Kapitel 1

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Das erste Kapitel widme ich dir Jenny. Da ich wegen dir erst angefangen habe, diese Geschichte zu schreiben. :D

EINS

Ich rannte so schnell ich konnte. Scheiße! Was mach ich jetzt?

Noch ein paar Meter, dann hab ich es geschafft. JA!

Ich klopfte an die Scheibe des Buses. Der Fahrer schaute mich missmutig an, öffnete aber erneut die Türen.

Puh.

Ich zeigte meine Monatskarte, die vor zwei Wochen abgelaufen war und ging durch den Bus nach hinten, wobei ich von allen angestarrt wurde. Völlig außer Atem setzte ich mich auf einen Viererplatz in Fahrtrichtung. Wenn ich gegen die Fahrtrichtung fuhr, wurde mir immer schlecht. Dann kramte ich meine Ohrstöpsel aus meiner Tasche, machte wahllos ein Lied an und stellte auf volle Lautstärke.

Leise sang ich mit, erleichtert dass ich den letzten Bus des Tages bekommen hatte. Doch als ich an unserer Haltestelle ausstieg, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte mich eine ganze Stunde verspätet und vergessen, bescheid zu sagen.

Meine Mutter ist ein totaler Ordnungsfreak und total auf Pünktlichkeit besessen. Mit einem schlechten Gefühl in der Magengrube ging ich die Treppen zu unserer Altbauwohnung im dritten Stock hoch. Möglichst leise steckte ich den Schlüssel in die Tür, doch noch bevor ich ihn umdrehen konnte wurde die Tür aufgerissen und ich stand meiner ziemlich aufgeregten Mutter gegenüber.

Ich versuchte gar nicht erst, reinzugehen, sondern wartete stattdessen mit gesenktem Kopf auf die Standpauke.

Doch es kam keine.

Ich schaute hoch, meiner Mutter in die Augen und sah darin nur zwei Dinge: überwältigende Trauer und Enttäuschung. Ich fühlte einen Stich im Herzen, als sie sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und in ihr Zimmer ging. Das war schlimmer als jede Standpauke.

Nachdem ich die Tür abgeschlossen hatte, ließ ich mich erschöpft auf mein Bett sinken. Ich starrte an die Decke, enttäuscht von mir selber.

Wieso verletzte ich meine Mutter immer wieder so?

Sie hielt mich für ein Problemkind. Am Anfang hat sie sich noch rührend um mich gekümmert, doch ich war zu blind gewesen, um ihr dankbar zu sein und hatte sie groß abgewehrt. Aus diesem Grund ließ sie mich mittlerweile einfach machen, ließ den Dingen freien Lauf. Das heißt, dass sie mich aufgegeben hatte. Und meine Mutter gab NIE auf.

Wir wussten beide, dass sie in ihrer Erziehung bei mir viel falsch gemacht hat. Sie war zu streng und immer zu sehr mit ihrem Job beschäftigt. Ich wurde quasi von Kindermädchen großgezogen. Und es wurde auch nicht besser, als ich älter wurde. Jedenfalls nicht für mich.

Als ich klein war, hat mir das alles nichts ausgemacht, aber jetzt war ich älter und dachte mehr darüber nach. Sie hatet mich ernsthaft aufgegeben. Dieser Gedanke ließ mich bitter auflachen, obwohl er alles andere als lustig war. Doch es war einfach so absurd. Ich stand wieder auf, um mich bettfertig zu machen. Ich putzte meine Zähne und zog meinen alten roten Pyjama mit der schwarzen Gitarre an. Dann setzte ich mich an meinen Laptop, checkte meine Mails und ging kurz auf Facebook. Nichts Neues. Ich seufzte. Ich hatte nicht viele Freundinnen.

Das lag zum einen daran, dass ich dieses ganze Zickengetue auf Dauer nicht aushielt, aber zum Teil lag es auch daran, dass ich in ihren Augen ziemlich hübsch war, das wusste ich. Für die meisten Mädchen war ich eine große Konkurrentin, womit sie dann auf die Dauer nicht leben konnten.

Seht ihr, wie bescheuert das schon klingt?

Deswegen hatte ich mehr männliche Freunde. Das ist einerseits cool, weil Jungs in vielen Sachen viel gechillter sind als Mädchen und man ihnen mehr anvertrauen kann, weil sie einfach mal keine boshaften Absichten haben, dich vor der Schule zu blamieren, indem sie dreist deine Geheimnisse weitertratschen.

Auf der anderen Seite haben viele von ihnen mich ziemlich runtergezogen. Meine rabenschwarzen Haare und mein Zungenpiercing  weisen darauf hin. Doch an sich war ich sehr weiblich und ich glaube das fanden meine Kumpels auch ganz gut. Ich guckte Germanys Next Topmodel (Es ist einfach so geil!) und mag pink. Sehr. Der Großteil meiner Sachen ist pink. Denn trotz meiner Haare bin ich kein Emo.

Als ich gerade einem meiner Kumpel schreiben wollte, klingelte mein Handy.

"Jaaaa?" Ich tat so, als wüsste ich nicht, wer dran ist, aber Darius hatte mich schon durchschaut. Wie immer.

"Hey Icy! Wie geht's dir? Ich hab lange nichts mehr von dir gehört. Du warst gestern nicht in der Schule. Alles okay?" Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr, wer sich diesen Spitznamen ausgedacht hat, aber ich weiß, dass er aufgrund meiner eisblauen Augen kommt. Früher wurde ich Ali genannt (ernsthaft?! Einfallsreicher geht's ja gar nicht mehr!), aber meine Kumpels und ich natürlich fanden, das passt nicht zu mir.

"Ja, alles supiiii. Mir ging es nur gestern nicht so gut."

"Aha. Und was war wirklich?" Jetzt musste ich doch lachen. Darius war einer meiner besten Freunde. Er kannte mich einfach viel zu gut.

"War halt nicht so auf der Höhe."

"Du weißt ja, dass ich für dich da bin?

"Ja. Danke." Ich lächelte, während mir Tränen in die Augen traten.

"Kommst du Montag wieder?"

"Ja, denk schon."

"Okay, ruf mich an, wenn du was brauchst, ja?"

"Hmm", machte ich.

"Ich meins ernst."

"Ja", sagte ich genervt. Er wusste, dass das nur zum Teil Spaß war. Ich beendete das Gespräch und verfluchte mich gleich darauf, so unfreundlich zu ihm gewesen zu sein. Er wollte mir nur helfen.

Oh Gott ich hatte wirklich Stimmungsschwankungen!

Erschöpft knallte ich den Laptop zu und legte mich ins Bett.  Ich dachte noch ein bisschen nach. Dabei musste ich schon wieder weinen.

Mann, wie mich diese Heulerei ankotzte!

Und das Beste kommt ja immer danach: Höllische Kopfschmerzen. Die es mir noch schwerer machten, einzuschlafen.

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