Zum Nachtisch: Eingemachtes

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Hinweis: Das ist der Nachschlag, keine »Autorentipps«, sondern nur meine ganz persönliche Geschichte, ihr müsst das also nicht lesen. Falls ihr doch wissen wollt, wie ich »innovativ« geworden bin, holt euch lieber eine Tasse Tee, es dauert ein bisschen länger, das zu erklären.

Ihr lieben Menschen, jetzt kommt das versprochene Bonus-Kapitel, weil einige von euch schon ein bisschen neugierig sind, wie ich selber zum innovativen Schreiben gekommen bin. Meine Geschichte ist, wie jede gute Geschichte, sehr persönlich und trotzdem auf ihre Art auch universell. Denn was mich antreibt und was mir passiert ist, passiert unglaublich vielen Leuten. Auf die eine oder andere Art.

Ich bin, wie wir alle, in einer genormten Welt aufgewachsen. Und ich hab, wie viele von uns, ziemlich schnell gemerkt, dass ich nicht genormt bin. Diversität kommt ja inzwischen zum Glück endlich langsam, aber gewaltig. Als ich auf die Welt rollte, war das aber noch anders. Homosexuelle wurden in meiner Kindheit noch »scherzhaft« als 175er bezeichnet, weil sie gegen den Paragraphen verstießen, der Homosexualität für strafbar erklärte. Liebe war strafbar. Ein Vierteljahrhundert vor meiner Geburt sind noch viele Menschen, die nicht der Norm entsprachen, in KZs gestorben.

Als ich dann mein Weltbild verpasst bekam, tobten die Siebziger. Ingrid Steeger machte sich einen Schlitz ins Kleid, in der Sendung »Disco« gaben sich Glamrock-Zombies in Glitzerkostümen und Plateaustiefeln die Klinke in die Hand, Filme wie »Charleys Tante« zogen genderqueere Menschen aufs Übelste ins Lächerliche und alles war sehr verwirrend. Und ich saß mit Kimba, dem weißen Löwen, auf dem Schlafanzug vor dem Fernseher und nahm all das ungefiltert auf. Eines hatte ich aber ganz schnell raus: Wer von der Norm abwich, wurde bestraft und zu einer Witzfigur erklärt.

Und eine Norm war so tief verankert, dass sie mir gar nicht als Norm auffiel. Es war die Monogamie. In den zahllosen Filmen, die ich mir als kleiner Storytelling-Junkie reinzog, war das Happy End immer dann gekommen, wenn eine Frau es endlich geschafft hatte, »weggeheiratet« zu werden. Von Sonja Ziemann bis zu Marylin Monroe, »Just Married« war das Synonym für Happy End und ich wäre im Leben nicht auf die Idee gekommen, mich zu fragen, wieso Liebe und Exklusivität untrennbar miteinander verbunden waren. Das war einfach ein Naturgesetz. In Stein gemeißelt. Wenn du heiratest, verblassen alle anderen Menschen zu eindimensionalen Pappaufstellern. Es kann nur einen geben, wie beim Highlander.

Alle Bücher, die ich lebenshungrig verschlang, handelten ebenfalls genau davon. Und ich hatte noch Glück, die Bücher, die ich auftreiben konnte, waren zumeist literarische Klassiker. Ich bin ja froh, dass Jane Eyre und Lizzy Bennet mein Literaturverständnis geprägt haben, nicht das, was heute so als Bestseller unterwegs ist. Die Botschaft war immer die gleiche: Als Frau kennst du kein höheres Ziel, als einen Mann davon zu überzeugen, dass er dich allen anderen Frauen vorzieht und dich zu einer »anständigen« Frau macht. Dadurch erhältst du deinen Wert als Frau, durch den Mann. Als Gegenprogramm gab es Anna Karenina und Madame Bovary, die aus den engen Strukturen ihrer bürgerlichen Ehe ausbrachen, ihrem Gefühl nachgaben und in Wahnsinn und Tod endeten. Das fand ich persönlich nicht so prickelnd als Lebensperspektive.

Also nahm ich meine Prägung und zog los. Meinem ersten Freund versprach ich eeeewige Liebe. Das fühlte sich in dem Moment auch echt so an. Wir wussten ja damals noch nicht, dass Hormone ein Teufelszeug sind, das temporäre Besessenheit hervorruft, die naturgemäß wieder abklingt, weil die Evolution es gar nicht für clever hielt, dass wir alle in einem manisch-verpeilten Dauerzustand durch die Welt torkeln, das ist pure Energieverschwendung. Neulich ging viral, dass australische Beutelfußmäuse bis zu 14 Stunden rauschhaften Sex haben, dann fallen sie tot um. Also, die Männchen. Bei der Spezies Mensch ist die Aufzucht der Jungen aber arbeitsintensiver und ein längerfristiges Projekt, also wäre es ja kontraproduktiv, wenn wir im Rausch der ersten Verliebtheit tot umfallen. Deswegen flaut das bei uns irgendwann wieder ab. Es dient dem Arterhalt, nicht aber der Hollywood-Romantik, auf die ich mich fest verlassen hatte.

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