Kapitel 11

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"Rosa!", brüllte ich meiner Zimmernachbarin ins Ohr. "Steh auf, verdammt noch mal! Du kriegst mega Anschiss!" Ich war schon jetzt auf hundertachtzig. Wieso konnte diese kleine... naja, was auch immer nicht einfach mal ihren Arsch aus dem Bett bewegen?! Ich war jetzt schon zu spät, doch wenn ich einfach ohne sie losgehen würde, wäre sie noch Ewigkeiten danach sauer auf mich.

"Egal, Pech gehabt.", schnauzte ich, obwohl ich gar nicht wusste, ob sie mich hörte. "Dann geh ich halt ohne dich." Angepisst verließ ich den Raum und knallte die Zimmertür so geräuschvoll wie nur möglich hinter mir zu und rannnte die Treppen hinunter.

Ich riss die Tür auf...

und rannt promt in eine Besprechung rein. Silvia aus unserem Block und Katharina und Christopher aus den jeweils anderen beiden Blöcken standen auf dem kleinen Plateau, das wohl eine Bühne darstellen sollte. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Naja, zumindest waren sie das, bevor ich meinen Auftritt hinlegte. Denn jetzt lagen alle Blicke auf mir. Ups.

Ich verzichtete darauf, mir Essen zu holen und setzte mich stattdessen schnell an den üblichen Tisch. Langsam wendeten die Jugendlichen in dem Saal sich wieder den Erwachsenen zu. Silvia warf mir noch einen unmissverständlichen Blick zu, bevor sie fortfuhr:

"Jedenfalls ist dieser Trakt jetzt fertig geworden. Ein Glück, denn meiner Meinung nach wurde hier jetzt lange genug gebaut. Wie war das Gebäude letztendlich nutzen steht allerdings noch nicht fest. Wir werden euch aber über Weiteres auf dem Laufenden halten. Gut, dann noch guten Hunger.", schloss sie und ging mit den anderen von der 'Bühne'. Die Leute wendeten sich wieder ihrem Essen und ihren Gesprächen zu. Ich beugte mich hinüber zu Jacob, da er mir am nähesten saß.

"Was für ein neues Gebäude?" Er stand auf und ich dachte erst, er wolle jetzt eiskalt weggehen, doch er machte mit dem Kopf eine Bewegung, dass ich ihm folgen solle. Misstrauisch stand ich auf, doch als ich sah, dass er sein Tablett nahm, verstand ich. Wir gingen zur Ausgabe und stellten uns in die Schlange, um sein Tablett wegzubringen.

"Um ehrlich zu sein, weiß ich das gar nicht so genau. Anscheinend leidet der Knast an Gebäudemangel." Seine Stimme klang sarkastisch und bitter. Ich fragte mich gerade, ob es dieses Wort wohl wirklich gab, als Zane plötzlich neben mir auftauchte. Misstrauisch schaute er zwischen Jacob und mir hin und her. Also bei so viel Offensichtlichkeit musste ich dann doch grinsen. Ihm sprühte die Eifersucht ja nur so aus den Augen. Ich fühlte mich irgendwie geschmeichelt, doch als mir einfiel, dass ich gestern in seinem Zimmer eingeschlafen war, verging mir das Lachen wieder. Beschämt wandte ich den Blick ab und folgte Jacob, als er mit seinem Tablett weiterrückte.

Zum Glück beließ er es erst einmal dabei.

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Ich ging gerade aus der Mensa, als ich beiseite gezogen worde. Vor Schreck stieß ich einen kleinen, sehr mädchenhaften Schrei aus. Doch dann sah ich wer da vor mir stand. Doch bevor ich ihm vorwerfen konnte, dass er mich total erschreckt hatte, fragte er grob: "Was läuft da zwischen dir und Jacob?"

Das Erste was mir dazu einfiel war: Meine Fresse! Kann man sich hier nicht mal mit einem Jungen unterhalten, ohne dass die ganze Welt gleich denkt, man würde sofort mit ihm ins nächste Bett steigen?!

Doch das sagte ich nicht. Das wäre ja zu leicht für ihn. Stattdessen zog ich nur die Augenbrauen hoch, stützte eine Hand in die Hüfte und sagte so arrogant ich konnte: "Wüsste nicht was dich das angeht." Damit ließ ich ihn stehen.

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Obwohl ich nach meiner Aktion mit Zane ziemlich stolz auf mich war, vergingen die nächsten Stunden quälend langsam.

Eine Stunde nach der anderen saß ich in in dem stickigen Raum ab. Hier hatte ich leider nicht den Luxus, jederzeit aus dem Unterricht gehen zu dürfen, wie auf meiner alten Schule. Ich seufzte, als ich an meine Freunde dort dachte. So anders waren die Leute hier gar nicht mal. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und bemerkte, dass Brandon mir immer wieder bedeutungsvolle Blicke zu warf. Und immer wieder, wenn er das tat, fragte ich mich, ob ich Zane nicht mit ihm eifersüchtig machen könnte.

Aber was willst du eigentlich?, fragte ich mich. Zane benimmt sich doch sowieso schon so, als würde er dich ziemlich mögen. Damit würdest du nur alles kaputt machen!

Ich seufzte tief. Das war mir klar. Aber ich wollte ihm nocht das Gefühl geben, dass er mich so leicht haben konnte.

Als endlich Unterrichtsschluss war, rannte ich schnell aus dem Raum, die Zigarette schon in der Hand. Ich steckte sie mir an und ging neben Brandon zu ihrem üblichen Treffpunkt. Wir waren die ersten, doch langsam trudelten auch die anderen ein. Wir standen dann zu siebt unter dem kleinen Unterstelldach in der Mitte des Hofes, da es regnete. Da ich von großen bösen Jungs nur so umgeben war, traute sich selten jemand in unsere Nähe. Die Jungs waren für ihre Stärke und nicht gerade gering ausgeprägte Aggressivität bekannt. Doch das machten sie eigentlich nur, um die Leute abzuschrecken. Naja, es sei denn jemand provozierte sie wirklich. Aber sie waren eigentlich total nett, nur machte sich halt keiner die Mühe, das herauszufinden.

Wir redeten über die üblichen Themen: Motorräder. Aber ich fand das ehrlich gesagt ziemlich interessant. Und ich bewunderte sie für ihr Wissen. Ich fragte mich, woher sie dieses ganze Wissen hatten, doch als ich sie darauf ansprach, meinten sie nur: "Komm einfach mal mit, dann wirst du schon sehen." Mittlerweile war ich ganz gut mit ihnen befreundet. Vor allem mit Connor und Bryan verstand ich mich gut. Mit Brandon ja sowieso. Sie behandelten mich wie eine kleine Schwester und hatten geschworen, mich vor den "anderen Bösen hier" zu beschützen, was ich total süß fand. "Was hat es eigentlich mit diesen neuen Gebäude auf sich? Ist das irgend'was Besonderes?"

"Nö, nicht das ich wüsste.", meinte Connor und zuckte mit den Schultern.

"'Kay."

"Warum fragst du?", fragte Brandon.

"Ach naja, die Erzieher hier, oder wie sie heißen haben da so'n Hehl draus gemacht, deswegen..." Jetzt zuckte Brandon mit den Schultern. Wir gingen rein zum Mittagessen, doch wie sonst auch lehnte ich das Angebot, bei ihnen zu sitzen, dankend ab. Ich hing so schon oft genung bei ihnen rum. Rosa war wahrscheinlich immer noch sauer auf mich. Ich schaute mich nach ihr um und als ich ihren Gesichtsausdruck sah...: Bingo! Ich ignorierte sie einfach und setzte mich ganz dreist neben Zane, der mich erfreut anblickte. Das hatte zur Folge, dass Amelie sich neben Rosa setzen musste. Also da gab es natürlich erst mal 'nen riesen Aufstand. Amelie begann rum zu zetern, aber ich lächelte sie einfach so lange liebenswürdig an, bis sie es irgendwann aufgab. Das war immer eine Methode, auch wenn sie gar nicht so leicht durchzuhalten war. "Hab ich was verpasst?", fragte ich, einfach um Konversation zu betreiben.

"Nö.", sagte Zane sehr informativ. "Ok. Dann ist ja gut." Ich lächelte noch einmal liebenswürdig, gab es dann aber schnell auf. Die Stimmung am Tisch war ziemlich schlecht. Mittlerweile hatte ich für mich beschlossen, dass Lucie und Gregor total verrückt waren. Also wirklich geistig verrückt. Ich hatte ehrlich gesagt ziemlichen Respekt vor ihnen und außer bei Essen hielt ich mich nie bei ihnen auf. Aber die beiden hockten eh nur die ganze Zeit zusammen. Ich spürte, dass ich beobachtet wurde und drehte mich in Zanes Richtung. Da fiel mir etwas ein.

"Ach übrigens...", sagte ich verlegen, "danke dass du mich letztens ins Bett gebracht hast." Ich lächelte ihn unsicher an.

"Klar doch.", sagte er und zwinkerte. "War meine Brust so angenehm?" Er grinste. Ich verschränkte die Arme und versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. Was nicht klappte. Dann reckte ich das Kinn.

"Dazu sag ich jetzt nichts." Das brachte ihn zum Lachen. Er legte einen Arm um meine Schulter und ich stutzte, da er das vorher noch nie so öffentlich gemacht hatte. Ich war ein bisschen unsicher, ob ich das zulassen sollte. Aber allein für Amelies Blick lohnte es sich. Ungläubig starrte sie uns an. Ich erlaubte mir ein freches Grinsen in ihre Richtung und sah nach einem kurzem Blick zu Zane, dass er dasselbe tat.

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