Eilig zog ich mir die Kapuze ins Gesicht und lief einige Straße weiter. Hauptsache ich war weit entfernt von Kilian! Auch wenn ich gerne sehen wollte, ob er sich auch vom Charakter sehr geändert hatte. Jedoch durfte ich unter keinen Umständen riskieren, dass er herausfand, zu wem ich nun geworden war. Ich hörte, wie hinter mir die Menge zu murmeln begann, als Kilian ein paar seiner Soldaten hinter mir herschickte.
Wir veranstalten eine Hetzjagd, welche durch das ganze Dorf führte. Zum Glück bemerkte es keiner, da alle bei der Eskorte und dem Prinzen waren, von welchem ich mich immer weiter entfernte. Ich musste zugeben, dass seine Soldaten in guter Form waren, denn sie blieben mir immer auf den Füßen, doch kannte ich diese Gegend im Gegensatz zu ihnen. Eilig sprintete ich zu meinem Lieblingsplatz, denn dort hatte ich vor ungefähr einer Woche einen versteckten Fuchsbau gefunden, welcher groß genug war, um mich dort vor den Soldaten verstecken zu können.
Auf den letzten Metern beschleunigte ich noch einmal, um etwas Abstand zwischen uns zu bekommen, damit sie nicht sahen, wohin ich verschwand. Leider musste ich durch Dornenbüsche, welche mir die Haut aufrissen, doch ich konnte nicht riskieren, dass sie mich erwischten, weshalb ich mich immer weiter bis zum Fuchsbau kämpfte. Als ich endlich ankam, ließ ich mich mit schmerzverzerrtem Gesicht in das kleine Loch plumpsten und versuchte, meinen Atem zu regulieren. Jetzt musste ich nur noch hoffen, dass sie mich nicht fanden. Angespannt wartete ich darauf, ihre Stimmen zu hören und wurde nicht enttäuscht. „Wo ist sie hin?", hörte ich die Stimme eines genervten Mannes.
„Ich weiß, es nicht, vielleicht ist sie durch den Fluss oder sie ist weitergelaufen, aber hier scheint sie nichts zu sein. Oder siehst du etwas?", murrte der Andere. Stumm sitze ich in meinem Loch und lauschte den Schritten, welche sich mir gerade näherten. Nervös hielt ich die Luft an und hoffte, dass er keine Hinweise auf mein Versteck fand. „Lass uns weiter suchen! Wenn wir sie nicht finden, haben wir ein kleines Problem mit dem Prinzen. Du hast ja gesehen, wie ernst er war.", seufzte er.
„Ja, keine Ahnung, was er von der Göre möchte.", erwiderte der Soldat nachdenklich, während sie sich nach und nach von mir entfernten. Erschöpft fiel ich in mich zusammen und schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Nachdem ich mich einigermaßen erholt hatte, versuchte ich, so unversehrt wie möglich aus dem Gestrüpp zu kommen. Zum Glück hatte mein Mantel, die meisten Dornen abgewehrt, jedoch hatten sich manche durch den Stoff gedrückt und in meine Haut geritzt. Doch waren die kleinen Kratzer alle nur oberflächlich, weswegen ich mir keine Sorgen machen musste.
Mein Herz aber galoppierte immer noch in einem halsbrecherischen Tempo... Fast hätten sie mich gehabt und ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es weiter gegangen wäre, wenn sie mich zu Kilian gebracht hätten. Vorsichtig schlich ich zurück zur Herberge, wo ich den Rest des Tages verbrachte, bis ich mich abends auf den Weg zu Anna machte, um das Kleid für den nächsten Tag abzuholen. Schon bald würde ich den Prinzen wiedersehen!
POV Kilian
Nachdem wir vom Grafen begrüßt wurden, ging ich in mein Gemach, welches mir im Schloss zugeteilt wurde. Nachdenklich lief ich in meinem Wohnbereich auf und ab und bekam das Bild dieser Augen nicht mehr aus meinem Kopf. Die Augen, die ich eigentlich nie wieder hätte sehen sollen. Zusätzlich zu den Augen tauchte das Bild einer wunderschönen jungen Frau in meinen Gedanken auf. Ach Reya, wenn du bloß bei mir sein könntest. Ohne meine gute Freundin waren die letzten Jahre furchtbar anstrengend gewesen. Reya hatte mir immer geholfen, mich von meinem Alltag abzulenken und mich nicht wie eine Marionette in einem Spiel zu fühlen. Als ich von dem Tod von ihr und ihrer Familie hörte, war ich am Boden zerstört. Tage lang hatte ich mein Zimmer nicht verlassen.... Sie war immer für mich da gewesen....
Nachdem sie gestorben war, hatte ich mich voll und ganz meiner Ausbildung als Herrscher gewidmet. Bis zum heutigen Tage hatte ich nur sehr selten an sie gedacht, doch die Augen dieses Mädchen.... Das waren dieselben Augen von Reya, jedoch war es unmöglich! Immerhin war sie tot... Mein Leben hatte weiterlaufen müssen, aber vor der Heirat hatte ich mich bis heute gedrückt, da ich nicht bereit war mich an irgendeine Frau, die mein Vater für mich aussuchte, binden wollte. Mein Vater hatte mich hier hergeschickt in der Hoffnung, dass ich des Grafen Tochter kennenlernen würde.
Außerdem sollte ich verhandeln, wie viele Steuern sie in diesem Jahr zahlen mussten, da unser Nachbarland drohte uns einen Krieg zu erklären. Sie warfen uns vor, dass wir die Königin und Thronerbin vor fünfzehn Jahren getötet hatten. Das war aber nicht der Fall, doch der König wollte uns keinen Glauben schenken, weshalb wir seit Jahren darauf warteten, dass sie uns den Krieg erklären würden. Jedenfalls benötigten wir die Unterstützung des Grafen, da er eines der reichsten Besitztümer in unserem Reich besaß.
Eigentlich wäre ich am liebsten in der Hauptstadt geblieben, doch mein Vater hatte darauf bestanden, dass ich mich schon jetzt um politische Entscheidung kümmerte. Ich wusste aber, dass sein Hauptgrund meine Verlobung war, doch dazu würde es nicht kommen. Ich hatte die Tochter des Grafen zwar schon lange nicht mehr gesehen, jedoch konnte ich mich noch gut an sie erinnern. Schon immer war sie sehr brav gewesen, weshalb sie nie mein Typ war. Sie war viel zu langweilig.... Reya hingegen war immer abenteuerlustig und rebellisch gewesen, doch hatte sie genauso gut eine wohlerzogene Lady abgeben können. Hoffentlich würde dieser Aufenthalt schnell vorübergehen.
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Herz aus Schatten und Licht
ParanormalReya, eine ausgebildete Assassine, welche aber in Wahrheit die Tochter einer verstorbenen Adelsfamilie ist, möchte nichts anderes, als sich zu beweisen. Nie wurde sie anerkannt, obwohl sie eine der Besten in ihrem Job war. Verachtet und unbeachtet...