Selbstzweifel? Immer her damit!

28 3 0
                                    

Meine lieben Hasen, heute machen wir mal was, worauf ich mich schon lange gefreut habe. Wir baden im letzten und vielleicht auch wichtigsten Kapitel dieses »Ratgebers«. Jedenfalls im schönsten Kapitel, stellt euch also darauf ein, dass ich euch mit Selbstvertrauen und Bewunderung für eure Arbeit füttern werde. Denn die Sache ist die.

Du hast unzählige Möglichkeiten, deinen Tag mit sinnvollen und weniger sinnvollen Dingen zu füllen. Du kannst schließlich Netflix gucken oder dir süße Katzenvideos auf irgendeiner Timeline ansehen. Nicht umsonst ist der alte Klopper »Cat-Content geht ja immer!« in der Marketing-Welt ein running gag. Und wenn Algorithmen einmal verstanden haben, dass du Katzenbabys liebst, werden sie alles tun, um dir deine Lebenszeit zu rauben, so funktioniert die Welt 2020 nun mal. Aber du widersetzt dich. Du schreibst.

Und damit meine ich nicht nur, dass du über der Tastatur hockst und klapperst. Ich meine, dass du beobachtest, reflektierst, entwirfst, verwirfst, Worte suchst, Worte streichst. Du suchst nach Szenen, die deine Ideen für Leser erlebbar machen. Damit bist du Autor, Regisseur, Bühnenbildner, Rechercheabteilung, Gewandmeister, Darsteller und, tja, auch Kritiker in einem. Es gibt wohl keine kulturelle Leistung, die so komplex ist wie das Schreiben und die so viele verschiedene Fähigkeiten erfordert. Schreiben ist anstrengend. Und du machst es trotzdem. Weil du Schriftsteller bist.

Dann ist da noch diese Kehrseite mit der Einsamkeit! Wenn du beschließt, Fußballer zu werden oder eine Band zu gründen, bist du nie allein. Du hast immer Menschen, die sich darauf verlassen, dass du pünktlich zur Probe oder zum Training kommst – egal, ob du heute Lust hast oder nicht. Als Schriftsteller bist du allein. Du muss dir immer wieder selbst in den Arsch treten. Und trotzdem machst du es. Und warum machst du es? Wieso tust du dir das an? Weil du eine starke innere Stimme hast, die raus will!

Und trotzdem kennen wir alle diese fiesen, nagenden, lähmenden ...

Selbstzweifel

Wir kennen alle diese Momente, in denen wir irgendwie »mit der Gesamtsituation unzufrieden sind« und genervt von uns selbst prokrastinieren. Kann ja sein, dass die Fenster dann endlich mal frisch geputzt sind und dass wir mal mit dem Besen die Staubfäden in der oberen Ecke der Garage entfernt (und Katzenvideos geguckt) haben, aber das nagende Gefühl bleibt. Es äußert sich manchmal in einem tief geseufzten »Maaaaah, eigentlich müsste ich heute noch was schreiben ...«

Wir alle haben diesen Satz nicht nur selbst oft gedacht, sondern auch immer wieder in Autorenforen gelesen. Diese innere Bremse scheint einfach unglaublich viele schreibende Menschen zu beschäftigen. Wir würden ja gerne, aber, ach. Aus irgendwelchen Gründen tun wir es nicht. Und ich denke, der Grund dafür liegt tief in unserem Inneren und ist ein bisschen komplexer.

Lassen wir jetzt mal die anerzogene Bescheidenheit beiseite. Wenn du Schriftsteller bist, bist du einfach verdammt clever. Du bist ein Mensch, der sehr komplex und auf verschiedenen Ebenen denkt. Das hat jetzt nichts damit zu tun, was für Schulnoten du hattest oder ob du dir vielleicht selbst blöd vorkommst – oder doch, genau damit hat es auch zu tun. Schulnoten weisen nur bedingt auf Intelligenz hin, da sind wir uns alle einig. Kreative Intelligenz äußert sich oft in einem wild blubbernden, bunten Denken und Fühlen, und das kann sogar hinderlich sein, wenn es um Formeln und Vokabeln geht. Als guter Schriftsteller kennst du das Gefühl, dass »Lernstoff« für dich auf der Gefühlsebene einen Sinn ergeben muss – dann kannst du plötzlich tausende von Fakten heraussprudeln, wenn man dich um drei Uhr morgens aus dem Tiefschlaf reißt – das sitzt einfach!

Die Kehrseite dieser blubbernden komplexen Intelligenz kennst du aber mit Sicherheit auch: Je mehr Fähigkeiten du dir aneignest, umso größer wird auch deine Fähigkeit zur Selbstkritik. Ein kleines Kind, das gerade erst laufen lernt, strahlt über alle Backen, wenn es irgendwie vom Tisch zum Sofa tapsen kann, ohne auf dem Hintern zu landen. Stramme Leistung, fantastisch! Ein professioneller Tänzer, der ein Gipsbein hat und auf Krücken humpeln muss, kann dagegen vor Frustration und Verzweiflung in Tränen ausbrechen, wenn er es gerade mal vom Tisch bis zum Sofa schafft. Warum?

Kreatives Schreiben: Finde deine eigene Stimme!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt