Genervt wartete ich, versteckt in den Schatten der Bäume. Die riesige Burgmauer ragte keine zwanzig Meter vor mir mehrere Meter in die Höhe. Immer wieder konnte ich oben auf der Mauer Soldaten erkennen. Ich musste grinsen, wenn ich daran dachte, dass sie gar nicht mitbekamen, was gerade in diesem Moment passierte. Doch langsam machte ich mir Sorgen! John hätte schon längst wieder dort hinaus sein. Es konnte doch nicht so schwierig sein, einen Grafen zu töten. Wenn ich gegangen wäre, wäre das alles schon längst erledigt, doch John musste immer den großen, arroganten Idiot spielen. Natürlich hatte Madame Evilian ihm das Kommando gegeben. Natürlich hatte ich gehofft, dass er mich mit rein nehmen würde, immerhin war ich eine der Besten in meinem Job. Sogar besser als John selbst! Er wollte das bloß nicht zugeben. Wahrscheinlich hatte er vor den ganzen Ruhm für sich abzusahnen. Zu meinem Ärger würde das leider auch in Kauf treten. Immerhin hatte er mich hier draußen platziert mit der einzigen Aufgabe, nach Soldaten zu schauen. Ich kochte immer noch innerlich vor Wut, wenn ich daran dachte. Ich saß hier nun schon seit einer Stunde und begann langsam, zu frieren. Da wir eigentlich geplant hatten, dass der Auftrag nicht so lange dauern würde, hatte ich mir nur meinen schwarzen Mantel übergeworfen, um meine Wurfmesser und mein Schwert zu verstecken. Eigentlich wäre es ganz angenehm, da es immer wärmer wurde und wir mitten im Frühling steckten. Aber ich hatte ja nicht damit gerechnet, hier für eine Stunde sitzen zu müssen.
Er war schon wieder zu spät! Dieses Mal konnte er was erleben! Madame Evilian hatte mir mit bösem Grinsen gesagt, was mir drohen würde, wenn ich nicht pünktlich mit dem Geld zurückkommen würde. John war natürlich außen vor. Immerhin war er ihr Liebling. Bei dem Gedanken an ihre Drohung fingen die zahlreichen Narben auf meinem Rücken an zu jucken, die ich mir über die Jahre verdient hatte... Nein! Noch einmal würde ich das nicht erleben müssen, dass hatte ich mir vor fünf Jahren geschworen. Gerade in dem Moment, als ich mich aus meinem Versteck wagen wollte, um nach John zu schauen, hörte ich Warnschrei hinter den Mauern. Außer mir vor Wut schlug ich gegen den Baum. John hatte es doch wirklich geschafft, die Aufmerksamkeit der Wachen für sich zu gewinnen.
Ohne zu zögern schlich ich aus meinem Versteck, immer darauf bedacht, dass mich niemand sehen konnte. Kurz vor dem Tor des Schlosses blieb ich stehen und linste vorsichtig in den Hof hinein. Ich erblickte John, welcher mit gehetztem Blick auf mich zu gelaufen kam. Man konnte von hier aus schon einen roten Striemen an seinem Arm entdecken. Anscheinend hatte ihn einer der Soldaten erwischt.
Die Wachen versuchte noch im letzten Moment das Tor zu schließen, doch John kam noch hindurch. Schwer atmend blieb er vor mir stehen. Spöttisch sah ich ihn an. „Und? Hast du wenigstens den Auftrag erledigen können?", sagte ich genervt. Als er meine Worte hörte, zuckte er ertappt zusammen. Nein! Das konnte nicht sein!
Ich spürte, wie ich anfing zu kochen.... Am liebsten hätte ich einfach meinen Dolch genommen und ihn über seine Kehle gezogen. Wegen ihm würde ich wieder diese Quallen erleiden! Das würde er bereuen.... Bevor ich jedoch noch irgendetwas zu ihm sagen konnte, hörten wir die ersten Rufe hinter uns, welche näher zu kommen schienen.
Eilig packte ich John am Arm und zog ihn hinter mir her. Ich hätte ihn zurücklassen können, doch ich wollte Madame Evilian nicht noch wütender machen.... Das würde ein Spaß werden... Doch zuerst einmal mussten wir hier lebend rauskommen!
Gehetzt zog ich ihn hinter mir her. Ich war stinksauer auf ihn, doch zu meinem Pech konnte ich ihm das wohl oder übel nicht mehr zeigen. Wahrscheinlich würde mir nicht mal mehr ein Auftrag zugeteilt werden. Schnell schüttelte ich diesen Gedanken aber wieder ab. Das war absurd! Natürlich würde ich weiterhin Aufträge bekommen, immerhin war das eine der einzigen Möglichkeiten, Madame Evilian die Schulden zurück zu zahlen. Wie jedes Mal , wenn ich daran dachte, überkam mich auch jetzt die Wut. Wut auf meine Eltern.
Meine Eltern und ich lebten im Reich der Sonne. Im Gegensatz zum Reich des Mondes lag es im Süden und war eher exotisch angehaucht. Jeder Bewohner dort war lebensfroh und gütig. Das Volk des Mondes hingegen war das komplette Gegenteil zu uns. Sie waren brutal und egoistisch. Sie nahmen sich, was sie wollten, mit oder ohne Gewalt. Von Anfang an gab es schon Konflikte zwischen den beiden Ländern, doch das war für mich nicht mehr von Belang. Mir waren die Konflikte schon lange egal. Seit dem Tod meiner Eltern. Fürst und Fürstin von Sonnenau.... Ich konnte immer noch nicht glauben, dass sie mir das angetan hatten... Wie konnten sie mich nur alleine lassen?
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Herz aus Schatten und Licht
ParanormalReya, eine ausgebildete Assassine, welche aber in Wahrheit die Tochter einer verstorbenen Adelsfamilie ist, möchte nichts anderes, als sich zu beweisen. Nie wurde sie anerkannt, obwohl sie eine der Besten in ihrem Job war. Verachtet und unbeachtet...