10 | Ein Verdacht

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Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so hilflos gefühlt. Wir hatten bereits viel aufs Spiel gesetzt, aber letztendlich schien es uns doch kein Stück weiter zu bringen.

Alles was wir wussten, war, dass zwei, wenn nicht sogar mehr Kriminelle an Bord ihr Unwesen trieben und sogar schon einen Diebstahl, der bis dahin auf verwunderlicher Weise immer noch nicht gemeldet worden war, vollzogen hatten. Tristan war jetzt ebenso gut klar wie mir, dass wir weitere Diebstähle verhindern mussten, ohne den Gästen dabei Angst einzujagen.

Die Listen der Passagiere hatten uns bislang kein Stück weitergeholfen. Wir hatten sie durchgelesen und auch schon einige Namen weggestrichen, die nicht für einen nächsten Diebstahl infrage kamen, aber bis zu diesem Augenblick war an Bord nichts mehr passiert. Allein dieser Fakt machte mich rasend. Ich wusste, dass etwas im Gange war. Jeder spürte es. Irgendwann musste etwas passieren, damit ich wusste, dass ich recht hatte und mir nicht alles nur ausgemalt hatte. Einzig und allein der Ring in meiner Kabine bezeugte, dass an der Geschichte etwas dran sein musste.

Niemand verlor einen fünfhunderttausend Euro teuren Ring, ohne dass ihm sein Verschwinden nach ein paar Tagen auffiel. Es machte einfach keinen Sinn.

Die einzige plausible Erklärung in meinem Kopf war, dass der Ring schon vorher gestohlen worden war und allein aus diesem Grund weiterhin ruhig auf meiner Kabine schlummern konnte.

Ich stopfte mir weiter mein Mittagessen in den Mund und hing meinen Gedanken nach. Das Kartoffelpüree schmeckte bei diesen Gedanken nicht mehr so gut wie zuvor und ich schluckte es einfach ohne weiter darüber nachzudenken herunter.

Ich schmeckte ohnehin nichts. Meine Nase war zu und das Nasenspray aus meiner hauseigenen Apotheke half auch nur sehr wenig. Ich seufzte. Ich war nicht einmal eine Woche an Bord und schon hatte ich mich erkältet, mit allem Drum und Dran. Dauernd war mir kalt und ich hatte Kopfschmerzen, die nicht wegzugehen schienen. Immerhin wurde es jetzt ein wenig besser. Ich stellte meinen leeren Teller zu dem dreckigen Geschirr und verließ die Kantine mit schlurfenden Schritten. Das Treppenhaus lag wie so oft verlassen vor mir, doch dieses Mal sollte ich gestört werden.

„Ich weiß, was ihr gesucht habt, Solea.", hauchte er mir ins Ohr und meine Nackenhaare stellten sich auf, weil mich die Begegnung an die dunklen Schatten erinnerten.

„Was?"

Empört schubste ich ihn ein Stück von mir weg, aber er grinste immer noch breit.

„Du musst dich nicht dafür schämen. Ich an deiner Stelle wäre auch neugierig, was sie da alles über mich schreiben.", sagte er und ich legte die Stirn in Falten. Wovon sprach er?

„Was redest du da?", fragte ich und wollte mich schon an ihm vorbeizwängen, als er die Stimme erhob.

„Von deiner Personalakte natürlich.", sagte er verschmitzt und mir klappte der Mund auf.

„Meine Personalakte?" Jackson lachte.

„Naja, es ist wirklich traurig. Natürlich wolltest du wissen, was da so alles über dich geschrieben steht. Niemand würde dir es verübeln, nachdem dein Vorstellungsgespräch schon nicht ganz optimal verlaufen ist." Er lachte und ich kniff die Lippen zusammen. Mein Vorstellungsgespräch war meiner Meinung nach gut verlaufen. Jacksons Worte ließen mich stutzen. Was versuchte er damit herauszubekommen? Den Job hatte ich ja letztendlich bekommen, also konnte es mir eigentlich egal sein. Nicht egal war mir allerdings, dass Jackson versuchte herauszufinden, was wir tatsächlich an der Rezeption gesucht hatten. Unsere Geschichte hatte er uns also doch nicht abgekauft.

„Aber natürlich muss der heilige Tristan dir dabei helfen. Das machen gute Freunde so."

Seine Stimme klang etwas bitter und ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Hände zu Fäusten ballten. Ich starrte den Jungen vor mir wütend an.

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