„Ich hoffe, Sie essen Fleisch, Harry, und sind kein Veganer oder eine ähnliche absurde, neumodische Erscheinung." Die zynische Bemerkung meiner Mutter ließ in mir schon wieder Zorn aufbrodeln. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein. Und Harry war auch noch so überrumpelt, dass er – ein Schatz wie er nun mal war – schnell ganz verlegen den Kopf schüttelte und schüchtern verneinte. Noch dazu lobte er die Vorspeise so dermaßen, dass ich innerlich nur vor Ironie lachen konnte. Meine Mutter hatte nicht das Geringste mit diesem Essen zu tun gehabt, davon abgesehen waren Harrys kulinarische Künste einfach um Welten besser, aber er war eben zu gut für die Welt.
„Da sind wir ja alle froh, dass Harry kein Veganer ist. Aber wie war das noch gleich, Karl, bist du nicht seit deiner kleinen Rundreise Frutarier?", richtete ich eine Gegenfrage an den Ehrengast meiner Schwester. Lottie wusste nicht, ob sie empört oder belustigt dreinblicken sollte, also blieb ihr mit Schminke zugekleistertes Gesicht zu einer komischen Grimasse verzogen. Was war nur mit meiner kleinen, lieben Schwester in den letzten Wochen passiert?
„Nein", räusperte sich Karl, „Pescetarier. Ich esse Fisch, aber kein Fleisch." „Ach deshalb hat er eine Extrawurst heute bekommen? Pardon, ich meine natürlich ein Extra-Fischstäbchen. Harry hätte vermutlich einfach Pech gehabt beim heutigen Menü, habe ich Recht?" Mein Blick fiel zurück auf meine Mutter, die angespannt ihre rechte Augenbraue in die Höhe hob. „Du hast ja wohl auch nicht im Voraus angemeldet, dass du Besuch mitbringst." „Na dann kann ich ja von Glück reden, dass ihr Clarisse nicht einfach herbestellt habt. Das wäre mit Sicherheit sehr unangenehm geendet", feuerte ich zurück, ehe ich Messer und Gabel beiseitelegte. Der Appetit war mir vergangen.
Harry quälte sich tapfer noch zu Ende mit dem ersten Gang, allerdings merkte ich genau, wie schwer es ihm fiel und wie unbehaglich er sich fühlte. Das tat mir auch wirklich leid, aber noch leider war ich es, meiner Mutter immer die Oberhand zu lassen.
Unangenehme Stille machte sich an der Tafel breit. Lottie zupfte an ihren Nägeln herum, mein Vater holte einfach irgendein bescheuertes Wirtschaftsmagazin hervor und Karl versuchte irgendeine Pseudo-Konversation mit meiner Mutter zu beginnen. Oberflächlich wie sie war, stieg sie natürlich auch darauf ein.
Jedenfalls so lange, bis Harry ablehnte, dass das Dienstmädchen seinen Teller abräumte. Stattdessen stand er selbst auf und war im Inbegriff ihr zu helfen, als meine Mutter theatralisch zu lachen begann. „Oh, Harry, Sie müssen doch nicht die Tätigkeiten unserer Angestellten übernehmen. Diese Mädchen werden dafür bezahlt, unseren Dreck weg zu machen. Lehnen Sie sich zurück, trinken Sie noch einen Schluck Rotwein. So eine leckere, teure Sorte werden Sie so schnell nicht mehr kosten können, wenn ich mir Ihre Umgangsformen so vor Gesicht führe." Dazu noch ihr abwertender, musternder Blick, dem Harry ganz beschämt stumm auswich, nachdem er sich in Zeitlupe wieder niedergelassen hatte, und meine Wut war einfach nicht mehr länger zu zügeln.
Meine Mutter konnte mich fertig machen wie sie wollte, ich hatte mein ganzes Leben darin Übung genossen, ihre Beleidigungen und den Spott zu ertragen, aber Harry mit seinen engelsgleichen Motiven hatte das schlicht und einfach nicht verdient. Nicht im Geringsten. Wenn sie Krieg wollte, konnte sie ihn haben – dann sollte sie ihn aber auch direkt mit mir und nicht feige über Dritte ausführen.
Also knallte ich demonstrativ meine Serviette vom Schoß auf den Tisch und stierte sie kalt an. „Mutter, dürfte ich dich auf ein Wort nach draußen bitten?" „Aber wieso?", erwiderte sie ganz scheinheilig, „alles, was du zu sagen hast, kannst du vor deiner Familie äußern." „Karl ist nicht meine Familie und Harry auch nicht", schoss ich zurück.
Ich bemerkte, wie er neben mir zusammenzuckte, aber dafür hatte ich jetzt nicht auch noch Nerven. Das hier war nichts gegen Harry persönlich, sondern eine Sache mit meinen Eltern, die schon viel zu lange ausstand.
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Un rêve de noël (larry stylinson)
FanfictionHamington soll für Louis der Start in ein neues Leben werden. Kaffee statt Schwarztee, Haustier anstelle von ewigem Junggesellendasein, Fremde, die zur Familie werden - mehr noch als die eigene. Genau damit hat er absolut überhaupt nicht gerechnet. ...