Kapitel 2

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John und ich waren mittlerweile kurz vor dem Eingang des Tunnels zu unserem Versteck. Wir hatten die Soldaten in einem kleinen Dorf in der Nähe abschütteln können, doch die Frage war nur, wie lange sie brauchten, um uns wieder einzuholen. John wollte es zwar nicht vor mir zugeben, doch die Wunde an seinem Arm schien ihm Probleme zu bereiten. Wann würde er endlich lernen, dass es nicht immer hilfreich war, den Coolen zu spielen?

Mittlerweile war die rettende Hütte in Sicht gekommen. Als wir an der Tür ankamen, wollte ich sie schon mit Schwung aufreißen, als plötzlich ein Pfeil keine fünf Zentimeter neben mir einschlug. Durch den Schleier des Schocks konnte ich einen stumpfen Schmerz an meiner Schulter spüren, der immer stärker wurde. Der Pfeil hatte mich gestreift.... Nachdem der Schock zurückgegangen war, überflutete mich das volle Ausmaß der Schmerzen. Ich versuchte, die Tränen zu unterdrücken und ließ mir nichts anmerken. Hastig zog ich die Tür auf und rannte mit John hinein. Hinten stand ein bekanntes Bücherregal ansonsten war die Hütte bis auf einen Tisch und zwei Stühle leer. Hektisch kramte ich in meinen Taschen nach dem Schlüssel... Ich konnte schon die Rufe der Soldaten hören, die immer näher kamen.

„Verdammt, Reya. Beeil dich!", murmelte John verzweifelt. Erleichtert fischte ich einen schwarzen Schlüssel aus meinem Mantel. An seinem Ende war ein blauer Edelstein angebracht und er hing an einer Kette. Eilig lief ich zum Regal und suchte gezielt nach einem roten Buch. Als ich es endlich gefunden hatte, steckte ich den Schlüssel in das kleine Schlüsselloch, welches versteckt am Buch angebracht war. Als ich dann den Schlüssel ruckartig nach rechts drehte, gab das Regal ein knarzendes Geräusch von sich. Langsam schob es sich auf die Seite und wir konnten nach und nach eine Treppe erkennen, die unter dem Regal sichtbar wurde. Ohne auf John zu warten lief ich die Treppen hinunter.

Normalerweise hätten wir eine Fackel benötigt, doch in dem Moment hatten wir keine Zeit eine anzuzünden. Gerade, als John keuchend neben mir stehen blieb und das Regal zurück an seinen Platz gewandert war, hörten wir, wie die Tür der Hütte aufgerissen wurde. Natürlich waren wir nicht so dumm gewesen und hatten es offensichtlich gemacht, dass irgendetwas mit dem Regal nicht stimmte. Wir hatten uns schon vor einigen Monaten dazu entschieden, ein Loch in eine Wand zu machen, damit es so aussah, als wären wir durch dieses geflüchtet. Wie erwartet liefen sie auch geradewegs darauf zu.

„Sie sind durch das Loch abgehauen. Schnell holt die Pferde! Sie sind weiter in Richtung Norden.", brüllte ein Mann. Mein Herz raste regelrecht, als ich gespannt verfolgte, wann die Männer die Hütte verlasen würden. Doch mittendrin hielten die Schritte an. „Was ist mit diesen Bücherregal?", hörte ich einen der Soldaten reden. „Lass es! Wir müssen die Beiden fangen! Der Prinz kommt in ein paar Tagen zum Lord. Wenn er erfährt, dass noch zwei Verbrecher in unserer Gegend rumlaufen, dann können wir nur hoffen, dass er uns begnadigt!", murrte ein Anderer. Anscheinend war das überzeugend genug, denn sie zogen endlich ab. John und ich atmeten erleichtert auf, als wir uns sicher waren, dass die Soldaten gegangen waren. Lächelnd starrte ich in die Dunkelheit. Wir hatten es geschafft!

Doch sobald ich daran dachte, was einer der Soldaten gesagt hatte, verging mir mein Lächeln. Der Prinz würde kommen... Das war kein gutes Zeichen. Was wollte er hier? „Komm lass uns zu Madame Evilian.", riss mich John aus meinen Gedanken. Während er vorausging, lief ich ihm schweigend hinterher und war in meinen Gedanken versunken. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte ein schlechtes Gefühl, wenn ich an das Kommen des Prinzen denken musste. In meinem Kopf tauchte ein Bild von blauen Augen auf. Ach Kilian, was wolltest du nur hier? Ich konnte mich noch gut an den Tag erinnern, an dem wir an den Hof geladen worden waren. Meine Eltern hatten mich die ganze Zeit ermahnt, erst zu sprechen, wenn ich dazu aufgefordert wurde.

Natürlich hatten sie mich schick herausgeputzt gehabt. Da sie sehr angesehen waren, hatten sie sich schon immer eine Verbindung zwischen mir und dem Prinzen gehofft. Ich konnte mich noch an die hohen Wände erinnern, die wunderschön geschmückt waren. Während das Königspaar und meine Eltern gesprochen hatten, waren ich und Kilian im Garten gewesen und hatten gespielt. Wir hatten uns so gut verstanden, dass wir uns versprochen hatten, uns mindestens einmal im Monat heimlich zu treffen, um einen Ausflug zusammen zu unternehmen. Damals war ich zwölf Jahre alt gewesen.... Das letzte Treffen mit Kilian war kurz vor meinem sechzehnten Geburtstag gewesen... Seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Würde er mich heute noch wiedererkennen nach drei Jahren? Hatte er schon geheiratet? Nein, das konnte nicht sein. Sowas hätte ich mitbekommen.

Ach Kilian, wenn du doch nur wüsstest, was aus mir geworden ist....

Herz aus Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt