Xenia saß allein in Raphaels Wohnung und wartete auf seine Rückkehr vom Einkaufen. Draußen war mal wieder schlechtes Wetter und sie war froh sich mit einem guten Buch beschäftigen zu können. Nach zehn Minuten legte sie es jedoch zur Seite und streifte durch die Wohnung. Sie landete in der Küche und goss sich Wasser in ein Glas. Als sie wieder ins Wohnzimmer gehen wollte, rutschte ihr das nasse Glas aus den Händen und zerbrach geräuschlos, für ihre Ohren, auf dem Boden.
Fluchend ging sie zurück in die Küche und suchte einen Handfeger und ein Kehrblech. Da sie es in der Küche nicht fand, machte sie sich auf die Suche nach einem Abstellraum oder sowas Ähnlichem. Neben dem Badezimmer wurde sie fündig. Ein kleiner Raum, spärliches Licht und gefüllt mit einer großen Kommode und einem Staubsauger in der Ecke. Sogar einen Wischmopp sowie einen leeren Eimer fand sie. Xenia besah sich die Kommode und inspizierte die Schubladen. Mit einem siegessicheren Lächeln stellte sie fest, dass diese groß genug waren, um einen Handfeger und ein Kehrblech zu beherbergen.
Schwungvoll zog sie irgendeine der bestimmt zehn Schubladen auf und stutzte. Die Schublade war gefüllt mit Briefen, einer kleinen Box und einer roten Rose. Neugierig zog sie einen Umschlag heraus und holte den zusammengefalteten Zettel heraus. Zögernd begann sie zu lesen.
Mein allerliebster Raphael,
Du weißt nicht, wie sehr ich mich freue, dass du in die Wohnung neben mir gezogen bist. Ich weiß, wir reden nicht sehr viel miteinander, doch ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. I love uuuuuuuuuu ♡︎♡︎♡︎♡︎♡︎♡︎♡︎
Ich würde gern wissen, ob du dasselbe für mich empfindest.
Möchtest du mit mir gehen?
Ja O
Nein O
( zutreffendes bitte ankreuzen)
Tausend Küsschen
Deine allerliebste Mary
P.S.: ein Nein akzeptiere ich nicht, Süßer ♡︎♡︎♡︎♡︎Schockiert ließ Xenia den Brief sinken und fuhr sich durch die Haare. Ein Liebesbrief? Das hatte er ihr ja gar nicht erzählt. Ohne groß zu überlegen, schnappte sie sich noch einen Brief, dieses Mal mit Datum versehen.
Das wurde ja immer schlimmer. Wütend zerriss Xenia den Brief, nein, sie zerriss alle Briefe, zerknickte die rote Rose und stürmte aus der Kammer. Im Schlafzimmer schnappte sie sich ihren Schlafanzug und ihre herumliegende Wäsche. Heute war der verdammte 16.04 und Raphael war um 14:30 Uhr aufgebrochen zum „Einkaufen". Sie packte ihre Tasche und lief das Treppenhaus hinunter. Auf der Straße holte sie ihr Handy heraus und rief Raphael an. Als sie alles gesagt hatte, legte sie auf, es war ihr egal, ob sie die Mailbox oder Raphael dran gehabt hatte, aber die Mailbox war wahrscheinlicher. In ihren eigenen vier Wänden schmiss sie sich aufs Bett und weinte in ihre Kissen.
Fröhlich summend betrat Raphael seine Wohnung und stellte die Einkäufe auf dem Tisch ab. Wo war Xenia? In der Küche war der Boden pitschnass und Scherben, wahrscheinlich von einem Glas, lagen auf dem Boden. Seufzend beseitigte er das Chaos mit dem Kehrblech aus dem Arbeitszimmer und legte es, nachdem er die Küche aufgeräumt hatte, wieder in die Abstellkammer. Xenia war immer noch nicht aufgetaucht und so langsam machte er sich Sorgen.
Als sein Blick jedoch die Kommode streifte, blieb ihm das Herz stehen. Die Schublade mit den Briefen von Mary stand weit auf und Papierfetzen lagen auf dem Boden herum. Die Rose war zerknickt und das Kästchen zerstört. Hektisch zog Raphael sein Handy hervor und sah, dass er einen Anruf verpasst hatte. Mit einem mulmigen Gefühl hörte er die Voicemail ab.„Raphael? Oder Mrs. Mailbox? Ist mir egal. Das hätte ich echt nicht von dir gedacht! Jedes einzelne ‚Ich liebe dich' hättest du dir sparen können, denn ich wette diese Worte hast du heute schon genug gehört und selber gesagt. Ich habe die Briefe gefunden, die Rose und den Anhänger! Ich war so dumm auf dich hereinzufallen...! Was hätte ich denn auch von dir denken sollen? Typischer Mitmensch, der sich nichts aus Gehörlosen macht. Der sie herumschubst, weil sie ja eh nichts verstehen und man perfekt mit ihnen spielen kann. Ich hätte echt mehr von dir erwartet. Aber ich habe mich getäuscht."
Erschüttert schaltete Raphael sein Handy aus und setzte sich auf einen Stuhl. Wie hatte das passieren können? Tränen sammelten sich in seinen Augen und liefen über. Langsam zog er sein Handy hervor, um seinen besten Freund anzurufen, er brauchte jetzt Unterstützung.
„Ian? Kannst du kommen?", fragte er, als sein Kumpel abgehoben hatte. Ian versicherte ihm, in zwanzig Minuten da zu sein und legte auf.Als Ian klingelte, erhob Raphael sich schwerfällig und öffnete die Tür. „Was ist passiert, dass du heulst?", fragte Ian sofort und sah seinen Kumpel besorgt an.
Raphael wies ihn an, im Wohnzimmer Platz zu nehmen und atmete tief durch. „Ich habe ein Mädchen kennengelernt", begann er zögernd. „Sie ist gehörlos, aber wir konnten uns immer gut unterhalten. Irgendwann kam es zu einem Kuss und seitdem waren wir zusammen. Aber du weißt ja, dass meine Nachbarin mir Liebesbriefe schreibt und na ja, Xenia hat diese heute morgen entdeckt und ihre eigenen leider falschen Schlüsse daraus gezogen. Sie ist abgehauen, vermutlich zu sich nachhause!"
Ian nickte langsam und versuchte, seinem Freund einen guten Rat zu geben. „Versuch sie zu erreichen. Schreibe ihr eine Nachricht oder gehe morgen zu ihr." Raphael sah nicht ganz so überzeugt aus. „Ach Mann, ich kann so eine Gefühlsduselei nicht. Ich bin kein Paartherapeut!", beschwerte Ian sich und knuffte Raphael in die Seite. „Lass uns zocken gehen und dabei Chips futtern und Cola trinken. Dann gehst du morgen zu deiner Xenia und klärst das!", schlug er vor und Raphael gab sich geschlagen.
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Hände sind ihre Sprache
RomanceVorsichtig tippte er sie an der Schulter an und sie zuckte zusammen. „Du hörst nichts, oder?", fragte er langsam und legte seine Hände über die Ohren. Sie sah ihn überrascht an und nickte. „Nein, ich kann nichts hören!", sagte sie leise und schluckt...