chapitre vingt

629 126 44
                                    

Keine Ahnung, ob Haustiere die Empfindungen ihrer Herrchen beziehungsweise Frauchen beziehungsweise whatever-gender-you-feel-like-Menschlein automatisch selbst auch wahrnahmen. Aber Pottah war absolut aus dem Häuschen, als ich nach Hause zurückkehrte und das Fotoalbum weder aus den Augen noch aus dem Sinn lassen konnte.

Das fing damit an, dass die kleine Maus seit der Sekunde, in der ich es auf der Kücheninsel abgelegt hatte, total aufgekratzt um eben diese herumstromerte und solange miaute, bis ich endlich wieder aus dem Schlafzimmer kam und ihr meine Aufmerksamkeit schenkte.

An Hunger oder Durst konnte es nicht liegen – alle Näpfe waren noch prall gefüllt. „Du kannst einem manchmal so richtig auf die Nerven gehen, weißt du das?", murrte ich, als ich sie schlussendlich hochhob und sie so ausnahmsweise auf der Insel Platz nehmen durfte. Das hatten wir nämlich schnell geklärt, dass Küchenoberflächen für neugierige, oftmals durchaus sehr dreckige Katzenpfötchen tabu waren.

„Kein Wunder, dass du nur noch auf Pottah hörst und meine Draco-Obsession wieder so stark geworden ist – diese Hassliebe zwischen uns wird noch zu ernsthaften Problemen führen, wenn du mir weiterhin den letzten Nerv raubst. Kapische?" Doch ihre bernsteinfarbenen Augen stierten mich verständnislos an, gefolgt von einem kläglichen Maunzen.

"Dachte ich mir. Gut, dass wir darüber gesprochen haben." Als ich sie mir auf den Schoß hob, protestierte sie zwar erst lautstark, doch als ich ihr versöhnlich das schwarze Fell kraulte, wich ihr Gezicke einem gemütlichen Schnurren.

Okay, jetzt war ich bereit einen Blick in das Album zu werfen. In meinem Schoß befand sich zusätzliches Gewicht, was auch immer mich also erwarten würde, würde mich nun (hoffentlich) nicht mehr vom Barhocker werfen.

Gespannt schlug ich es also auf. Die ersten paar Seiten durchblätterte ich zwar konzentriert, aber auch ziemlich verwirrt, denn alles, was ich erkannte, waren Babyfotos von mir, die ich schon längst kannte. Warum also wollte meine Mutter so dringend, dass ich mir dieses Album ansehe?

Doch dann schlug ich die Stelle auf, die alles veränderte. Denn mit einem Mal machte einfach Sinn. Das Gerede meiner Mutter, vermutlich auch irgendwo ihre Reaktion am vergangenen Wochenende und noch viel mehr, warum Hamington so schnell mein neues Zuhause geworden war. Weil es nämlich eine bestimmte Person hier bereits mein gesamtes Leben gewesen ist.

Jedenfalls schien das mein gesamtes Leben gewesen zu sein. Zumindest bevor ich dazu gezwungen wurde erwachsen zu werden. Wie war mir das nicht sofort in den Sinn gekommen, als ich ihn zum ersten Mal auf Marys Weihnachtskarte zu Gesicht bekommen hatte? Spätestens die Lebkuchen hätten doch wirklich alle Alarmglocken schrillen lassen müssen.

Kein Wunder, dass ich mich in Harry Styles verliebt hatte. Er war der allererste Mensch in meinem Leben gewesen, dem ich jemals mein Herz geschenkt hatte. Seitdem hatte ich es nicht mehr zurückbekommen. Und jetzt machte endlich alles Sinn.

Ein weiteres Mal an diesem Tag beschwerte sich Pottah lautstark über meinen Umgang mit ihr. Doch es gab jetzt wirklich wichtigere Dinge zu tun, als sie weiter hinterm Ohr zu kratzen. Seine Jugendliebe ließ man schließlich nicht zweimal gehen.

•••

Ich war kurz vorm Durchdrehen. Wollte am liebsten mein Glück in die Welt hinausschreien. Vermutlich lief mein Körper gerade nur von Endorphinen angetrieben, denn meine Füße überschlugen sich fast, als ich regelrecht die engen Gassen in Richtung der Boulangerie rannte.

Mit einem Mal fühlte sich jede Minute, die wir länger voneinander getrennt waren, wie eine zu viel an. Noch immer wollte mein Kopf absolut nicht verstehen, was mein Herz längst kapiert hatte. Grundgütiger, wie konnte man denn einen Menschen vergessen, mit dem man die schönste, unbeschwerteste Zeit seines Lebens verbracht hatte? Gut, wir waren zu dem Zeitpunkt beide noch laufende halbe Meter gewesen und Harry hatte sich verändert – ich für meinen Teil hatte seitdem ja nur einige Zentimeter zugelegt und da war auch noch nicht die Rede davon, an welcher Stelle.

