohl als kleiner Junge ausgesehen haben muss. Wie gerne hätte ich ihn früher kennengelernt?

Ich vernahm ein entrüstetes Schnauben hinter mir. Mit fragendem Blick drehte ich mich wieder Einmal zu Nelson um. 'Was war denn jetzt schon wieder?' Doch er starrte nur grade aus. Ich runzelte die Stirn und drehte mich wieder nach vorne. Sam hatte kein Messer in der Hand, stattdessen zog er die Schublade am Schreibtisch auf und holte zirka zehn Messer raus. 

"Zu deiner Ausrüstung: Wir sind zwar eine nicht unbekannte Gang, dennoch verschwenden wir kein Geld an stärkere Waffen. Wir versuchen so wenig wie möglich anderen Schaden zuzufügen. Das gilt nun auch für dich. Dennoch braucht man etwas im Petto."
Sam breitete die Messer ordentlich nacheinander auf dem Tisch vor dem noch gefesseltem Julian aus.
"Deine erste Aufgabe hier wird sein, dir ein Messer auszusuchen. Als Geschenk unserer Seite." Während der Anführer der Gruppe sprach, umrundete er Julian und schnitt ihm die Kabelbinder an den Händen los, mit welchen sie ihn an den Stuhl gebunden hatten.
Interessiert beugte sich der Angesprochene nach vorne und rieb dabei über seine Handgelenke. Auch ich trat zwei Schritte näher, um die Auswahl besser betrachten zu können.
Es gab viele verschiedene Messer. Einhand-Messer, legale Taschenmesser, Mehrfunktionsmesser, doch  mir stach ein mattschwarzes Messer besonders ins Auge: kleinen Schrauben am Griff des Schnappmessers waren silbern und setzten somit wunderschöne Akzente an dem dunklen Messer. 
Julian nahm ein Mehrfunktionsmesser in die Hand, legte es aber schnell wieder hin, und nahm sich ein weiteres dieser Art. Gegen das erste wirkte dieses nun sehr dünn, doch Julian schien Gefallen daran gefunden zu haben. 
Er sah Sam ohne ein Wort zu sagen in die Augen. Während seiner Wahl waren alle still gewesen. Nun sah ich einige von den Anderen grinsen, als ich mich umsah. 
Julian übergab Sam das Messer. 
"Ich hoffe für dich, dass du dich an die Regeln hältst, sonst wird es ganz unschön für dich enden." Mahnte Sam nochmals ernst, bevor er sich, nachdem er sich ein ebenfalls ernstes Nicken von Julians Seite aus eingeholt hat, lächelnd das Messer zwischen Daumen und Zeigefinger in die Handfläche drückte, und die Scheide langsam einmal quer über seine Handfläche wandern ließ, wo das Blut direkt hinunter rann. Herausfordernd sah er Julian an, welcher ihm seine Hand hinstreckte. Sam wiederholte die Prozedur bei dem Neuling. 
"Steh auf." Gab Sam ihm seine zweite Anweisung als Mitglied.  Dieser tat, was mein Bruder ihm sagte.
"Willkommen bei den Blooddrops, Julian." Mein Bruder und er gaben sich die Hand, sahen sich in die Augen und beide hatten einen zufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht. 
Ich grinste vor mich hin und stimmte in das Gegröle der Jungs ein, welches sich direkt ausbreitete.
Sie applaudierten und schrien, Can zog sich sein Oberteil aus, und schwang es über seinem Kopf. Chris ging auf Julian zu, zog sich, wie Sam davor, das Messer über die Handfläche, und reichte Julian ebenfalls die Hand, zog ihn darauf hin aber noch freundschaftlich in einer Umarmung.
Die restlichen Mitglieder taten es ihm nach, und alle gingen sie an mir vorbei. Ich hielt mich etwas im Hintergrund, da ich ja offiziell kein Teil der Rasselbande war. Ich sah mich um, und sah Nelson immer noch hinter mir stehen. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. "Musst du das nicht auch machen?" fragte ich ihn. Er schnaubte und verschränkte die Arme vor seinem breiten Oberkörper. "Ich traue ihm nicht." Mit zusammen gekniffenen Augen sah er Julian an. "Kennst du ihn überhaupt?" Fragte ich leicht gereizt. Wieso muss er nur diesen Moment für Julian ruinieren, der davon zum Glück noch nichts mitbekam. Nelson fixierte mich scharf mit seinen Augen. "Du etwa?" Schoss er zurück, was mich ihm einen giftigen Blick zuwerfen ließ. Ich drehte mich demonstrativ um, und ging ebenfalls noch etwas näher an das Grüppchen ran. Ich merkte, wie Chris' Blick zwischen Nelson, Julian und mir hin und her wanderte. Er grinste. "Komm schon Nelson, nur weil er Interesse an deinem Mädchen zeigt.
Gibt dir 'nen Ruck!" Lachte Chris. Bitte was? Erstaunt drehte ich mich zu Nelson um, der mit seinem Kiefer mahlte und sich nun doch von der Wand abstieß, an welcher er gelehnt hatte. 
Ich merkte wie die Aufmerksamkeit nun auf Nelson lag. Er zog sein Messer ruck artig über die Handfläche, dass das Messer mit einem schmatzen und ein paar Blutspritzern, welche auf dem Boden landeten, schnappte. 
Steif gab er Julian, welcher ebenfalls nicht all zu erfreut über Nelson war, die Hand.
Ich meinte ein kleines Knacken zu hören.


Shit! He's fucking up!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt