Kapitel 23

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Ich hatte mit dem Polizisten gesprochen und ihm alles erzählt. Zumindest all das, was ich preisgeben konnte, ohne als verrückt erklärt zu werden.

Timo hatte sich nicht mehr blicken lassen. Da ich noch immer kein Handy bei mir hatte, konnte ich ihm nicht einmal schreiben. Keinerlei Kontakt zu ihm zu haben und nicht zu wissen, wie es ihm ging, trieb mich in den Wahnsinn.

Ich war so sauer auf meine Mutter. Warum hatte sie es sagen müssen, als Timo im Raum war? Hätte sie nicht warten können?

Er hätte es sicher besser aufgenommen, wenn ich es ihm schonend hätte beibringen können.

Mama lugte durch die Tür hinein.

"Schatz, wie geht es dir?", fragte sie vorsichtig.

"Beschissen!", erwiderte ich, denn es wäre mir lieber gewesen, ich hätte ein Bein verloren, als Timo.

"Das wird schon wieder", versuchte sie mich mit einer leeren Floskel aufzuheitern. "Ich habe Besuch mitgebracht." Sie machte einen vielsagenden Gesichtsausdruck, was mir wohl sagen sollte, dass es dieser Vertreter vom Rat war.

"Ich will meine Ruhe", brummte ich.
"Das ist aber zu schade", sagte eine tiefe Stimme und ein bärtiger Mann schob sich an meiner Mutter vorbei ins Zimmer. Seine Präsenz nahm den gesamten Raum ein. "Ich würde nämlich gerne mit dir reden."

Zwar hatte ich mir Vertreter des Rates tatsächlich immer bärtig vorgestellt, doch nicht so wie er. Er sah aus wie ein Mitte Vierzig-Jähriger, der das Hipstertum zu feiern schien. Er trug seinen Manbun genauso stolz wie den Drei-Tage-Bart.

"Schatz, das ist Jupiter", hauchte meine Mutter mir zu.

Spontan setzte mein Herzschlag aus und mein Unterkiefer gab der Gravitation nach.

"Jupiter?", stammelte ich ungläubig. "Der Jupiter?"

Was für die griechische Mythologie Zeus war, war für die römische Mythologie Jupiter. Er war der Gottesvater. In allen Gute-Nacht-Geschichten, die meine Mama mir vorgelesen hatte, war er vorgekommen.

"Genau, der bin ich", sagte er erstaunlich freundlich, während sich in meinem Kopf alles überschlug.

Was machte er hier? Hatte ich für so viel Aufsehen gesorgt, sodass selbst Jupiter sich einmischte? Das konnte doch unmöglich sein.

"Du siehst überrascht aus", stellte er fest.
Ich nickte stumm.

Was sollte ich sonst sein? Er war wie ein Celebrity unter den Göttern.

"Bitte tun Sie Timo nichts! Er kann doch nichts dafür", war das erste Sinnvolle, das mir in den Sinn kam.

"Das hatte ich auch gar nicht vor", sprach er mit einer Ruhe, um die ich ihn sehr beneidete.

Es schien mir noch zu früh, um beruhigt zu sein. "Deine Mutter hat mir erzählt, was geschehen ist. Es war ein Unfall und deshalb werde ich den Liebesbann aufheben."

Ich hatte diese Variante nie in Erwägung gezogen, denn tatsächlich gab es nur einen einzigen, der dazu in der Lage war: Jupiter.

Wenn der Bann aufgehoben werde würde, würde ich nicht mehr wissen, wie sich Liebe anfühlte. Eigentlich wollte ich das nicht. Denn es hatte nie ein schöneres Gefühl gegeben, als Timo zu lieben. Doch wenn ich ihn damit retten konnte, dann würde ich alles tun. Selbst die Liebe aufgeben.

"Und Timo kann dann ganz normal weiterleben?", hakte ich sicherheitshalber nach.

"Ja. Es wäre so, als hätte es diesen Bann nie gegeben."

AmoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt