Kapitel 16

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"Cole?!" Fassungslos starrte ich den Typen an, dessen 'wahres Ich' ich mir gerade irgendwie selber offenbart hatte.

"Alicia", seufzte dieser mit einer Mischung aus Glück und Erleichterung und zog  mich in eine innige Umarmung. Ich stieß ihn von mir weg.

"Was zum Teufel machst du hier?", schnauzte ich ihn an. Jetzt wirkte er ein wenig verunsichert. Anscheinend hatte er sich meine Reaktion ganz anders vorgestellt. "Naja, ich... schätze, ich wollte einfach mal meine Schwester wiedersehen." Er zuckte mit den Schultern und sah mich fragend an. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und blitzte ihn wütend an.

"Ach, das ist ja schön Cole, dass du nach drei Jahren endlich mal auf die Idee kommst, deine Schwester zu besuchen." Meine Stimme triefte vor Sarkasmus. So sehr ich mich auch insgeheim darüber freute ihn wiederzusehen, so wurde mir doch schmerzlich bewusst, wie tief sein Verhalten mich verletzt hatte.

Vor drei Jahren waren ihm die Launen meiner Mutter, und ja, vielleicht größtenteils auch meine Launen, so sehr auf den Geist gegangen, dass er beschlossen hatte, uns zu verlassen. Unbemerkt. Mitten in der Nacht. Was das für ein Gefühl ist, wenn der einzige Anker, der einzige Halt in deinem Leben einfach verschwindet... Unbeschreiblich.

Ich war so wütend, am liebsten hätte ich ihn über meine Schulter in den Matsch geworfen. Aber diese Zeit wollte ich hinter mir lassen. Schließlich war das auch eine der Gründe, warum Cole gegangen war. Also atmete ich einmal tief durch. Dann sah ich ihm tief in die Augen.

"Was willst du hier, Cole?" Und diesmal meinte ich es nicht böse. Vielleicht war es auch keine reine Freundlichkeit (ganz bestimmt sogar), aber ich wollte es einfach wissen. Es interessierte mich, warum er plötzlich wieder auftauchte. Ich wusste noch nicht mal, was er in den letzten drei Jahren alles so getrieben hatte.

"Um ehrlich zu sein...", begann er ein wenig holprig. Warum war er so verlegen?

"Ja?" Meine Ungeduld wuchs mit jeder Sekunde. Was hatte ihn zurück in die Stadt verschlagen? Er holte einmal tief Luft. "Um ehrlich zu sein zieh ich wieder hierher."

"Aha.", sagte ich, immernoch mit verschränkten Armen. Da war doch ganz sicher noch mehr im Busch. "Und woher der plötzliche SInneswandel?"

Cole rieb sich den Nacken. "Nun ja... Ich habe eine Freundin und will mit ihr zusammen hier in eine Wohnung ziehen."

Ich schaute ihn misstrauisch an. "Wieso war das jetzt so schwer?", fragte ich ihn verwirrt.

"Naja, also ich finde das selber total komsich, deswegen dachte ich, es würde dir genauso ergehen."

Ich zog eine Augenbraue hoch. "Wieso sollte ich das komisch finden, ich wusste schon immer, dass du ein Beziehungsmensch bist. Naja, jedenfalls dachte ich das, bis du Mama und mich allein gelassen hast." Ich verzog den Mund. Cole ebenfalls. Tja, Geschwister halt.

"Weiß Mam davon?", fragte ich abrupt.

"Nö. Und das soll auch erst einmal so bleiben."

"Okay, wenn du meinst." Ich zuckte mit den Schultern.

Ich muss dann jetzt auch langsam wieder rein, also...", sagte ich und deutete mit dem Zeigefinger auf mein wundervolles neues Zuhause.

"Ach komm, seit wann interessierst du dich denn für Regeln?",fragte er sarkastisch.

Ich hatte mich schon abgewandt, drehte mich jetzt aber abrupt wieder um. "Keine Ahnung Cole, vielleicht seit dem du einfach abgehauen und mich ganz alleine gelassen hast! Vielleicht seitdem ich mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus lag! Oder -" ich ging ganz nah an ihn ran, "seitdem ich im Scheiß-JUGENDKNAST SITZE!" Ich hätte vollends ausrasten können, glaubt mir. Aber sein Gesicht war mir Befriedigung genug. Ich machte auf den Absatz kehrt und stürmte davon.

"Alicia! Warte doch! Ich weiß doch, dass du recht hast!"

Das brachte mich tatsächlich dazu, stehen zu bleiben. Doch ich drehte mich nicht um. "Mit was?"

"Mit allem." Ich hörte, wie er zu mir kam. "Es tut mir so leid, dass ich weggegangen bin. Dass ich euch beide verlassen habe, obwohl ich der einzige war, der eure Streitereien beenden konnte. Aber verstehst du nicht? Genau das war es, was mich dazu antrieb! Weißt du, wie es sich anfühlt, immer zwischen den beiden Menschen zu stehen, die du am meisten liebst? Es ist schrecklich! Und ihr beiden konntet es einfach nicht lassen. Nicht einmal meinetwegen! Es tut mir wirklich aufrichtig leid, Alicia, aber bitte versuche, dich auch in meine Lage hineinzuversetzen!"

Ich spürte, wie mir eine einsame Träne die Wange hinunterfloss. Denn ich wusste, dass es die Wahrheit war. Cole hatte uns gebeten aufzuhören, aber wir hatten nicht aufgehört, wir haben ihn nicht mal richtig wahrgenommen, waren viel zu sehr auf uns selber fixiert.

Ich drehte mich um und schniefte. "Wie kann ich das wieder gut machen?"

Cole kam auf mich zu und strich mir eine dunkle Haarsträne aus dem Gesicht.

"Du musst gar nichts wieder gut machen. Ich hab genauso Fehler begangen wie du. Die Hauptsache ist, dass wir uns gegenseitig verzeihen." Auch ihm liefen jetzt die Tränen übers Gesicht. Dann zog er mich erneut in eine Umarmung. Doch diese erwiderte ich. So fest ich konnte. Dann musste ich lachen. "Was ist?", fragte er, während er mir über die Haare strich. "Du klangst gerade wie ein weiser alter Opa." Da musste auch er lachen.

Und für den Moment war alles gut.

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Ich erzählte Cole so gut wie alles, was in meiner Zeit als 'Inhaftierte', auch Gefangene genannt, so passiert war. Wie zum Beispiel, dass meine Freunde in diesem Augenblick dort in dem Raum saßen und alleine die Konsequenzen für das tragen mussten, was ich angerichtet hatte. Und das nur, weil ich meine Wut mal wieder nicht hatte bändugen können. Da könnte ich glatt schon wieder ausrasten. Ich schämte mich für mich selber, dass ich meine Freunde so im Stich gelassen hatte, denn auch wenn Rosa vielleicht eine gemeine Schlampe war, so hatte sie mir doch geholfen, Sparky reinzuschmuggeln, auch wenn es nicht ganz so geklappt hatte, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Cole hatte mich gefragt, wer Sparky denn sei. Und erst daraufhin fiel mir ein, dass er sie noch gar nicht kannte! Wir hatten sie nach seinem Verschwinden angeschafft. Er musste sie unbedingt kennenlenrnen. Doch dafür musste ich mich erst meinen Taten stellen. Er verstand das und wir einigten uns darauf, dass ich ihn am Samstag besichen kommen würde, mit Sparky natürlich. Dann würde er meine Hündin kennen lernen und ich seine neue Freundin. Er gab mir die Adresse ihrer derzeitigen WG und umarmte mich noch ein letztes Mal zum Abschied. Dann machte ich mich auf den Weg zu dem Raum, in dem mich vorher mein ADHS geplagt hatte. Und in dem meine Freunde saßen und meinetwegen wahrscheinlich ziemlich angepisst waren. Aber ich hatte es verdient. Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, dass ich mit den beiden auf ein Zimmer gekommen war, auch wenn Rosa trantütig, nervig, stur... okay, ich musste dringend noch üben. Ich atmete einmal tief aus und ein und öffnete dann die Tür. Und zum zweiten Mal an diesem Tag traute ich meinen Augen nicht.

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Hey meine Lieben! :) Ich wollte mich herzlich bedanke für die vielen vielen Reads! Für erfahrene Wattpad-Schreiber ist das wahrscheinlich gar nichts, aber mir als Neuling bedeutet das wirklich total viel!

Vielen Dank also, und schön fleißig weiter voten! :D

Helena

 PS.: Ich habe es ENDLICH geschafft, ein Bild hochzuladen! Es freut mich euch.... Alicia vorstellen zu dürfen! Ihre Haare sind vielleicht etwas dunkler und sie ist natürlich jünger, aber tatsächlich ist Megan Fox die einzige, die sie in meinen Augen einigermaßen richtig darstellt :D

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 02, 2015 ⏰

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