Prolog

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Eigentlich hatte sie gehofft, einige Stunden Schlaf zu bekommen, nachdem sie gestern noch extra Überstunden für ihre erkrankte Freundin gemacht hatte, aber da hatte sie sich wohl geirrt. Ihr Handy riss sie nach keinen vier Stunden Schlaf aus dem Bett mit einer sehr dringenden Nachricht: Bitte sofort kommen! Es ist wichtig! W. Dorneaz Also echt! Was fiel dem immer ein, ausgerechnet sie anzurufen? Naja, er lobte sie häufig in den höchsten Tönen und sie war nahezu immer abrufbereit und zuverlässig, aber das war doch kein Grund!

Leise vor sich hin murrend stand sie trotzdem auf und machte sich fertig. Im Gegensatz zu dem was der Butler immer noch hoffte, zog sie nicht ihre Arbeitskleidung an, sondern etwas bequemeres. Soll er sich doch beschweren! Ich muss schließlich den gesamten Tag hierhin und dorthin hechten!

Sie verließ ihre Wohnung und kam nach einer Fahrzeit von gut 40 Minuten vor dem großen Anwesen mit ihrem Auto zum stehen. Bereits an der Tür wurde sie von Walter begrüßt. "Guten Abend, Miss Violet. Ich weiß, es ist sehr kurz nach Ihrer letzten Schicht, aber ..."

Sie unterbrach ihn mit einer rüden Geste. "Was ist der Notfall, Walter?"

Er seufzte leicht. "Du weißt doch, dass die Geheimwaffe von Lady Hellsing ein ... Vampir ist, nicht wahr?" Die Bedienstete nickte gespannt. "Es ist wie folgt: Er und seine Dienerin wurden von einem katholischen Priester, mit dem wir es bereits zuvor zu tun hatten, angegriffen. Seras wurde dabei stark verletzt. Da du auch ein Jahr Medizin studiert hast, würde ich dich bitten, dir die Wunden anzuschauen. Wir können sie ja schließlich nicht einfach ins nächste Krankenhaus bringen."

Und dank dieser berechtigten Aussage durfte sie mit ihrem medizinischen Wissen (das gelinde gesagt mikrobisch vorlag) eine Vampirin unter den wachsamen Augen von Hellsings Geheimwaffe verarzten.


Seras war zwar eine tapfere Patientin, aber sie litt wirklich extreme Schmerzen, weshalb Violet ihr schon mehrere Dosen Morphium gespritzt hatte, was aber nicht wirklich half. Die Wunden hatte sie so gut wie es ging behandelt und vernäht, da meldete sich jetzt endlich ihr stummer Schatten zu Worte: "Wann wird sie wieder einsatzfähig sein?"

Einsatzfähig? War der Typ durchgedreht? Die kleine Draculina war sterbensschwach! Wie Walter ihr erzählt hatte, trank sie nicht einmal Blut, und dieser unverantwortliche Vampir wollte nur wissen, wann er sie zurück in die Schlacht gegen die Untoten schicken konnte?!

Schnaubend drehte sie sich zu ihm um. "Ich würde sagen, sie sollte eine Bettzeit von mindestens 6 Wochen einhalten", befand sie in einem Ton, der eigentlich keinen Widerspruch dulden sollte woran sich ihr Gegenüber natürlich nicht hielt: "6 Wochen? Sind Sie des Wahnsinns? Kein Vampir braucht ganze 6 Wochen um zu heilen!"

Darauf konterte sie natürlich, wie es ihrem Charakter üblich war, giftig: "Ihrer lieben Dienerin wurde das Rückgrat an 5 Stellen durchtrennt. Zweimal ist sogar der gesamte Wirbel zerbrochen. Ansonsten hatten sich über 16 Bajonetten in ihren Brustkorb gebohrt und Gott sei Dank haben sie ihr Herz verfehlt. Mal ganz davon abgesehen, dass sie viel zu viel Blut verloren hatte. 6 Wochen sind da noch recht optimistisch im Anbetracht der Lage!" Bei den letzten Sätzen war sie etwas auf ihn zugegangen und funkelte ihn jetzt in die Augen, was ihr bei dem Größenunterschied von nur 3 Zentimetern weniger nicht schwerfiel.

Erst dachte sie, tatsächlich so etwas wie Erstaunen auf seinem Gesicht zu entdecken, aber dann brach er in so starkes Gelächter aus, dass sie sich fragte, wie er sich auf den Beinen halten konnte.

"Alles in Ordnung  mit Ihnen?", fragte Violet ihn halb skeptisch, halb besorgt, ob der Situation.

Als der rotgekleidete Vampir wieder den Kopf hob, sah sie einzelne blutige Lachtränen unter seiner Sonnenbrille hervor kullern. Immer noch lachend wischte er sie sich weg und blickte dann auf einmal wieder völlig ernst auf das groß geratene Menschlein herunter (so gut das halt ging). "Menschen überraschen mich immer wieder", sagte er mehr zu sich selbst, aber sie antwortete trotzdem.

"Menschen sind immer gleich, immer ziemlich enttäuschend. Dass Sie sich davon überraschen lassen, zeugt jetzt nicht unbedingt von einer sonderlich großen Beobachtungsgabe." Während sie sprach, blinzelte sie nicht einmal mit den Augenlidern und trat auch nicht zurück obwohl der Vampir noch einen Schritt näher gekommen war und sie nunmehr etwa eine Handlänge voneinander entfernt waren.

So starrten sie sich gegenseitig an, eine in die verspiegelten Augengläser der Sonnenbrille, der andere in seine Reflektion in den leuchtend dunkelblauen Augen des Mädchens, das nicht älter sein konnte als seine Herrin.

So plötzlich als wäre ihm eingefallen, dass er den Herd angelassen hätte, drehte er sich um und ging auf die Tür zu. "Sorgen Sie dafür, dass das Fräulein Polizistin bald wieder auf den Beinen ist, Fräulein Doktor."

Verwundert über den Titel wollte sie eigentlich nochmal das Wort ergreifen, doch er hatte sie alleine mit der schwer atmenden Draculina alleine gelassen. Fuck! war alles, was sie heraus brachte. Was war mit diesem arroganten Drachen nur los? Denn sowohl die feurigen Gläser als auch die sehr altertümliche Kleidung ließ ihn wie einen erscheinen. Und wenn die Gerüchte stimmten, hatte er ja tatsächlich einmal den Namen "kleiner Drache" getragen. Auch wenn er lange nicht mehr klein war.

Sie musste grinsen, als sich ihr einer dieser kindischen Gedanken wieder in ihren Kopf schlich: Wie war er wohl als Kind gewesen? Dieser große Vampir, kaum mehr als Mann zu bezeichnen, dieses trotz seiner Grausamkeit so attraktive Monster? "Vlad Drăculea...", ließ sie sich seinen Namen auf der Zunge zergehen. War dieses Monster, der Mann der einst gegen die Osmanen in die Schlacht gezogen war? War das der Mann der in Bram Stokers Dracula so grotesk dargestellt wurde?

Als sie sich angestarrt hatten, hätte sie schwören können, dass das kein Monster war sondern einfach nur ein Mann, der dringend guten Beistand brauchte. Er hatte so eine Traurigkeit und einen enormen Hass verströmt, was war ihm nur alles passiert?



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Und so endet dann mal der Prolog. Ich freue mich über Kommentare aller Art!

Liebe Grüße und bleibt gesund!

I Believe in YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt