Kapitel 4 - 2.0

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Madelin

Ungeduldig schaue ich auf meine Uhr und klopfe mit dem Finger, im Takt der Sekunden, auf den Tresen. In einer halben Stunde hab ich endlich Feierabend.
Die Tür der Apotheke öffnet sich und im gleichen Moment ziehe ich scharf die Luft ein. Mein Exfreund. Sarah, meine Kollegin, gebe ich einen Schubs und flüster zischend „Mein Ex." - „Du hast mich nicht gesehen!" – „Wen geshen?" Sie schaut sich suchend um. Ich nicke nur und innerhalb von vier Sekunden bin ich auch schon in den Hinterenteil des Geschäftes geflüchtet. Er ist damals Handgreiflich geworden, als ich einen meiner Anfälle hatte, danach bin ich sofort abgehauen und seit dem habe ich ihn nie mehr gesehen.
Dadurch, dass mein wohlverdienter Feierabend eh gleich ist, beschließe, ich ihn mir etwas früher zu genehmigen.
Durch die Hintertür verschwinde ich nach draußen und sofort umgibt mich, die Kälte und der Wind weht mir kalt ins Gesicht. Meinen Jackenkragen ziehe ich nach oben, um mein Gesicht etwas zu schützen, und beschleunige meinen Schritt.
Meine Gedanken driften unbewusst zu dem Moment, wo Alex mir seine Jacke über die Schultern gelegt hat. Ich muss, lächel und bemerke, wie sich ein wohliges Gefühl in mir ausbreitet. Das ist neu. Bin ich etwa verliebt. Ich runzle die Stirn. Seit langem Mal wieder verliebt oder was bedeutet diese Wärme, von innen?
Ich weiß es nicht, nicht wirklich, das ist das Problem mit dem Autismus, ich weiß nie wie ich meinen Körper deuten soll.
In meiner Wohnung angekommen werfe ich meine Tasche in die Ecke, drehe mich wieder in Richtung Haustür, knalle meine Wohnungstür zu und geh wieder in die Kälte um meine Gedanken zu ordnen.

Alex

„Ja?" Gehe ich an mein, bis eben noch klingelndes, Telefon. „Polizei Hamburg, Bergmann, guten Tag." Ich schlucke. Was zum Teufel wollen die von mir? Was soll ich jetzt wieder angestellt haben? „Was passiert?" Komm ich direkt auf den Punkt. „Wir haben hier eine junge Frau. Wir wissen nicht so wirklich, was mit ihr ist und sie sind die letzte Nummer in ihrer Anruferliste." – „Welche Frau. Ich kenn viele. Beschreiben Sie sie mir." Bluffe ich in den Hörer. „Dunkle Locken, gebräunte Haut, zierlich, graue Augen..." Mit leichter Panik unter breche ich ihn „ich weiß wen sie meinen. Ich komme." Er gibt mir die Adresse, während ich mir meine Jacke überziehe, in meine Schuhe schlüpfe und mit dem Auflegen fällt auch die Haustür hinter mir ins Schloss. Auf dem Weg zu meinem Ziel ruf ich Elia an, um zu fragen, was ich machen soll und ob sie auch kommen will. Sie hat aber keine Zeit, würde ich nicht sein, würde sie alles liegen lassen, aber so habe ich sie beruhigt, dass ich es regle. Elia gibt mir den Tipp Maddy so viel von ihrer Umgebung zu beschreiben, wie es nur möglich ist.
Ich biege um die Ecke ab und sehe eine kleine Traube von Menschen. Ohne zu zögern dränge ich mich durch die Traube und sehe Madelin zitternd, in der Mitte auf dem Boden, hin und her schaukeln.
Im Hintergrund sehe ich was, wohl den Anfall ausgelöst hat: Ein Unfall und der bringt Chaos mit sich.
Ein Polizist hält mich am Arm fest, doch mit den einem wütenden zischen „Verdammt ihr Idioten sie hat einen Anfall. Ihre autistischen Züge. Hören sie auf sie zu stessen" reiße ich mich los, um mich vor Maddy zu knien. „Hey Madelin, Maddy ich bin's Alex" sprech ich sie an, als ich vor ihr auf die Knie falle und Maddy beruhigend über den Rücken streichle. „Hey, ich bin' Alex. Alles wird wieder gut!" Sprech ich weiter auf das Häufchen Elend ein. „Alex." Flüstert sie, so leise, dass ich es fast nicht verstanden hätte.
-Details- dieses Wort schießt wie ein Geistesblitz in mein Kopf. „Du musst schauen! Mach die Augen auf Maddy. Siehst du da... sieben Polizisten, ... zwei Einsatzfahrzeuge, äh... wir haben es..." Ich auf mein Handy, „...genau sechs Grad Celsius, es ist genau sechszehn Uhr. Genau sechszehn Uhr." Sie sieht auf und ihr Blick wandert direkt umher, um jedes Staubkorn genau einzusaugen und alles wahrzunehmen. Sie saugt sich am Himmel fest und flüstert „Es wird Frühling". Ich nicke und schau wieder auf mein Handy und ergänze „Ja, in genau fünfzehn Tagen ist Frühlingsanfang." – „Ja, genau, genau!" Stimmt sie mir diesmal lauter zu, dann sackt sie etwas in sich zusammen und murmelt „Ich bin erschöpft Alex." „Komm." Sag ich, während ich ihr aufhelfe. „Komm mit zu mir,ja?" Schlag ich ihr vor. „Ich... Ich weiß nicht... Doch ja, ja das ist der Nächstgelegendeort, wahrscheinlich..." Brabbelt Maddy vor sich her. „Gern geschen. Darf ich sie mitnehmen. Sie braucht Ruhe." Fahr ich den Polizisten an. Der einfach nur entrüstet nickt. Wahrscheinlich kennt er mich von irgendwelchen Razzien und Durchsuchungen.
Langsam schlagen wir den Weg zu meiner Wohnung ein und gehen langsam dorthin. Bei mir angekommen kommt uns schon Elia entgegen. „Gott sei dank, euch geht es gut." Erleichtert atmet sie aus, als ob eine schwere Last von ihr fällt. „Das würd ich jetzt nicht sagen." Brummt Maddy und Eli seufzt. Plötzlich greift Madelin nach meinem Arm und hält sich fest. Ich merke, wie schwach sie auf den Beinen ist, und hebe Sie auf meine Arme, doch davor gebe ich Eli den Schlüssel und sie sperrt die Tür, zu meiner Wohnung auf. Mit Maddy auf meinen Armen, gehe ich in mein Schlafzimmer, lege sie ohne groß darüber nachzudenken in mein Bett und decke sie zu. Die Tür schließe ich hinter mir und gehe zu Elia, die immer noch im Flur steht. „Sie muss sich jetzt ausruhen, denke ich. Viel machen können wir jetzt eh nicht mehr. Das war psychisch sehr anstrengend für sie." spricht Eli in gedämmter Tonlage. „Okay." mit einem Nicken bestärke ich meine knappe Aussage. Wir verabschieden uns und Elia verlässt meine Wohnung.
Jetzt steh ich hier wie bestellt und nicht abgeholt und weiß in meiner eigenen Wohnung nicht, was ich machen soll. Schließlich kommt mir die Idee mich in meinen ‚Lesesessel' zu pflanzen und somit beschließe ich dort wurzel zu schlagen. Mein Blick, der sonst auf mein Handy gerichtet ist, liegt auf einer träumenden Madelin. Vorsichtig strecke ich meine Hand aus und streiche ihr ein paar verirrte Locken aus ihrem wunderschönen, marklosen Gesicht. Bei der Berührung ihrer Haut fällt mir auf, dass ich sie jetzt schon mehr mag, als ich dachte.

2.0 No words needed [LX]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt