16 | Da wäre noch eins...

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Endlich hatte sich alles zum Guten gewandt. Es kam mir alles noch ziemlich unwirklich vor. Die Festnahme, der aufgeklärte geplante Raub, einfach alles. Nach dem Sprung ins Wasser hatte ich nicht einmal eine Erkältung. Und jetzt standen wir hier. In schicken Kleidern und beschauten uns in dem großen bodentiefen Spiegel. Emily kicherte.

„Ich wusste das Kleid würde dir stehen.", sagte sie und ich grinste von einem Ohr zum anderen.

Ohne auf meine Proteste zu achten, hatte sie mit mir dem Bordshop einen Besuch abgestattet und hatte mir ein Kleid herausgesucht, von dem sie meinte, dass es mir absolut perfekt stehen würde. Und sie hatte recht gehabt. Der schwarze seidige Stoff des Kleides schmiegte sich anmutig um meine Knöchel und passte sich perfekt an meinen Körper an.

Emily hüpfte begeistert um mich herum. Ihre Locken wippten dabei euphorisch in die Höhe. Wir waren in ihrem Zimmer. In meiner Kabine hätte man das nicht so einfach machen können. Mit zwei Personen, die sich umziehen wollten, hätte man kaum Platz gehabt. Emily selbst trug ein etwa knielanges dunkelgrünes Kleid, welches ihre langen Beine betonte. Das Grün ließ ihre Augen hervorstechen und ich bemerkte erst da, wie unglaublich gut ihr Kleider standen. Bislang hatte sie immer nur gemütliche Jeans getragen, wenn wir uns gesehen hatten. Die waren zwar um einiges angenehmer, betonten ihre Figur aber nicht halb so gut, wie es das Kleid tat.

Eigentlich waren wir schon zu spät dran. Der Ball wurde bereits vor einer halben Stunde eröffnet und Emily war es, die mich nun zur Eile antrieb. Ihre Familie war schon längst verschwunden.

„Los, beeil dich, Solea. Ich will noch ankommen bevor sie die große Torte anschneiden.", sagte sie und ich lachte.

„Bist du sicher, dass es Torte geben wird?" Emily rollte mit den Augen.

„Natürlich gibt es Torte. Es gibt immer Torte.", sagte sie, als wäre ich total übergeschnappt, das überhaupt in Frage zu stellen. Ich kicherte. Ein wissendes Grinsen huschte über ihr Gesicht.

„Und außerdem willst du doch nicht zu spät zu deinem Date mit Tristan kommen, oder?", wackelte sie mit ihren Augenbrauen und ich konnte nicht verhindern, dass eine verräterische Röte in mein Gesicht schoss.

Ich hatte diese ganze Situation mehrmals in meinem Kopf abgespielt und genaustens analysiert und war letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass Tristan die Frage keineswegs als Einladung auf ein Date gesehen hatte. Er hatte mich bloß gefragt, ob ich mit ihm zum Ball gehen würde. Alles auf rein freundschaftlicher Basis.

Es ärgerte mich fast selbst ein bisschen, dass ich davon ausgegangen war, dass es tatsächlich ein Date sein könnte. Aber als ich so weiter darüber nachdachte, wollte ich mir nur noch gegen den Kopf schlagen. Dumm, dumm, dumm.

Tristan würde mich niemals nach einem Date fragen. Er war einfach Tristan und ich war einfach Solea. Es gab kein "Wir" in dem Sinne. Daran würde sich nichts ändern.

Genau das sagte ich Emily nicht zum ersten Mal. Und genau wie die unzähligen Male zuvor, in denen ich ihr erklärte, dass Tristan und ich nur Freunde waren, verdrehte sie theatralisch die Augen.

„Ja, klar. Wie du meinst.", sagte sie achselzuckend und ich tippte, plötzlich doch nervös, von einem Fuß auf den anderen. Mein Blick blieb an meinem Spiegelbild hängen. Ich sah so aus wie immer. Nur das ich eben ein Kleid trug.

„Meinst du wirklich ich kann so gehen?", fragte ich Emily unsicher und sie schnalzte mit der Zunge.

„Was? Hast du auf einmal Muffensausen oder warum bist du auf einmal so eingeschüchtert?" Ich schluckte. Irgendwie war mir schon leicht unwohl zumute. Ob das allgemein an der Situation lag oder an dem Jungen, der mein Herz ein klitzekleines bisschen überforderte, konnte ich nicht sagen.

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