Musste immer alles im Chaos enden? Seit ich auf dem Schiff war, hatte ich keine einzige freie Minute gehabt und die letzten Tage waren nicht besonders leicht für mich gewesen. Konnte es nicht stattdessen wieder bergauf gehen? Wieso wurde es immer komplizierter?
Es war der sechste Morgen an Bord und ich musste feststellen, dass die Zeit doch schneller verging, als ich dachte. Vor einer Woche war ich zum ersten Mal in meinem Leben in das Schiff getreten und hatte noch nicht einmal ansatzweise geahnt, was auf mich zukommen würde. Nun saß ich unruhig auf meinem Stuhl und überlegte, wer an Bord für die kriminellen Machenschaften verantwortlich war.
Ich hatte nicht nur verschlafen, sondern fand in der Küche auch keinen einzigen Sitzplatz und keinen einzigen meiner Freunde. Ich nahm mir letztendlich einfach ein Brötchen auf die Hand, um es auf dem Weg zu den Kabinen zu essen und winkte Mia, die bereits schwer zu schaffen hatten kurz zu. Sie sah mich nicht einmal, so gestresst war sie. Obwohl wir in ein und derselben Kabine lebten, sah ich sie nur selten. Wir schienen uns immer kurz zu verpassen. Wenn ich mich schlafen legte, war sie noch nicht da und wenn ich morgens aufstand, war sie meistens schon wieder verschwunden. Ich fragte mich so langsam, ob sie überhaupt in die Kabine kam, um zu schlafen oder ob sie überhaupt keine freie Minute hatte.
Als hätte der Tag nicht schon schlecht genug begonnen, begegnete mir auf dem Weg zu meiner Schicht auch noch Frau Hoffenmeier, die mich regelrecht zur Schnecke machte. Sie meinte ich würde den guten Boden mit meinem Brötchen voll krümeln. Erstens stimmte das nur minimal, weil ich höllisch aufpasste nichts zu verdrecken und zweitens war der gute Boden, von dem sie sprach, nur der billige Linoleumboden, über den ich später sowieso wischen musste. Sie hätte also getrost darüber hinwegsehen können. Aber Frau Hoffenmeier wäre nicht Frau Hoffenmeier, wenn sie nicht jede Chance nutzen würde mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich musste mein Brötchen in meine Tasche packen und aus dem nächsten Putzschrank, Besen und Kehrblech hervorholen. Der Hausdrache wich mir keine Sekunde von der Seite, sondern wartete bis ich auch wirklich den letzten Dreck entfernt hatte. Danach ging sie, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Francesco und Pablo hielten mich nach dieser Begegnung mit ihrer ausnahmsweise unerschütterlich guten Laune ein Stück weit über Wasser.
Sie klopften mir beruhigend auf die Schulter oder sagten, dass man meine Augenringe nicht so schlimm sah, wenn man nicht genau hinsah. Das beruhigte mich leider kein Stück. Es zeigte mir nur, dass die beiden Cousins miserable Lügner waren. Meine Augenringe waren nämlich schon aus weiter Entfernung zu sehen. Das konnten sie gar nicht abstreiten.
Beinahe wortlos brachten wir unsere Arbeit hinter uns und ich war froh, dass uns währenddessen keine einzige Menschenseele begegnete. Weder von der Crew noch von den Gästen. Zumindest den Gästen hätte ich dann nämlich vorspielen müssen, dass ich bei bester Laune war und darauf konnte ich an diesem Tag wirklich verzichten.
Der Tag wurde und wurde einfach nicht besser. Draußen hingen dunkle Wolken am Himmel, die meine Laune nur noch weiter in die Tiefe drückten. Bald würde es anfangen zu regnen. Ich konnte es spüren. Dicke dunkelblaue Regentropfen würden auf die Decks klatschen und das Meer würde so aufgewirbelt werden, dass kleine bedrohlich wirkende Strudel entstehen würden, in dessen Anblick man sich leicht verlieren konnte.
Später am Tag sollten wir am Hafen von Oslo anlegen. Mit einem großen Kreuzfahrtschiff hätten wir die gleiche Strecke in weniger als der Hälfte der Zeit hinter uns gebracht. Es war der erste Halt, seit wir die Reise begonnen hatten. Es war also etwas Besonderes.
Ebenso für die Verbrecher, die an Bord ihr Unwesen trieben. Das war ihre Chance ihr Diebesgut - was auch immer das sein sollte - nach draußen zu schaffen. Tristan und ich hatten uns den Kopf darüber zerbrochen, worum es neben dem Schmuck gehen konnte. Natürlich malte ich mir die abenteuerlichsten Geschichten aus, als wäre ein Verbrechen nicht schon schlimm genug. Jede meiner Ideen war unglaubwürdiger als die andere und wir mussten einsehen, dass wir immer noch im Dunkeln tappten. Das Licht am Ende des Tunnels war noch lange nicht in Sicht.
DU LIEST GERADE
Meeresrauschen
AventuraIn Soleas Leben geht so einiges mächtig schief, dabei versucht die 18-jährige lediglich ihre Arbeit zu erledigen. Doch an Bord des Kreuzfahrtschiffes MYSTERY geschehen merkwürdige Dinge, denen sie auf den Grund gehen muss. Und dann wäre da noch de...