Kapitel 3 - 2.0

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Ich atme tief ein und wähle Madelin's Nummer. „Ja?" Meldet sie sich nach dem dritten Klingeln. „Hey, ich bin's Alex. Ich wollte..." Ja, was wollte ich eigentlich genau? „... wollte mich nur schnell bedanken, wegen vorhin." Ich weiß niht genau, ob es eine Frage oder Aussage war. Was ist nur los mit mir? Bin doch sonst nicht so ei Schlappschwanz, der nicht mal eine Aussage treffen kann. Zögernd kommt von der anderen Leitung „Ähm... okay?" Eine kurze Pause setzt ein, ehe Madelin weiter spricht, jedoch immer noch sehr unsicher „Bitte, immer gern? Tut mir leid, aber sagt man sowas?" Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. „Wenn du es gerne gemacht hast, dann sag: Hab ich gern gemacht, aber sonst reicht ein einfaches: bitte." geb ich leicht amüsiert zurück.
„Oh Okay, also: Bitte, immer gern." bei ihrer Antwort bilde ich mir ein ein Grinsen hinaus zuhören. Peinlich still entsteht, schnell sprech ich, bevor es noch peinlicher wird: „Hmm, man sieht sich, ja?" Was die Situation für mich nicht angenehmer macht, aber mit Madelin's trockener Antwort hätte ich im Leben nicht gerechnet „Bestimmt, spätestens beim nächsten Einkauf Alex." Und mit einem Lachen meiner seits leg ich auf. Dieses Mädchen ist anders und immer für eine Überraschung gut.
Etwas spanenderes, als dieses Telefonat passiert an diesem Tag nicht mehr.
Am nächsten Tag ist es deutlich wärmer als der gestrige. Mit entspannten Schritten bewege ich meinen Körper in Richtung „187 Ink.". Natürlich treffe ich ein paar Fans, die sich freuen einen von uns zu sehen, und wir machen Fotos und quatschen etwas. Sie rasten wie immer etwas aus, aber mittlerweile ist es normal, trotzdem sehe ich zu, dass ich schnell zum „Ink." komme.
Mein Blick schweift Richtung Sonne und über die Dächer der Stadt, als ich eine menschliche Silhouette auf einer der Dächerkanten sitzen sehe.
Meine Schritte beschleunige sich, als ich zu erkennen meine wer dort sitzt. Ich reiße gerade zu, die Tür vom Tattoo- Studio auf und blicke in Track's verdutztes Gesicht. „Ey Alter, wie komm ich aufs Dach?" Meine Stimme bebt vor Anspannung und Ungeduld. „Hä, was willst du aufm Dach?" Jetzt ist nicht nur mehr sein Blick verdutzt. „Was nachschauen, also?" Ein Kopfnicken macht ihm wohl deutlich, dass er keine Fragen mehr zu stellen hat und nicht mal eine Minute später stoße ich die Metalllucke auf, die mir den Zugang zum Dach ermöglicht. Wind schlägt mir entgegen und lässt mich nun doch etwas erschaudern. Ich kletter durch die Lucke auf ein unebenes Dach. Mein Blick schweift umher, bis ich die gestallt erblicke, die mir den ganzen Aufwand wert war, oder besser ist. Sie ist es tatsächlich. Mit den Beinen baumelnd über den Abgrund der Kante sitzt sie da, ganz unverblümt mit dem Kopf Richtung tiefe. Sie scheint vertieft zu sein, in ihren Gedanken, wenn ich sie jetzt erschrecke, fällt sie eventuell runter. Also entschließe ich mich, mich einfach langsam neben sie zu setzten.
Ich weiß, dass sie mich erkannt und bemerkt hat, denn noch hängen wir beide mit dem Blick Richtung Straße und beobachten die Menschen und hängen in unserer eigenen Gedankenwelt. Doch ich denke nur darüber nach, was sie denken könnte. „Maddy," durchbreche ich die Mauer des Schweigens, „was machst du hier oben?" Doch unsere Blicke bleiben auf den Menschen, auf den Dächern, auf den Straßen, auf der Umgebung und nicht bei uns. „Beobachten, was sonst?" Spricht sie mit einer Normalität, als wäre es komplett normal. „Im Umkreis..." Macht sie direkt weiter „von hundert Metern sind hier über 30 Häuser. 36." Leicht verwirrt schiebt sich meine Braue, wie von selbst, nach oben. „Wow. Interessant." Ist eine sehr schlichte Antwort, aber immerhin eine Antwort. „Das gehört zu den ‚Zügen'." Antwortet Madelin gelassen und rümpft ihre Stupsnase. In der Hand hält sie eine Kippe, die mir erst jetzt auffällt, wo sie diese ausdrückt und sich direkt eine Neue ansteckt. Der weiße Rauch steigt langsam nach oben in den grauen Nachthimmel auf und vermischt sich mit ihr. Meine Augen folgen ihm, als wäre er irgendwie wichtig oder bedeutungsschwer. Zum ersten Mal dreht sie ihren Kopf zu mir „Und was machst du hier? Du hast dir keine Sorgen gemacht. Ich bin dir egal und du bist auch nicht die Sorte Mensch, der sich einfach auf ein Dach setzt." Spricht sie in die Stille mit einer Gleichgültigkeit. „Nein, tatsächlich nicht." Sag ich nachdenklich. „Ich weiß nicht... ich glaube es war Neugier." beantworte ich ihre Frage. „Das ist gut. Neugierde zeugt von Intelligenz." „Tut es?" Erwidere ich leicht verdutzt. Sie nickt „‚Ich habe keine besonderen Talente, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.' sagte Albert Einstein."
„Und warum merkst du dir sowas?" Frag ich. „Ich lese unglaublich viel und gerne." Antwortet sie mit einem bezaubernden Lächeln im Gesicht. „Und ich merke mir sehr leicht Sachen. Das liegt auch an meinen Zügen, weißt du. Mein ganzes Leben werden durch sie beeinflusst, was ich machen oder wie ich spreche." Erzählt sie mir. „Merkt man dir gar nicht an." Stell ich direkt fest und muss ebenfalls lächeln, denn Maddy's ist ansteckend. „Dafür müsstest du mich besser kennen, Süßer. Kleiner Spoiler: Ich sage was ich denke, deshalb habe ich kaum Freunde und genau deswegen gehen meine Beziehungen, immer nach ein paar Monaten, in die Brüche." Lässt sie mich direkt wissen, was mich jedoch etwas aus dem Konzept bringt ist ihr Lächeln. „Das ist doch eigentlich kein Grund zu Lächeln oder?" Sag ich, muss jedoch immer noch grinsen. „Oh" kommt von meinem Gegenüber und Madelin runzelt zu gleich ihre Stirn. „Das gehört auch zu den autistischen Zügen. Emotionen sind nicht mein Ding, also ich kann sie nicht gezielt einsetzten oder deuten bei anderen. Wundere dich also nicht, wenn ich nachfrage." „Okay" kurz, aber bringt es auf den Punkt. Unsere Augen treffen sich „Normalerweise würde ich jetzt Musik hören, also fühl dich geehrt, dass ich mit dir rede. Ich hasse Menschen eigentlich." Grinst sie vor sich her. Jetzt muss ich lachen „Was hörst du denn so?" Und zünde mir einen vorgedrehten Joint an. „Lil peep ein bisschen, Likin Park, Panic at the Disco, Bushido, Skrillex. Eigentlich Queerbeet, aber eigentlich kein Deutschrap, also keine Sorge: Ich kannte dich vorher nicht. Ich wusste nicht, dass du einer dieser Rapper bist, bin also keine materielle Snitch. Just saying." Diesmal müssen wir beide lachen. Irgendwie mag ich ihre Art, auch wenn sie recht hat, denn ihre entwaffnete, und bedingungslose Ehrlichkeit ist etwas Ungewöhnliches. Aber daran werde ich mich gewöhnen. Es ist auch erfrischend, denn viel sagen mir, das, was sie denken, was ich hören will und nicht ihre ehrliche Meinung,
„Du hattest, aber nicht vor zu springen oder?" Wechsel ich das Thema. „Ne, eigentlich nicht, aber weißt du, wenn ich morgen denke: Alter, ich geh jetzt ins Theater und werd Schaupielerin, dann mach ich es, dann scheiß ich alles hin und hau ab, oder ich spring eben. So bin ich halt. Vielleicht raube ich morgen eine Bankank aus oder hab einen One Night Stand mit deinem Kumpel, wer weiß das schon?" Sie zündet sich eine Kippe an. „Und heute hast du Lust auf Lungenkrebs?" erwidere ich spitz und grinse weiter vor mich her. „Nein, weißt du: Ich rede nicht so viel mit Leuten. Nur wenige kommen mit mir klar, deshalb versuche ich keine enge Bindung zu den Menschen aufzubauen. Elia ist eine Ausnahme, sie schiebt alles auf die Krankheit und es funktioniert sogar erstaunlich gut." grinst Madelin. „Ich mag dich. Ich mag diese ehrliche Art und so... Ich hab genug mit Heuchlern zu schaffen." Sie nickt, mir zustimmend zu und macht ein „Hm." Was ihre Befürwortung verdeutlicht. Ein Blick auf meine Rolex verrät mir, dass wir hier schon über eine Stunde sitzen. Die Sonne geht schon unter und es wird kälter. Bei Madelin am Hals erkenne ich leichte Gänsehaut, also ziehe ich meine Jacke aus und lege ihr diese über die Schultern. Mein dicker Hoodie ist eh warm genug. Bei meiner Geste zuck sie leicht zusammen. „Oh..Oh mmh, das dass musst du nicht machen." Stottert sie verunsichert. „Ist schon okay." Versichere ich ihr mit ruhiger Stimme. „Ähm... Danke?" – „Bitte." sie schenkt mir ihr bezauberndes Lächeln und ich grins, wie ein bekiffter Clown, zurück. Okay, bekifft stimmt schon, dass Ott ist echt gut. „Die Lücke ist irgendwie süß." Komplimentiert sie auf einmal meine Zahnlücke. Prophezeilich gebe ich „Und in zehn Jahren passt da Save nen Joint durch." zurück. Damit bring ich sie zum lachen und es klingt wie Engelsgesang.
Aus der Tasche zaubere ich einen neuen Joint, auch wieder vorgedreht. „Medizinisch?" Ich schüttle verneinend den Kopf und zünde ihn an. „Ich besorgt dir was, wenn du was brauchst." Schmunzelt sie. Ich grinse „So ein soziales Wesen." - „Nicht?"

2.0 No words needed [LX]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt