Kapitel 42

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Schweißgebadet wachte ich auf. Neben mir auf dem Bett saß Papa und hielt meine Schulter. Ich atmete schwer.
„Was... wie... warum...?", fragte ich und versuchte mich zu beruhigen.
„Beruhig dich erst einmal. Du hast ganz laut geschrien.", sagte er und zog mich zu sich. Er drückte meinen Kopf auf seine Brust und ich konnte seinen Herzschlag hören. „Du zitterst ja. Ist dir kalt?"
In seinen Armen spürte ich, wie ich zitterte. Meine Kehle war wie ausgetrocknet, daher konnte ich Papa nicht antworten.
„Pscht. Alles wird gut.", sagte er ruhig. Und es half. Wenn auch nur langsam, aber es half.
Nach fünf Minuten fragte Papa noch einmal: „Kannst du mir nun sagen was los ist?"
„Ich ha-habe geträumt.", schluchzte ich.
„Kannst du mir davon erzählen? Oder möchtest du schlafen?" sanft streichelte er meinen Rücken.
„Ich bin du-durch eine dunkle Gasse ge-gelaufen. Dann wa-war da ein Bus und da waren zw-wei große Räume. Ich habe mich in den einen gesetzt und dann habe ich Sa-Samu rufen hören. Er ha-hat um Hilfe gerufen. Ich bin zu ihm gerannt und Larissa hat ihn vor meinen Augen tot getre-!", meine Stimme brach.
„Pscht! Alles gut. Keine Sorge, Samu lebt.", sagte Papa und drückte mich noch fester an sich. Ich beruhigte mich, und spürte, wie die Müdigkeit mich übermannte und ich einschlief.

Am nächsten Morgen erwachte ich neben Papa. Er war in der Nacht also nicht zurück gegangen. Ich spürte einen dicken Kloß im Hals. Wie konnte einem ein Mensch so viel Angst machen? Ich  schob langsam und vorsichtig die Decke beiseite, um meinen Vater nicht zu wecken. Dann stand ich auf und ging mit dem Handy in sein Zimmer. Dort setzte ich mich in den Sessel und öffnete WhatsApp. Dann klickte ich den Chat von Kim an.

Hi Kim, ich brauche einmal deine Hilfe. Können wir bitte kurz telefonieren?

Schrieb ich und löschte die Nachricht nach ein paar Sekunden wieder. Ich wollte eigentlich mit keinem darüber sprechen. Am besten, würde ich allen meine Problem verschweigen. Dann könnte ich auch keinen damit Nerven!
Ich schaltete mein Handy wieder ab und sah aus dem Fenster. Die Sonne strahlte und es sah nach einem wunderschönen Tag aus. Auf einmal hörte ich ein Quietschen. Offenbar war Papa aufgewacht. Ich stand auf und ging zurück in mein Zimmer.
„Guten Morgen Papa.", sagte ich und lächelte schief.
„Gestern noch ein bisschen geschlafen?", fragte er und grinste mich an. Ich grinste zurück und nickte. „Gut. Dann können wir jetzt Frühstücken gehen!", sagte er und sprang aus dem Bett.
Skeptisch sah ich ihn an. „Du willst im Pyjama Frühstücken gehen?", fragte ich und zog eine Augenbraue hoch.
„Warum nicht?", er lachte. Ich lachte ebenfalls und ließ mich aufs Bett fallen. Papa ging in sein Zimmer und ich hörte, wie er seinen Schrank öffnete.
Also doch nicht im Pyjama., dachte ich grinsend und machte mich ebenfalls fertig. Den Traum aus der Nacht, hatte ich schon fast verdrängt. 
Kurz darauf standen Papa und ich im Aufzug.
„Ich bin aufgeregt.", sagte ich und wippte wie zur Bestätigung mit dem Fuß.
„Warum?", fragte Papa erstaunt.
„Wir gehen Frühstücken, fahren gleich ins Krankenhaus und...", bei der Erwähnung des Krankenhauses wurde ich wieder traurig. Doch plötzlich ging die Türe auf und ein älteres Ehepaar kam herein.
„Guten Morgen.", sagte ich und lächelte. Papa nickte den beiden mit einem Lächeln zu. Die Dame lehnte sich an ihren Mann und sah uns aufmerksam an.
„Sagen Sie mal, kennt man Sie nicht von irgendwo her?", fragte sie irgendwann. Papa und ich grinsten uns an.
„Nun, ich bin Nico Santos. Vielleicht haben sie schon mal im Radio einen Song von mir gehört. Und das ist meine Tochter. Laila Santos.", sagte er und nahm meine Hand. Ich lächelte die beiden an und die Dame nickte nachdenklich. Dann ging der Aufzug auf und alle stiegen aus.  
Ungefähr eine halbe Stunde später saßen Papa und ich mit vollem Magen wieder in einem Taxi und fuhren zum Krankenhaus. Nervös klopfte ich mit dem Finger auf mein Knie.
„Willst du jetzt wohl mal aufhören die ganze Zeit die Melodie von ‚Die in your arms' zu klopfen? Das ist echt ein unpassender Moment!", sagte Papa und hielt meine Hand fest. Jetzt fiel es mir auch auf. Unbewusst hatte ich die Melodie von diesem Song von Papa geklopft. Ich grinste ihn verlegen an, und kratze mich am Hinterkopf. Papa schüttelte lächelnd den Kopf und sah nach draußen.
„Ähm, Entschuldigung? Können sie uns hier schon raus lassen?", bat Papa den Taxifahrer. Dieser zuckte mit den Schultern und hielt am Straßenrand. Ich stieg aus und wartete bis Papa bezahlt hatte. Er wollte bestimmt noch über etwas reden. Nur über was? Schon stand er neben mir und wir gingen los.
„Das Ding ist, Laila, Samu ist noch immer im Koma. Und es ist kein künstliches. Du weißt was das bedeutet?", er sah mich fragend an. Doch ich schüttelte nur den Kopf. Ob ich so wirklich wissen wollte, was das bedeutete, wusste ich nicht. „Nun, es könnte passieren, es ist sehr unwahrscheinlich, aber es könnte passieren... also wie gesagt nur vielleicht...das Samu..."
„Komm bitte auf den Punkt! Ich werde nervös.", sagte ich und gestikulierte wild.
„Es könnte passieren, dass Samu nie wieder aufwacht. Aber wie gesagt: es ist sehr sehr sehr unwahrscheinlich!", fügte er schnell hinzu. Ich ließ die Schultern sinken.
„Aber es ist möglich?", fragte ich leise.
„Es ist möglich. Aber es ist auch möglich, dass wir auf dem Weg zum Krankenhaus von einem Scharfschützen getroffen oder von einem Bus überfahren werden. Aber das ist ja auch eher unwahrscheinlich.", sagte er.
Ich nickte. „Du hast Recht Papa. Samu ist zäh. Er wird das schon schaffen!", sagte ich klar und deutlich. Allerdings diente es mehr dazu, mich selber zu beruhigen...

SEINE Tochter (Nico Santos)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt