151.Wie ist als...Kind einer Prostituierten?

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Die Person möchte anonym bleiben

Wie stehst du zu dem Thema? Hat sich im Vergleich zu früher etwas in deiner Einstellung geändert?
-Ich stehe dem Thema sehr offen gegenüber, da ich der Meinung bin, dass diese Frauen genauso sind wie alle anderen auch.
Früher habe ich mich nicht wirklich mit diesem Thema ausgekannt oder beschäftigt.
Zwar habe ich gewusst, was genau der Ausdruck bedeutet, doch es ist mit eher egal gewesen.
Allerdings habe ich es gehasst, wenn in Büchern, Filmen oder auch in der Realität Frauen als Schlampen bezeichnet und Prostituierte als minderwertig angesehen worden sind. Man hört auch oft in Kriminalfällen, wie viele Menschen zu dieser "Sorte" Frau stehen, was mehr als nur traurig ist.
Sie sollten genauso mit Respekt behandelt werden wie jeder andere auch. Besser ausgedrückt: Sie sollten so behandelt werden, wie man selbst behandelt werden möchte.

Hast du früher davon anderen erzählt oder es eher geheim gehalten?
-Wenn ich heute so zurückblicke, dann bin ich zu leichtfertig mit dem Thema umgegangen. Wie bereits erwähnt, bin ich mir nicht ganz bewusst gewesen, was so ein Job wirklich bedeutet.
Meine Mum hat mir stets erzählt, sie massiere bloß Menschen, doch irgendwo wusste ich, was sie in Wahrheit getan hat.
Das hat zum Teil auch daran gelegen, dass ich oft Gespräche zwischen ihr und meinem Dad belauscht habe, weil ich viel zu neugierig bin.
Ich habe sogar die Seite gesucht, auf welcher meine Eltern verschiedene Informationen preisgegeben haben. Immer, wenn mich Mitschüler gefragt haben, was meine Eltern machen, habe ich nur gesagt, dass sie Zimmer vermieten würden.
Und irgendwie fanden meine Mitschüler dann raus, was sie taten. Wisst ihr, ich habe nie verstanden und werde es auch nicht verstehen, warum es so ein Problem für alle gewesen ist, dass meine Mutter eine Prostituierte war.
Ich war und bin stolz auf meine Eltern, denn sie haben alles für mich und meine Schwester getan, nur, damit wir es gut haben.
Allerdings war ich auch die einzige gewesen, die das so gesehen hat. Meine komplette Familie wurde aufgrunddessen verurteilt, ganze Stufen wussten davon, hielten sich von mir fern und verurteilten auch mich, denn hey, ich war ja die Tochter einer Prostituierten.
Sie fanden es ekelhaft, dass meine Mum ihren Körper an andere Männer gibt, obwohl sie verheiratet ist. Sie sind zu blind, um zu erkennen, wie stark sie in Wirklichkeit ist und welche Opfer sie dafür hat bringen müssen.
So viele Menschen sprechen über Gleichberechtigung, dabei verurteilen sie und sind diejenigen, welche nicht akzeptieren.
Bis heute verstehe ich nicht, warum man Menschen verurteilt, nur, weil sie eben nicht dem perfekten Bild entsprechen.
Kein Mensch ist perfekt, doch es gibt Menschen mit Charakter, die so viel stärker sind als jene, die nur das Schlechte sehen oder suchen.
Jedoch muss ich sagen, dass mich diese Reaktionen in meiner Entscheidung beeinflusst haben, es auf meiner neuen Schule geheim zu halten und kein Wort mehr über die Vergangenheit meiner Eltern zu verlieren.
Es ist mir nicht peinlich, ich empfinde stolz und Respekt gegenüber ihnen, aber andere würden das nicht verstehen und würden erneut verurteilen.

Findest du, der Job sollte normaler gesehen werden?
-Auf jeden Fall. Viele Prostituierte machen diesen Job nicht, weil sie ihn mögen, sondern weil sie dad Geld brauchen und eventuell auch für ihre Kinder sorgen müssen.
Letztenendes ist es bloß ein Job und ob nun jemand für seinen Körper, den er freiwillig anbietet, bezahlt wird, ist unwichtig.
Meiner Meinung nach sind viele Menschen zu engstirnig, dabei geht sie dieses Thema nicht einmal etwas an. Ich verstehe nicht, wie man Menschen nur aufgrund ihres Jobs verurteilen kann.
Was, wenn man selbst gezwungen ist, durch den eigenen Körper Geld zu verdienen?
Zudem verstehe ich auch nicht, warum es als moralisch unkorrekt angesehen, aber der Sex an sich als normal betrachtet wird.
Jeder hat das Recht, selbst über seinen Körper entscheiden zu können und keiner hat daher das Recht, jemanden aufgrund seines Jobs, seiner Herkunft oder was auch immer als minderwertig anzusehen.
Wir sind alle Menschen, doch viele konzentrieren sich zu sehr auf die Unterschiede und den Hass, weil sie selbst nicht mit sich zufrieden sind.

Würdest du es auch einmal in Betracht ziehen, diesen Job zu wählen?
-Schwierige Frage, aber ja, jedoch nur, wenn ich keine andere Wahl habe. Ansonsten nicht, weil ich bei Weitem nicht so stark bin, wie meine Mum oder all die anderen Frauen, welche diesen Job machen oder einmal gemacht haben.
Dieser Job würde nämlich bedeuten, die Kontrolle über sein Handeln, bzw. seinen Körper zu verlieren und das ist für mich unvorstellbar.
Ich bin ein Mensch, der gerne die Kontrolle über sich selbst und Angst vor anderen hat. Deshalb schätze ich die Frauen, die diesen Job machen, umso mehr, da sie so viel Stärke zeigen.

Führt deine Mutter den Job immer noch aus?
-Also mittlerweile nicht mehr, doch vor einem Jahr schon noch manchmal. Aber da meine Eltern nun nicht mehr selbstständig sind und gut bezahlt werden, muss die diesen Job, den sie für die Familie gemacht hat, nicht mehe ausführen.
Zum Glück, denn ich habe gesehen, dass es sie sehr belastet hat und am liebsten hätte ich sie eher eingesperrt, als dass sie erneut Geld verdienen geht, nur damit meine Schwester und ich es gut haben.

Findest du den Job im Vergleich zu anderen physisch/psychisch schwerer?
-Ich finde schon, dass der Job vor allem seelische Wunden hinterlässt, so war es zumindest bei meiner Mum. Sie hat sich minderwertig und dumm gefühlt.
Sich Männern, die man nicht möchte und liebt, hinzugeben, ist für sie sehr schwer gewesen, weil es für sie nur meinen Dad gibt und das schon seit sie Jugendliche sind.
Auch ist der Job körperlich anstrengend und ermüdend. Allerdings gibt es Jobs, die körperlich mehr abverlangen, daher würde ich nicht sagen, dass Prostitution schwerer als alle anderen Jobs ist.
Psychisch jedoch schon um einiges und ich kenne es auch von Dokus, dass es für die Frauen wirklich sehr belastend sein kann.
Zwar nicht für alle, aber für viele, auch für meine Mum. Oft halten diese Minderwertigkeitskomplexe für eine sehr lange Zeit an, auch heute noch trägt meine Mum seelische Narben, die nie mehr verschwinden werden.

Möchtest du sonst noch etwas sagen?
-Zum Abschluss würde ich gerne noch sagen, dass es egal ist, was für ein Job jemand ausführt. Es kommt auf den Chatakter an.
Nennt zudem andere Mädchen und Frauen nicht einfach eine Schlampe oder beleidigt sie, dass sie leicht zu haben seien.
Das gilt natürlich auch für den männlichen Teil der Leser, auch wenn dieser geringer ist als der weibliche Teil.
An einer Prostituierten ist nichts Schlimmes, ebenso wenig an Mädchen im jugendlichen Alter, wenn diese schon mehr Erfahrungen gemacht haben, als vielleicht andere. Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, sollte man besser schweigen, statt die Person unnötig zu verletzen.
Man sollte erst einmal versuchen, sich vorzustellen, was wäre, wenn man selbst in der Haut dieser Person wäre. Wir wollen mit Respekt behandelt werden, aber im Gegenzug müssen wir andere genauso mit Respekt behandeln und sie akzeptieren.
Wartet nicht auf die Veränderung, sondern seid die Veränderung❤

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