Was willst du sein: Autor oder Schriftsteller?

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Du, Sookie, sach ma ...

Öh, jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wieso schreibt diese komische Frau einen »Schreibratgeber«? Was qualifiziert die eigentlich und wieso solltest du das lesen?

Erstens gibt ja schon haufenweise Schreibtipps und einige davon sind sogar richtig gut! Zweitens ... hm, wer ist die schon? Wieder so eine, die in einem Marketing-Ratgeber gelesen hat, dass sie sich als »Experte« positionieren muss? Ähhhh, nö.

Also, es gibt Maßstäbe, nach denen könnte ich als Expertin durchgehen. Meine Bücher könnt ihr überall im Handel stalken und die Rezensionen lesen. Und dann sind da noch weit über 2000 Texte, an denen ich die Rechte verkauft habe und die nicht unter meinem Namen erschienen sind. Das ist auch besser so, vertraut mir. Ich bin also »Profi«.

Ob man vom Schreiben leben kann, ist eine Frage des Lebensstandards und weil Marie Kondo im Vergleich zu mir ein konsumgeiler Messie ist, kann ich vom Schreiben leben. Das ist aber nicht das, was mich zu diesem Projekt »qualifiziert«.

Wenn ich überhaupt eine Qualifikation habe, dann die, dass ich etwas vermisse. Es gibt wie gesagt unzählige Schreibratgeber. Viele davon handeln davon, wie du innerhalb von X Tagen ein X-stelliges »passives« Einkommen generierst und wie du alles richtig machst. Richtig heißt in dem Fall: so wie alle anderen.

Diese Ratgeber versorgen dich also mit Tipps zur Imitation. Imitation kann super praktisch sein, wenn du das Rad nicht neu erfinden musst. Wenn du zum Beispiel die Codes erfahrener Programmierer »imitierst«, um eine Webseite zu programmieren, dann klappt das viel besser, als wenn du random irgendwelche Zeichen tippst, die aussehen, als könnten sie ein Code sein.

Aber wir reden hier vom kreativen Schreiben. Und ich vermisse Bücher für Autoren, die dir sagen, wie du herausfinden kannst, wer du als Autor sein willst und wie du dann die beste Version von dir selbst wirst, die du sein kannst. Und das hat nichts mit Reichweite, Verkaufszahlen oder Professionalität zu tun. Ein Profi bist du, wenn du bezahlt wirst, ein Amateur bist du, wenn du liebst, was du tust. Denn das Wort »Amateur« kommt rein etymologisch betrachtet nicht von »Stümper«, »Hobbyfuzzi« oder »Möchtegern«, sondern von Amore.

Kameraschwenk auf den Buchmarkt: »50 Shades« war glaub ich ursprünglich die Fan-Fiction von »Twilight« (oder umgekehrt) und ein paar Jahre später wurde die Fan-Fiction von »50 Shades« zum Bestseller und natürlich verfilmt. Wer mich kennt, hat jetzt vielleicht das Bedürfnis, mir anerkennend das Köpfchen zu tätscheln, weil ich es geschafft habe, dieses Beispiel zu bringen, ohne für eine ausschweifende feministische Kulturkritik, äh, abzuschweifen. Puh! Zurück zum Funkhaus. Wenn du Tipps darüber liest, wie du Verlage anschreibst, steht da immer, dass du im Anschreiben erwähnen sollst, mit welchem Bestseller dein Manuskript vergleichbar ist.

Aus Sicht der Verlage ist das auch vernünftig. Verlage sind wirtschaftlich arbeitende Unternehmen, die Löhne bezahlen müssen. Das Wort »Verleger« stammt ursprünglich von »Vorlegen«, denn der Verleger ist es, der Geld »vorlegt«, also in ein Manuskript investiert, in der Hoffnung, dass er seine Investition nicht nur zurückbekommt, sondern fett daran verdient. Dahinter steht ein Markt und der hat Gesetze, isso. Da können wir Schreiber nichts dran ändern.

Was wir aber tun können: Wir können frei wählen, wo und wie wir veröffentlichen wollen – oder ob wir überhaupt veröffentlichen wollen. Die digitale Explosion (oder Revolution – die inzwischen ja auch artig ihre Kinder frisst), hat dafür gesorgt, dass wir nicht mehr an gewinnorientierten Entscheidern vorbeimüssen.

Wir können heute wählen, ob wir »alles richtig« machen und für Reichweite (Reichweite = Markt) schreiben, oder ob wir einfach raus hauen, wozu wir Lust haben. Und genau darum geht es mir hier. Darum, das zu schreiben, wozu wir Lust haben.

Und jetzt, wo ich darüber so nachdenke, merke ich auch, dass es mir immer um genau dieses Thema geht, auch in meinen eigenen Geschichten. Es geht um Rolle und Identität. Wenn du schreibst, kannst du eine Rolle als Autor spielen. Das machen wahnsinnig viele und das ist fantastisch, mein ich ganz ehrlich. Portale wie Wattpad platzen aus allen Nähten und die größte Reichweite erzielen tatsächlich die Geschichten, die Bestseller – mehr oder weniger gut – imitieren.