Jedenfalls rasten meine Gedanken, denn mir hätte es einfach klar sein sollen. Dass Mary mir deshalb so bekannt vorkam, weil sie in unserem Haus angestellt war und dass die Lebkuchen deshalb nach Geborgenheit und Heimat schmeckten, weil Harry und ich mit Mary in den Wintermonaten bestimmte hunderte dieser Teile gebacken und schnabuliert hatten.

Es war, als wäre mit dem Album eine Synapse in meinem Gehirn freigeschaltet worden, die eine Verbindung zu all den Erinnerungen mit Harry war. Das erste Bild von zwei kleinen Jungs in Latzhosen, die schelmisch in die Kamera grinsten, hatte gereicht, um alles wiederherzustellen. Das Foto, in dem der kleine Lockenkopf dem Braunhaarigen mit dem Topfschnitt einen Kuss auf die Backe drückte, hatte mein Herz zum Rasen gebracht und die erste Träne fließen lassen.

Die Frage war nur: hatte Harry all diese Momente, all unsere Erlebnisse ebenfalls verdrängt und vergessen oder wusste er die ganze Zeit über, wen er da eigentlich vor sich hatte? Ich musste es einfach herausfinden. Und selbst wenn es ihm bewusst gewesen war – drauf geschissen – ich wollte ihn um jeden Preis zurück. Wenn also heute nicht der Tag für große Emotionen und die absolute Wahrheit darüber war, was man wirklich wollte, wann denn dann?

An der Boulangerie angekommen erhielt ich jedoch meinen ersten Dämpfer. Denn obwohl noch eine halbe Stunde bis Feierabend war, war das putzige Schild an der Scheibe bereits auf closed gedreht worden. Nanu? Was war da denn los?

In der Scheibe spiegelte sich mein Ebenbild. Einen Moment lang musterte ich meine Erscheinung – die geröteten Wangen und die weißen Luftwölkchen, die meinem Mund entströmten. Unter meinem Arm klemmte noch immer sicher und fest der dicke Bildband. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein! So weit war ich heute gekommen und jetzt sollte hier einfach Endstation sein, oder was?

„Louis?"

Erleichtert drehte ich mich schwungvoll auf der Stelle um, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Doch das erstarb, als mein Blick auf den jungen Mann vor mir sah. Harry hatte sich eine Beanie über die dunklen Locken gezogen, seine Augen waren leer, als wäre alle Energie weggefegt worden. Außerdem schien er sich heute nicht einmal im Spiegel betrachtet zu haben, denn er sah schrecklich aus.

Das meinte ich noch nicht einmal böse, ganz im Gegenteil. Ich erschrak zutiefst, denn das war absolut nicht der Harry, den ich kannte. „Was ist passiert?" Schon als die Frage meinen Mund verließ, bildete sich ein fetter, unangenehmer Kloß in meinem Hals. Ich spürte ganz deutlich, dass irgendetwas absolut nicht stimme. Harry stand kurz vor einem Zusammenbruch.

„Mamie", hauchte er kraftlos, seine Augen verloren jeglichen Glanz und er sackte ein wenig zur Seite weg, sodass ich vollkommen geschockt einen Satz nach vorne tat, um ihn auf den Beinen zu halten. „Harry", hauchte ich verzweifelt, während ich ihn irgendwie mit dem Buch unter den Armen auf Augenhöhe hielt. Gott sei Dank fing er sich wieder ein wenig und fand zumindest die Energie, sich wieder selbstständig auf den Beinen zu halten. Dennoch ließ ich ihn keine Sekunde lang los.

„Sie liegt im Sterben, Louis. Die Ärzte geben ihr maximal noch eine Woche."

Keine Ahnung, wie lange wir an diesem Abend eng umschlungen vor dem Café standen. In Stille, manchmal leise weinend, manchmal wisperte ich Worte des Trosts in sein Ohr und verteilte zarte Küsschen auf seiner Wange. Hauptsache ich war an seiner Seite. Und würde sie fortan nie wieder verlassen.

oooo
Willkommen zum 20.Türchen, einen schönen vierten Advent euch allen!<3

Okay, ich hab ein bisschen Angst vor eurer Reaktion - entweder ihr hasst oder liebt mich jetzt für dieses Kapitel, hmm.

Teilt unbedingt all eure Gedanken zu dieser Entwicklung mit mir in den Kommis, i wanna know x

All my Love. Lilly x

Un rêve de noël (larry stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt