Kapitel 13

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"Schatz, deine Mutter hat sich Sorgen gemacht!", ließ Oma mich wissen, als ich wieder nach Hause kam. "Wo warst du?"

"Ist doch egal", murrte ich.

"Bei Timo, oder?"
Ich zuckte nur mit den Schultern.
"Ich weiß, dass sie es dir erzählt hat. Ich kann mir nur annähernd vorstellen, wie schrecklich du dich fühlen musst. Sie hätte es dir wirklich viel früher sagen müssen. Es tut mir wirklich leid, dass ich mich nicht mehr für dich eingesetzt habe. Aber du sollst wissen, dass ich für dich da bin. Auch deine Mutter wird dich in allem unterstützen. Es stehen anstrengende Zeiten bevor, aber gemeinsam schaffen wir das."
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte mich damit nicht auseinandersetzen, denn ich wollte das alles nicht!

"Ich will kein Kind."
"Da kommst du nicht drum rum. Das ist dein Schicksal. Das Schicksal von allen Amora."

"Oma, du verstehst das nicht. Ich will keinem Kind dieses Schicksal antun. Es ist Folter, dass man sich nicht verlieben darf! Das sollte niemand durchstehen müssen!"

Verständnisvoll sah Oma mich an. Sie konnte es verstehen, weil sie im Gegensatz zu Mama selbst mal verliebt gewesen war.

"Auch wenn ich das eigentlich nicht sagen darf, gebe ich dir Recht."
Ich sah zu ihr auf und spürte die Verbundenheit.

"Weil du auch mal verliebt warst. Habe ich Recht? Sagst du mir jetzt, wer der Mann auf dem Foto ist?"

Für einen Moment schien Oma mit ihren Gedanken in einer vollkommen anderen Zeit zu sein. Dann nickte sie.

"Er hieß Emil." Sie sprach seinen Namen aus, als wäre er etwas ganz besonderes. "Und ja, ich war in ihn verliebt. Ich hatte immer geglaubt, dass Amora dazu nicht fähig sind, doch offenbar stimmt das nicht. Ich habe ihn damals gesehen und es war um mich geschehen." Sie lächelte schwach. "Er war groß und stark gewesen. Doch er hatte sanfte Hände und ein verschmitztes Lachen."

"Hast du ihm mit einem Pfeil abgeschossen?"

"Oh Gott, NEIN!", kam es Oma sofort über die Lippen. "Das wäre ja lebensmüde!"

Ich schluckte mühevoll den Kloß in meinem Hals herunter. Lebensmüde? "Es ist einfach so passiert. Wir haben uns gesehen und plötzlich wusste ich, was Liebe ist."

Ich konnte es zu gut nachvollziehen,

"Was ist mit euch passiert?"

Omas Gesichtsausdruck wurde sofort düster.
"Unser Glück hielt nur kurz an. Der Rat bekam Wind davon und dann war er fort."

"Er war fort?", hakte ich nach.

"Ja, er war einfach nicht mehr da. Bis heute weiß ich nicht, was mit ihm passiert ist, aber ich befürchte, dass sie ihn nicht am Leben gelassen haben. Was hätten sie sonst mit ihm machen sollen?"

Oh nein! Timo! Was war, wenn der Rat von Timo erfuhr? Würden sie ihn töten? Würde er wegen mir sterben müssen?

Ich konnte spüren, wie ich blass wurde.

"Das ist ja grausam."
"Ja, das war es. Noch immer denke ich jeden Tag an ihn. Emil war der tollste Mann, den man sich vorstellen konnte."

"Wie alt warst du damals?"

"19. Deine Mutter war schon auf der Welt, doch das hat ihn nicht gestört. Er war so liebevoll zu ihr, als wäre es seine eigene Tochter gewesen."
"Hört sich nach einem tollen Mann", ließ ich sie wissen und dachte gleichzeitig daran, dass ich das mit Timo sofort beenden musste. Zu seinem eigenen Schutz. Ich wollte nicht sein Leben gefährden.

"Ja, aber mach bitte niemals den selben Fehler! Lass dich auf keinen Mann ein! Dieses Glück ist uns leider nicht vergönnt."

"Kann man nicht mal mit diesem Rat reden? Gesellschaften entwickeln sich doch weiter. Früher war Homosexualität auch verboten und jetzt können Homosexuelle sogar heiraten. Warum kann man nicht auch Amora mehr Recht geben?"

Oma lachte.

"Schatz, es gibt wohl kaum etwas Konservativeres als den Rat der römische Mythologie. Selbst den Vatikan würde man im Vergleich wohl als sehr fortschrittlich bezeichnen."

Ich ließ meinen Kopf hängen.
Es brach mir jetzt schon das Herz Timo einen Korb zu geben, denn ich würde nicht nur meine große Liebe verlieren, sondern auch meinen besten Freund. Doch ich musste es tun, um sein Leben zu retten. Ich konnte nicht zulassen, dass er wegen mir sterben würde. Noch hatte keiner etwas von unserer Liebe mitbekommen. Noch hatte ich die Chance ihn zu retten. 

AmoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt