6. Breakdown

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Die Gedanken verlassen mich auch den Rest des Tages nicht und als ich zurück im Zimmer bin, laufe ich ruhelos hin und her, da ich keine Aufgabe mehr habe und nicht weiß was ich mit mir anfangen soll. Ich will nicht allein mit meinem Kopf sein.
Verzweifelt entweicht mir ein kleiner Schluchzer und vor Wut über meine Schwäche schlage ich mir ins Gesicht. Was würden meine Eltern und meine Therapeutin sagen. Ich hatte versprochen mir Mühe zu geben und das alles besser wird, aber ich habe versagt. Versagt. Versagt. Versagt. Es ist doch garnichts passiert. Warum fühle ich mich nicht gut. Verdammt.
Ich verlasse das Zimmer und schlage die Tür hinter mir zu. Auf dem Weg nach Draußen begegne ich einigen anderen Schülern, aber ich weiß schon nicht mehr wer es war.
Jetzt laufe ich nicht weniger ruhelos im Park herum. Ich habe meine Jacke vergessen und die Herbstluft ist beißend kalt, aber wenigstens fühle ich etwas außer der unendlichen Leere.
Als es langsam dunkel wird gehe ich in unser Zimmer zurück. Marthe ist da und schaut mich prüfend an ,,Lilla was ist los?" ,,Es ist alles in Ordnung" antworte ich etwas zu unfreundlich und bereue es umgehend, aber ich sage nichts sondern verschwinde im Bad, um zu duschen.
Zitternd stehe ich unter dem warmen Wasserstrahl und warte, dass die Wärme auch in mir ankommt. Erfolglos. Also trockne ich mich ab und ziehe meine Schlafsachen an bevor ich zurück ins Zimmer gehe und mich mit dem Rücken zu Marthe in mein Bett lege und so tue als würde ich schlafen.

Ich warte bis ich denke, dass sie auch schläft und dann lasse ich die Tränen, die ich den ganzen Tag zurück gehalten habe über mein Gesicht strömen. Ich versuche leise zu sein und meine Atmung zu kontrollieren, aber es geht nicht. Alle negativen Gedanken der letzten Zeit sammeln sich in meinem Kopf, ich verliere die Kontrolle und mein Körper beginnt zu zittern.
Ich schluchze und versuche mir den Mund zu zu halten, aber meine Hand hält nicht still. Verzweifelt beiße ich mir auf die Lippe während heiße Tränen mein Gesicht herunter strömen und mein Kissen tränken. Ich schmecke das etwas in meinem Mund und weiß nicht, ob es das Salz meiner Tränen oder Blut von meiner aufgerissenen Lippe ist.
Plötzlich legen sich Arme von hinten um mich und ich höre leise Marthe in mein Ohr flüstern ,,shh es ist alles okay. Ich bin hier".
Ich kann nicht darüber nachdenken warum sie wach ist, mein Körper zittert zu sehr, aber Marthe bleibt ganz ruhig. Sie liegt neben mir, zieht mich an sich und hält mich fest bis mein Körper sich beruhigt hat. Ich bin total erschöpft vom weinen und liege widerspruchslos in Marthes Armen während sie immer wieder über meinen Kopf streicht, leise summt und mir sagt, dass alles gut wird. Mein Atem beruhigt sich und langsam driftet mein Körper in den Schlaf ab. Als ich einen Kuss auf meiner Stirn spüre, weiß ich nicht, ob es Traum oder Realität ist. Alles was ich weiß ist, dass mir endlich nicht mehr kalt ist.

Am nächsten Morgen wache ich davon auf, dass Marthes Atem mich kitzelt

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Am nächsten Morgen wache ich davon auf, dass Marthes Atem mich kitzelt. Ich will nicht aufwachen. Ich will für immer hier bleiben. In Marthes Armen, weit weg von allem Schlechten in der Welt. Ich versuche mich nicht zu bewegen, um sie nicht aufzuwecken, damit dieser Moment nie endet.
Sie riecht so gut. Ich kuschele mich vorsichtig etwas näher an ihren warmen Körper und schließe meine Augen wieder.

Als ich das nächste Mal aufwache ist Marthe verschwunden. Ich schaue auf die Uhr. Es ist 10! Und es ist Freitag. Ich müsste seit 2 Stunden im Unterricht sein. Wie konnte ich das vergessen. Gerade will ich aufspringen und mich hektisch fertig machen, da kommt Marthe wieder herein. Sie hat Frühstück mit und stellt es zu mir aufs Bett.
,,Ich habe mit Thea geredet. Wir müssen für heute nicht zum Unterricht und sie hat mir Reste vom Frühstück mit gegeben." sagt sie ruhig und die Anspannung fällt ein wenig von mir ab.
,,Fühlst du dich etwas besser?" fragt sie und ich nicke. Ich weiß irgendwie nicht wirklich wie ich mich jetzt ihr gegenüber verhalten soll. Sie hat letzte Nacht meine schlimmsten Seiten erlebt. Aber sie hat mich nicht verlassen, so wie alle Anderen.
Nach kurzem Zögern setzt sich Marthe auch mit auf mein Bett und ich hebe die Decke etwas an, damit sie nicht friert, da sie auch noch ihr Schlafzeug an hat.
Nachdem wir gegessen haben lehnt Marthe sich mit dem Rücken an das Kopfende meines Bettes und welcher Eingebung auch immer folgend, lehne ich mich zögerlich gegen ihre Schulter. Wieder Erwarten sagt Marthe nichts dagegen, sondern nimmt meine Hand. Einige Zeit sitzen wir so stumm nebeneinander, bis Marthe die Stille unterbricht: ,,Bitte mache solche Gefühle nie wieder mit dir selber aus Lil. Ich möchte nicht, dass du dich so fühlst und ich bin immer da, wenn du reden möchtest. Du musst jetzt nichts sagen. Ich möchte nur, dass du das weißt."
Ich bin froh, dass Marthe keine Antwort erwartet, denn es hat mir die Sprache verschlagen.
Nach einigen Minuten fange ich dann doch an zu reden und erzähle Marthe davon, wie es mir die letzten Tage ging, auch von den letzten Jahren meines Lebens und, dass ich eigentlich dachte ich wäre diese Gefühle los. Ganz anders als meine Freunde zu Hause hört sie mir nur zu und nickt. Als ich fertig bin umarmt sich mich stumm, bevor sie aufsteht und sagt, dass es jetzt Zeit sei, dass wir uns mal was ordentliches anziehen. Ich schmunzele in Anbetracht der Tatsache, dass es bereits 1 Uhr nachmittags ist und wir Beide dennoch aussahen als seien wir gerade erst aufgestanden, was in gewisser Weise ja auch der Fall ist.
Nacheinander gehen wir schnell duschen und schaffen es tatsächlich noch um 2 mit den Anderen beim Mittagessen zu sein.

Wir setzen uns zu Leander und Phyllis und da keiner von Beiden danach fragt wo wir den ganzen Tag gewesen waren, nehme ich an, dass Marthe einem der Beiden Bescheid gesagt hat.
Ich fühle mich schon viel besser als gestern, dennoch bin ich erleichtert, dass jetzt Wochenende ist und ich mich die nächste Tage nicht auch noch mit der Schule auseinander setzten muss. Ich bin kurz in Gedanken und als ich wieder zu mir komme, sind die Anderen in die Planung eines Ausflugs in die 2 Stunden entfernte Großstadt vertieft. Ich will erst sagen, dass ich nicht mit komme, aber Marthe flüstert mir zu, dass es mir helfen wird mich abzulenken und somit stimme ich zu morgen mitzukommen.

Den Rest des Tages verbringen Marthe und ich wieder in unserem Zimmer. Sie weicht nicht von der Seite, außer wenn einer von uns ins Bad muss. Es ist als habe sie Angst, dass ich wieder einen Zusammenbruch habe, wenn sie mich nur eine Sekunde aus den Augen lässt und wenn ich ganz ehrlich bin teile ich diese Angst. Deswegen bin ich auch froh, dass sie sich am Abend wie selbstverständlich wieder zu mir legt und mich in den Arm nimmt, wo ich zum ersten Mal seit Langem sorglos einschlafe.

"And some things you just can't speak about"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt