Kapitel 22

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Die nächsten Tage verlaufen nicht sehr spektakulär. Die Lehrer haben uns frei gegeben und wir können machen was wir wollen. Wahrscheinlich sind ihnen einfach die Ideen für uns ausgegangen, wo ich mich dann frage, ob sie wissen, dass wir noch ungefähr eine Woche hier sind.

Ich verbringe die Tage mit Lu, Robin, Till und Gerrit. Zum ersten Mal seit langem habe ich wieder das Gefühl, in so etwas wie einer Freundesgruppe zu sein und ich fühle mich unfassbar wohl dabei. Das merkt auch Lu, die sich immer wieder darüber freut, dass ich mehr rede, lachen und weniger in Gedanken versunken bin.

Die Gedanken kommen dann Abends, wenn ich neben Tobias im Zelt liege. Seit dem Vorfall im Waschraum haben wir nicht mehr miteinander gesprochen und ich habe auch innerlich verstanden warum er das gemacht hat. Böse bin ich ihm auch nicht mehr wirklich. Mal wieder zu naiv.
Vor den anderen tut Tobias so, als ob mit ihm und Henry, welcher aus irgendeinem Grund seine Fresse hält, alles gut wäre. Ich verstehe es nicht.

Das können die anderen aber auch über mich sagen. Sie haben gemerkt, dass Tobias und ich sympathischer miteinander umgehen und können das alle nicht nachvollziehen. Abgesehen von Robin, da sich die beiden schon relativ lange kennen und sie weiß, dass er eigentlich total nett ist, wenn er mal aufhören würde so zu tun, als wenn er der Stärkste wäre und ihm keiner was anhaben kann.

Die anderen glauben ihr das zwar, meinen aber trotzdem, dass ich vorsichtig bei ihm sein soll, besonders wegen Henry. Bei ihm konnte bis jetzt noch niemand einen Funken Symphatie feststellen. Ehrlich gesagt habe ich selbst ich schon aufgehört danach zu suchen, obwohl ich eigentlich immer versuche, was anständiges in den Menschen zu sehen.

Die freien Tage gehen dann aber auch wieder viel zu schnell vorbei. Die Lehrer, beziehungsweise meine Schwester, haben ein schönes Aquarium ein paar Kilometer von hier entfernt gefunden und das wollen wir morgen besuchen. Hat natürlich niemand wirklich Lust drauf. Wer interessiert sich schon für die ganzen Wattwürmer?

Den letzten Tag genießen wir also, indem wir bis spätabends bei Till und Gerrit im Zelt sitzen, Hugo trinken, Musik hören und Uno spielen. Warum kann es nicht immer so sein?
Als ich nämlich wieder in meinem Zelt liege, ist das schöne Gefühl wieder verflogen. Jede Nacht, in der wir beide nicht schlafen können, herrscht ein unangenehmes Schweigen, weil jeder zu stolz oder zu unsicher ist etwas zu sagen.
Bis heute.

"Aiden, können wir mal kurz reden?" Mein Herz beginnt zu rasen. Reden ist nicht gut. Ich öffne meine Augen und drehe mich zu Tobias um, der mich ein wenig beschämt ansieht. Och nee.
"Also, ich wollte mit dir nochmal über das im Waschraum reden. Wenn du möchtest, können wir auch noch über die Sache mit dem Graben reden, aber wirklich nur wenn du möchtest."

"Warum so schüchtern heute? Passt gar nicht zu dir", sage ich grinsend. Bisschen nervös, der Gute. "Und nein, ich glaube ich habe irgendwie verstanden, wieso du das mit dem Graben gemacht hast. Wir können also direkt über die Sache im Waschraum reden."

"Okay." Tobias atmet kurz durch, bevor er anfängt irgendwas vor sich hin zu nuscheln. "Ähm...hä? Ich hab dich nicht verstanden." Noch ein tiefer Atemzug seinerseits. "Also, hattest du auch das Gefühl, dass da im Waschraum etwas war? Also zwischen uns." Ich glaube das geht hier gerade in eine ganz falsche Richtung. Zeit schinden. Ganz einfach.

"Welchen Moment meinst du?" Unsere Köpfe machen wahrscheinlich gerade einen Wettkampf, wer den dunkelsten Rotton hinbekommt. "Als du da direkt vor mir standest." Ich lag also richtig.
Das ist nämlich genau der Moment, über den ich seit dem Tag jede Nacht nachdenke.

"Ich kann jetzt nicht genau sagen, ob ich dabei was gefühlt habe, aber irgendwas war da. Das muss ich schon zugeben." Tobias nickt kurz. Dann schließt er die Augen und dreht sich um.

"Ähm, was soll das denn jetzt?" "Ich möchte schlafen", verkündet er. Ach was. "Und mich hat die Frage, ob du auch was dabei gespürt hast, beschäftigt und wenn mich etwas beschäftigt, kann ich nicht schlafen. Jetzt hat sich die Frage geklärt und ich kann jetzt vielleicht endlich mal eine Nacht normal schlafen." Der will mich doch verarschen.

Er hat zwar recht und die Frage hat mich auch sehr beschäftigt, aber er kann das doch jetzt nicht so offen im Raum stehen lassen.
Denk nach, Aiden. Was kann man jetzt machen?
Genau, Gegenangriff.

"Tobias?"

"Hmm?"

"Wenn ich dich jetzt küssen würde, wie würdest du reagieren?"

"Ich würde dich auch küssen und danach hoffentlich endlich mal schlafen."

"Darf ich dich küssen?"

"Ja."

"Jetzt?"

"Nein."

"Idiot!"

"Gute Nacht, Addy."

"Gute Nacht, Tobi."

Und das war der Moment, ab dem alles in eine andere Richtung ging, als wir es eigentlich wollten.

A * N I G H T * I N * A * T E N T - BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt