Chapter 6

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Thomas war gegangen. Emilys Eltern waren endlich Zuhause. Und Emily hörte in ihrem Zimmer ‚I just don't know what to do with myself' von Cissy Houston. Sie lag auf ihrem Bett und starrte die Decke an, ließ die Musik auf sich wirken.
„I don't know what to do with myself. I just don't know what to do with my time." sang Cissy durch Emilys Plattenspieler. Immer wieder stand Emily auf, um die Nadel neu aufzulegen. Es wurde immer später. Minute um Minute verstrich. Stunde um Stunde. Es war der Tag vor ihrem Geburtstag. Diese Tatsache nervte sie. Paar Mal sah sie auf ihre Uhr. Noch fünf Stunden. Noch vier Stunden. Noch drei Stunden. Noch zwei Stunden. Noch eine Stunde. Noch 30 Minuten. Eine halbe Stunde bis zu ihrem 18. Geburtstag. Aus dem Schlafzimmer ihrer Eltern hörte sie leises Gerede. Als das Lied schon wieder ein Ende gefunden hatte, stand Emily auf und ging runter in die Küche, um sich ein Glas Milch zu holen. Sie ging die Treppen hoch zu ihrem Zimmer, doch blieb im Flur stehen, als sie ihre Mutter ihren Namen sagen hörte.
„Ich mache mir Sorgen um Emily. Seit dem Unfall ist sie so anders. Ein komplett anderer Mensch. Wir kommen nicht mehr an sie heran."
„Aber was sollen wir machen? Sie und Hailey waren sich immer so nah. Es ist klar, dass sie nun so ist. Sich so zurückzieht." Ihre Eltern weinten beide. Das hörte sie aus ihren Stimmen heraus. Es war nicht das erste Mal, dass ihre Eltern so ein Gespräch führten. Emily hatte schon einige davon mitbekommen. Und jedes Mal passierte das Gleiche. Sie weinte, sie gab sich die Schuld, sie schämte sich. Weinen tat sie, weil es sie verletzte, dass ihre Eltern über sie sprachen. Die Schuld gab sie sich, weil sie der Grund war warum ihre Eltern weinten und alles in ihrem Haus so anders war. Und sie schämte sich, weil sie ihren Eltern so viel Kummer bereitete. Immer wenn sie so ein Gespräch mitbekam merkte sie, dass sie nicht die Einzige war, die unter dem Unfall litt. Sie war nicht die Einzige, die einen geliebten Menschen verloren hatte.
„Aber sie ist unsere Tochter und wir müssen für sie da sein. Wir müssen das zusammen als Familie schaffen." sagte ihr Vater. Warme Tränen liefen über Emilys Wangen. Am liebsten wäre sie ins Schlafzimmer ihrer Eltern gerannt und hätte die beiden umarmt. Doch sie wischte sich nur die Tränen aus dem Gesicht und setzte die typische Emily-Maske auf. Jede Wärme in ihrer, die sich ausgebreitet hatte, jede Liebe, die freigesetzt wurde, erlosch. Gerade als sie wieder in ihre Zimmer gehen wollte, klingelte es an der Haustür. Verwirrt sah Emily auf die Uhr. Es war zwölf Uhr. Sie hatte Geburtstag.
„Na super." murmelte sie und ging die Treppen wieder runter. Alles was sie trug war eine dunkelgraue Jogginghose, einen weißen Pullover und Adidas Badelatschen. Mit ihrem Glas Milch in der Hand und langsamen Schritten ging Emily auf die Tür zu. Durch ein Fenster konnte sie Thomas' Bugatti und Connors Ford Mustang sehen.
„Oh nein, die Idioten sind da." sagte sie zu sich selbst. Sie atmete einmal tief durch und öffnete dann die Tür. Sofort fingen, Thomas, Connor und Julia an ‚Happy Birthday' zu singen. Alles was Emily tat, war die Augen verdrehen. Tief in ihrem Inneren fand sie es schon toll, dass ihre Freunde mitten in der Nacht zu ihr fuhren, nur weil sie Geburtstag hatte, obwohl sie ihren Geburtstag hasste. Auch wenn Julia dabei war. Gerade als die drei noch ein Lied anstimmen wollten, stoppte Emily sie.
„Also wenn ihr unbedingt nochmal singen wollt, dann macht das bitte drin. Erstens erspart ihr den Nachbarn einiges und zweitens wird es langsam kalt." Da hatte sie Recht und die drei Freunde waren froh, dass Emily sie rein ließ. Denn selbst daran hatte Julia gezweifelt. Als sie alle im warmen Haus waren, kamen auch Charlie und seine Eltern runter. Und nochmal wurde gesungen. Julia konnte sehen, dass Emily sie alle dafür am liebsten rausgeschmissen hätte. Wahrscheinlich auch Julia zuerst. Nachdem was nach ihrer zweiten Therapiestunde passiert war. Sicher war Emily deshalb angepisst.
„Danke heilige Maria, sie haben aufgehört." rief die Braunhaarige und faltete ihre Hände so, als würde sie beten. Emily wurde von ihren Eltern und ihrem Bruder in eine große warme Umarmung geschlossen, bevor ihre Freunde ihr gratulieren konnten. Ihre Eltern ging wieder ins Bett, da sie am nächsten Tag arbeiteten mussten, während Charlie noch ein wenig blieb.
„So was macht ihr drei nun hier?" fragte Emily und musterte sie. Alle drei hatten ein Geschenk auf dem Arm. Connor schenkte ihr definitiv Vinylplatten, das verriet die Verpackung. Julia hatte ein rundes Geschenk in der Hand, welches Emily aber nicht gut identifizieren konnte. Das Geschenk von Thomas war, ziemlich groß. Emily konnte ihren besten Freund kaum hinter dem Geschenk erkennen. Ohne zu fragen setzte Connor sich auf die Couch.
„Wir sind hier, weil du Geburtstag hast." Thomas und Julia nickten. Emily glaubte, dass Thomas nickte, seinen Kopf konnte sie ja nicht sehen. Sie machte den Mund auf, um zu protestieren, aber Connor unterbrach sie.
„Spar es dir. Wir werden nicht gehen."
„Je eher du mitarbeitest, desto schneller sind wir hier fertig. Dann hast du doch endlich deine Ruhe." murmelte Julia genervt. Viel lieber wäre sie am Morgen gekommen. Oder gar nicht. Aber Thomas hatte sie gezwungen. Das typische „es wird eurer Freundschaft helfen" Gerede. Julia ließ sich neben Connor auf der Couch sinken. Charlie, der abseitsstand, lachte. Er mochte Julia schon immer. Nicht so wie Thomas sie mochte, aber schon gerne. Früher, als sie jeden Tag bei Familie Brown war, hatte sie Charlie immer mit Mädchen geholfen. Was, ziemlich lächerlich war, schließlich war Julia damals gerade erst elf oder zwölf Jahre alt gewesen.
„Ich glaube ich werde ins Bett gehen und euch mal allein lassen. Bring sie nicht gleich um, Em. Sie sind gute Freunde." Ein letztes Mal umarmte er seine kleine Schwester und wünschte ihr alles Gute zum Geburtstag. Emily drehte sich wieder um und widmete sich ihren Gästen. Sie atmete einmal tief durch.
„Bringen wir das hinter uns." brummte sie. Connor war der Erste, der Emily ihr Geschenk überreichte. Langsam riss sie das Geschenkpapier ab. Es war eine Vinylplatte. Eine von Amy Winehouse. Die eine, die in Emilys Sammlung fehlte. Auf ihrem Gesicht bildete sich ein breites Lächeln.
„Danke Connor. Ich habe überall nach dieser Platte gesucht. Wo hast du sie her?" Connor zwinkerte ihr zu.

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