Kapitel 12

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Nach dem Mittagessen ging ich raus um auf den Plan zu schauen, doch Zane fing mich ab und zog mich ohne ein Wort zu sagen in eine stillere Ecke.

"Was ist los?", fragte ich besorgt.

"Ich musste einfach kurz mit dir reden.", sagte er atemlos und das kam nicht vom Laufen. Ich schaute ihn prüfend an.

"Na dann hau raus!" Natürlich konnte ich mir denken was er ansprechen wollte, doch er legte den Kopf schief, als würde er sich fragen, ob ich wirklich einfach zu doof war. Ich hielt unverblümt den Blickkontakt und er gab auf. Er schaute auf seine Füße, wie um sich zu sammeln, machte dann den Mund auf, um etwas zu sagen, schien sich dann aber doch um zu entscheiden. Schließlich sagte er ironisch: "Also... mir ist natürlich aufgefallen, dass du mordsmäßig auf mich stehst. Und da hab ich mir überlegt... dass ich dir die Ehre erweise, mit mir zusammen zu sein. Ich meine, du siehst ja jetzt auch nicht gerade schlecht aus." Ich zog nur fassungslos die Augenbrauen hoch.

"Na wenn das nicht mal ein ordentliches Liebesgeständnis war.", sagte ich mit genauso viel Ironie in der Stimme. Ich überlegte, mich einfach umzudrehen und weg zu gehen, doch das wäre zu einfach für ihn.

"Und weißt du,", fuhr ich mit tiefer Stimme fort, "du hast recht."

Er grinste schon. Na warte! "Ich meine so schlecht wie alle sagen siehst du jetzt nun wirklich nicht aus. Auch wenn deine Haare etwas... gewöhnungsbedürftig sind. Aber darüber kann man ja hinwegsehen. Man. Aber nicht ich." Bei den letzten Worten wurde meine lauter. Ich hörte noch, wie er meinen Namen rief, als ich mit gemischten Gefühlen wieder zurück ging.

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Meine heutige Aufgabe war Baddienst, was noch viel schlimmer war als Küchendienst. Und ich hatte mir geschworen, niemals mit der Hand in eine Toilette zu greifen. Das konnte ich mir hier abschminken. Missmutig ging ich Richtung Toiletten. Mit mir eingeteilt war diesmal niemand von unserem Tisch, dafür aber Connor aus der Biker-Truppe. Ich stellte mich zu ihm und lauschte den Anweisungen der Putzfrau. Die Biker waren ziemlich ruhige und charismatische Jungs und das mochte ich an ihnen. Connor hatte die Arme verschränkt und stand still da.

Während ich wie ein braves kleines Mädchen meinen Pflichten in der Toilettenkabine nachkam, hatte ich Zeit, über Zane nach zu denken. Irgendwie tat er mir ja schon leid. Ich war wirklich nicht sehr nett zu ihm gewesen. Vielleicht sollte ich mich entschuldigen. Doch im nächsten Moment hasste ich mich dafür. Seit wann war ich denn bitte so eine Lusche geworden?!

Andererseits... ich wusste ja, dass er eigentlich vorgehabt hatte, mir ein richtiges Liebesgeständnis zu machen. Naja, mehr oder weniger. Aber anscheinend vertraute er mir dafür nicht genug. Sollte ich dann nicht eher versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen, anstatt zu versuchen, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen? Ich strafte mich für meine unüberlegte Reaktion vorhin und beschloss, den Toilettendienst heute ausfallen zu lassen und mich zum Garten zu bewegen. Dort musste heute nämlich ein gewisser Kerl die Säge schwingen. Hoffentlich tötet er mich jetzt nicht damit, dachte ich als ich leise die Toilette verließ und im nächsten Moment: Vielleicht sollte ich diese Therapiestunden doch mal in Erwägung ziehen. Ich hattevdas Gefühl, als hätte ich einen an der Klatsche.

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Ich hatte wirklich die Schnauze voll und war nah dran, mich einfach umzudrehen und meinen guten Vorsätzen "Lebt wohl" zu sagen, als ich gefühlt zum fünfundzwanzigsten Mal seinen Namen brüllte. Irgendwann wurde er dann zu seinem Glück aber doch auf mich aufmerksam. Ich winkte übertrieben und bestellte ihn mit einer deutlichen Geste von der Leiter runter. Als er unten war nahm er seinen Ohrenschutz ab. "Wie lange stehst du schon da unten?"

"Schau mein Gesicht an, und du kannst es dir denken!" Er studierte eingehend meine Mimik. Dann grinste er unschuldig - und glaubt mir, meine Wut war sofort verraucht. Aber das wollte ich natürlich nicht zeigen. 

"Sorry,", sagte er betreten, "ich hab dich nicht gehört.  Wegen der Säge und so."

"Ach, darauf wäre ich jetzt wirklich nicht gekommen!", schnauzte ich sarkastisch, aber es war nur noch halbherzig. Er merkte, dass ich wieder runter fuhr und wechselte schnell das Thema. "Also, was ist los?"

Er stellte sein Werkzeug unter den Baum, an dem er die Zweige zurecht geschnitten hatte und bedeutete mir, ein Stückchen mit ihm zu gehen.
Wie im Film, dachte ich.

"Ich... wollte mich eigentlich nur entschuldigen."

Unvermittelt blieb er stehen. "Was?" Damit hatte er anscheinend gar nicht gerechnet.

"Ja, also für meine Reaktion vorhin. Also, das was ich da gesagt habe... das war nicht ernst gemeint." Völlig erstaunt schaute er mich von der Seite an. "Ich weiß."

Anscheinend sah er in meinem Blick, dass das nicht unbedingt die passende Antwort gewesen war und ruderte schnell zurück. "Ich meine... danke. Und...", er trat mit den Füßen auf der Stelle und schien sich ziemlich unwohl zu fühlen, was ich bei ihm noch nie so krass erlebt hatte.

"Okay, also mein... wie du es nennst Liebesgeständnis - war ja auch voll daneben."

Ich verkniff mir das "Stimmt" und fing an, über seine Worte nachzudenken. Dann sah ich ihn schief an. "Das hast du nicht wirklich gerade gesagt, oder?"

"Glaub mir, ich kann es auch noch nicht fassen." Und schon war er wieder der nervige, grinsende, doch leider mords-attraktive Macho-Typ. Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Plötzlich in "Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung" hakte ich mich bei ihm unter und wir spazierten durch den Garten.

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"Was fändet ihr denn als angemessene Strafe für euer Benehmen?" Ihr Blick fiel auf mich. "Mir ist bekannt, dass dies nicht das erste Mal war, dass Sie geschwänzt haben, Fräulein Cortay."

Ich schaute betreten auf den Boden, um ihr nicht zu zeigen, dass ich schwerst damit zu tun hatte, meinen Lachflash zu unterdrücken.

"Nun?", ihre ungeduldige Stimme war rau, vielleicht vom Rauchen. Ich lugte vorsichtig durch meinen Haarvorhang. Sie hatte ein ganz kleine Brille mit runden Gläsern, die sie ganz vorne auf der Nasenspitze trug. Ihre weißen Haare, die in einem Dutt steckten, ließen sie sehr streng wirken.

"Es tut uns leid.", sagte ich betreten. "Wir wollten keinen Ärger machen."

"Hmm.", machte sie nur gleichgültig und schürzte die Lippen. "Ihr könnt gehen. Ich werde mir schon was für euch überlegen. Aber denkt dran, dass ihr euch grade die Chance kaputt gemacht habt, das fair auszuhandeln." Sie scheuchte uns mit einer Handbewegung ungeduldig weg und wir verließen den Raum. Ich hatte gedacht, dass ich jetzt wieder anfangen müsste zu lachen, doch komischerweise war mir überhaupt nicht mehr danach. Wir gingen schweigend ein Stück den Gang runter und als unsere Wege sich trennten, lehnte ich mich gegen die Wand.

"Und? Was passiert jetzt"

Zane kam zu mir und lehnte sich neben mich. Dann ließ er sich langsam zu Boden sinken. Ich tat es ihm gleich. "Ehrlich gesagt: Keine Ahnung." Er grinste frech. "Warum? Will die brave kleine Alicia etwa keinen Ärger bekommen?"

"Natürlich nicht du Idiot!", sagte ich, musste aber lachen. Ich stieß ihm sacht mit meinem Ellenbogen in die Rippen. Er tat so als müsste er sich vor Schmerz krümmen, woraufhin ich grinsend die Augenbrauen hochzog.

"Lusche."

"Ja klar.", sagte er lächelnd und legte vorsichtig einen Arm um mich, damit ich ihn daran hindern konnte. Doch das hatte ich erstmal nicht vor.

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