Ich hab gerade mal einfach auf Wattpad den Hashtag »Werwolf« eingegeben und bekam über 35.000 Geschichten angezeigt. Aber wie viele dieser Autoren schreiben aus ihrer ureigenen Identität heraus? Wie viele davon haben sich Zeit und Muße genommen, zu beobachten, zu leben, zu spüren, zu durchdenken, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und gleichzeitig diesen analytischen Teil ihres hyperaktiven Autorengehirns Notizen machen zu lassen? Wie viele dieser Autoren haben wirklich persönliche Erfahrung mit ihrem Thema?

Versteht mich nicht falsch, ich mein die Frage gerade vollkommen ernst. Ich geh mal davon aus, dass die wenigsten Werwolf-Autoren selbst bei Vollmond Fell und Reißzähne kriegen, das Thema »Werwolf« ist aber eine »reale« Analogie. Solche literarischen Gleichnisse sind ein Stilmittel, um Gefühlszustände und Charaktereigenschaften dadurch sichtbar und für Leser nachvollziehbar zu machen, dass wir sie überzeichnen. Aus solchen Stilmitteln entwickeln sich schließlich ganze Genres.

Aber klassische Genreliteratur birgt für uns Autoren auch immer eine Stolperfalle. Wenn wir für ein klassisches Genre schreiben, wissen wir inzwischen, welche Hashtags wir verwenden müssen, um Auffindbarkeit zu erarbeiten. Obwohl laut Studien auch 86 % Prozent der Reichweite durch Social Media Marketing zustande kommen, aber das ist ein anderes Thema, also weiter.

Die Rolle eines Autoren zu spielen heißt, Erwartungen zu bedienen und dem Leser das zu geben, was er gewohnt ist. Aber erst die eigene Identität zu finden, macht uns zu Schriftstellern. Schriftsteller zu sein bedeutet, dich selbst, dein eigenes Leben, deine Erfahrungen, deine Gefühlswelt so in Literatur zu gießen, dass sie eine Allgemeingültigkeit bekommen, in der Leser sich selbst erkennen können.

Deine Identität als Werkzeug deines Schreibens zu verwenden heißt, mit deiner einzigartigen Stimme zu schreiben und deine eigenen Wahrheiten mit Lesern zu teilen. Dadurch entsteht eine lebendige und einzigartige Verbindung. Denn das ist es, was deine Identität ausmacht: Du bist als Individuum einzigartig und unverwechselbar. Wenn du als Individuum schreibst, berührst du auch das Individuum in deinen Lesern.

Wenn du »Harry Potter«« mit anderen Namen und Orten nacherzählst, spielst du eine Rolle als Autor. Wenn du unverwechselbar schreiben, mit deiner eigenen Stimme sprechen, deine Erfahrungen, deine Schwächen und Stärken mit Lesern teilen willst, dann bist du Schriftsteller. Wenn du in die Tiefe tauchen und eine Reise zu dir selbst machen willst, um das ganze Chaos in den Besenkammern deines Kopfes in verständliche Worte zu kleiden, die dann auch noch anderen Menschen auf ihrer Reise helfen können, dann bist du Schriftsteller.

Und wenn du diese unverwechselbare Identität zeigst, wächst auch deine unverwechselbare Stimme. Leser werden deine Texte selbst dann erkennen, wenn sie gar nicht wissen, dass sie von dir sind. So, wie sie einen guten Freund in einer Menschenmenge erkennen, ohne wirklich nach ihm gesucht zu haben.

Wenn du darauf sagenhaft große Lust verspürst, dann könnten wir hier zusammen richtig viel Spaß haben. Ich ticke nämlich genau so. Und ich schreibe das hier nicht als »Experte«, sondern weil es so gut tut, alles, was mir zu dem Thema im Kopf rumwabert, in Worte zu fassen. Und mit anderen Schreibern zu teilen. Ich mache das vielleicht einfach nur schon ein bisschen länger als viele Schriftsteller, die noch auf der Suche nach ihrer Stimme sind und wenn ich ein bisschen euer Selbstvertrauen füttern kann, finde ich, dass ich mir ein paar Kekse verdient habe und mich freuen kann. Einfach so.

Wir werden also nicht über Reichweite, Marketing und passives Einkommen reden, sondern über das Schreiben im stillen Kämmerlein, mit dir selbst und deiner Welt. Wir reden einfach mal total oldschool über die Art zu schreiben, die völlig aus der Mode gekommen zu sein scheint. Ohne Wattpad, Instagram, Hashtags und Follower, sondern so, wie die Menschen, die den inneren Drang haben, das Universum mit Worten zu bändigen, immer schon geschrieben haben. Wenn du daran Spaß hast, bist du hier richtig und ich freu mich riesig, wenn du mir in meine wirre Gedankenwelt über das Leben als Schriftsteller folgst.

Ich werde diesen »Ratgeber« auch mit meiner eigenen Stimme schreiben, euch mit meinem intellektuell verquasten Streberschrott auf den Sack gehen und euch zum Lachen bringen. Ich schwör mit Blut. Und das ist die einzige Qualifikation, die ich habe, um dieses Ding hier zu schreiben. Ich laber einfach wahnsinnig gern mit meiner eigenen Stimme.

Kreatives Schreiben: Finde deine eigene Stimme!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt