Kapitel 12

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"Ich habe ja eigentlich damit gerechnet, dass du diesen Krieger bittest, dich von mir zu befreien. Immerhin ist er jung und ein Krieger der Drachenstadt. Außerdem hat er viele Münzen für dich ausgegeben und ich nehme mal an, dass er nun nicht mehr viel davon hat. Wenn du ihm eine Belohnung versprochen hättest, wäre er bestimmt auf deinen Vorschlag eingegangen."

Hamiran saß auf einem Pferd, dass er sich von den Gulden Anuwes geleistet hatte. Dass sie neben ihm herlaufen musste, schien für ihn normal zu sein. Er hatte ihr am Morgen erklärt, dass die tausend Gulden gerade so ausreichten, um seine Kosten für sie zu decken. Schnaubend hatte sie sich gefügt, denn sie wusste ja, dass Hamiran sich nicht mehr lange an den Gulden erfreuen konnte.

"Vielleicht habe ich das auch.", bemerkte sie und verscuhte, ihren schwer gehenden Atem zu beruhigen.

Er lachte spöttisch.

"Das glaube ich nicht. Ich habe gehört, wie er sich mit dir vergnügt hat." Sein Lachen war grausam. "Wenn du ihn gefragt hättest, wäre er bestimmt Feuer und Flamme gewesen, dich mir weg zu nehmen."

Sie unterdrückte ein Lächeln und senkte den Kopf, um Hamiran nicht zu zeigen, dass sie bald aus seinen Fängen befreit werden würde.

Eine Weile schwiegen sie und Doro hing ihren Gedanken nach.

Es war ihr wirklich schwer gefallen, sich von Anuwe zu trennen. Vor allem dieses Schauspiel, dass sie vor Hamiran geben mussten, fiel ihr schwer.  Erst im aller letzten Moment lösten sich ihre Finger von seinen und sie musste vorgeben, dass sie nichts für ihn empfand. Anuwe hatte sich wieder einbandagiert und das letzte, was Doro von hm gesehen hatte, waren seine Augen, in der die Liebe hell leuchtete, die er für sie empfand.

Bis Hamiran sie gerufen hatte, erzählte Doro Anuwe ihre ganze Vergangenheit und wie er es ihr schon vorher versicherte, machte er ihr keine Vorwürfe. Mehr noch, er schien alles schon lange zu wissen und was noch besser war, ihm schien es tatsächlich nichts auszumachen.

"Weißt du, einen Moment kam er mir sehr bekannt vor.", riss Hamiran sie aus ihren Gedanken. "Wie war das eigentlich? Hat er die Bandagen entfernt? Ist er sehr unansehnlich gewesen?"

Einen Moment konnte sie ihr Lächeln nicht unterdrücken, wenn sie an seine feste Haut und die Muskeln dachte, die sie in der Nacht sehr oft berührt hatte. Unansehnlich? Anuwe war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte.

"Nein, er war nicht unansehnlich."

Hamiran runzelte die Stirn.

"Aber die Verletzungen und Narben. Du kannst mir nicht erzählen, dass du kein Ekel empfunden hast."

Sie schnaubte.

"Manchmal ist das Äußere nicht so wichtig."

Hamiran lachte gehässig.

"Wenn du das sagst?"

Wieder schwiegen sie eine Weile und Doro erlaubte sich wieder an Anuwe zu denken. Sie seufzte leise.

"Ich werde mit dir in die Nächste Stadt reisen. Du hast meine Erwartungen übertroffen. Nie hätte ich gedacht, dass du mir gleich am ersten Tag tausend Gulden einbringen würdest. Ich denke mal, in der nächsten Stadt wird sich wieder so ein Kerl finden, dem es gefallen würde eine Drachenbraut zu besteigen."

Einen Moment zitterte sie vor Wut.

Halte noch einen Moment aus. Ich bin bald bei dir.

Doro hob lächelnd den Kopf, dann blieb sie stehen und zerrte an dem Seil, mit dem Hamiran sie an sein Pferd band.

Einen Moment stutzte Hamiran und zog an dem Seil, aber Doro ging keinen Schritt mehr weiter, sondern löste ihre Hände aus den Schlingen. Hamiran war sich seiner Sache so sicher gewesen, dass er nicht bemerkte, wie sie ihre Hände angespannt hatte, um sich jetzt, im lockeren Zustand, leicht lösen konnte.

Die Drachen von Wikuna - Anuwe (Band 6)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt