100.Wie ist das als...Mensch mit PTBS?

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Die Person möchte anonym bleiben

Durch was wurde die PTBS bei dir ausgelöst?
-Das hatte mehrere Auslöser: Als ich acht Jahre alt war und abends nach Hause laufen wollte, hat mich die ganze Zeit ein älterer Mann verfolgt.
Es war schon recht dunkel, ich fühlte mich auch schon die ganze Zeit sehr unwohl, also bin ich ein wenig schneller gelaufen.
Der Mann lief ebenfalls schneller, bis er mich irgendwann festhielt und versuchte, auszuziehen.
Er fasste mich an und ich konnte mich kaum wehren.
Irgendwie hab ich es doch noch geschafft, abzuhauen und darüber bin ich sehr froh. Jahre später war ich bei einer ehemaligen Freundin.
Sie meinte, sie wolle etwas ausprobieren. Sie hat mich zu Dingen gezwungen, die ich auf keinen Fall tun wollte und fasste mich auch an. Dadurch, dass ich in so einem Schockmoment war, konnte ich mich nicht wirklich wehren.
Was es für mich auch noch schlimmer machte, war, dass sie eigentlich die Person war, bei der ich mich sicher gefühlt habe, wenn ich es z.B. zuhause nicht mehr ausgehalten habe.
Bei mir zuhause lief es auch nie rund. Meine Eltern stritten sehr oft und extrem, was dazu führte, dass ich schon sehr früh versuchen musste, diese Streitereien zu schlichten.
Ich musste mit ansehen, wie sie sich schlugen und sogar zweimal vergewaltigten.
Mein Vater schüttete meiner Mutter oft heißes Wasser oder Kaffee über den Kopf und meine Mutter belästigte meinen Vater auch oft sexuell oder unterstellte ihm etwas.
Bis heute sind die Streitereien meiner Eltern noch präsent. Auch kam es oft vor, dass meine Eltern mich anschrien, besonders meine Mutter ließ ihre Wut oft an mir aus.
Sie drohte mir auch immer, sich etwas anzutun oder abzuhauen, wenn ich ihr nicht zustimmte oder nicht ruhig war. Das alles hat mich irgendwie so stark traumatisiert, weshalb meine PTBS entstand.

Wann wurde die PTBS bei dir diagnostiziert?
-Tatsächlich noch nicht so lange. Letztes Jahr im November, als ich in der Klinik war. Bevor ich wirklich in diese Klinik kam, war es einfach immer nur eine Verdachtsdiagnose.
In der Klinik habe ich dann versucht, mehr darüber zu reden, mit den Pädagogen und Therapeuten zu sprechen.
Ich habe mehrmals einen Trauma Fragebogen ausfüllen müssen und so kam dann schlussendlich Diagnose PTBS raus.
Es hat schon einige Wochen gedauert, bis es sich wirklich gezeigt hat.

Wie bist du in Therapie gekommen?
-Meiner Klassenlehrerin sind meine Narben aufgefallen, woraufhin sie mich angesprochen hat.
Ich wurde zur Schulsozialarbeiterin geschickt, meine Eltern wurden verständigt und ich kam in Therapie.
Sie haben nicht gerade positiv reagiert. Meine Eltern waren geschockt und es gab am Anfang heftigen Streit.
Sie wollen es wahrscheinlich auch einfach nicht wahrhaben.

Was ist nach der Diagnose passiert?
-Nachdem ich meine Diagnose bekam, musste ich nochmal einen Trauma Fragebogen ausfüllen.
Es wurde alles wegen einer Wohngruppe besprochen, zu der ich bald gehen soll, sowie, dass ich eine Traumatherapie machen muss.
Zumindest hat das alles eine Pädagogin, die bei dem Gespräch dabei war, angesprochen.
Meine Therapeutin hingegen hat mich nur komisch angeschaut und in den darauffolgenden Gesprächen meine Erlebnisse heruntergespielt.

Wie ist das Verhältnis zwischen dir und deiner Therapeutin?
-Zu meiner jetzigen Therapeutin ganz gut, sie ist definitiv netter und spielt meine Erlebnisse nicht herunter wie die Therapeutin in der Klinik.
Zu ihr hatte ich echt kein gutes Verhältnis.

Und zu deiner Familie?
-Es ist ein wenig besser geworden im Vergleich zu früher.
Meine Eltern schreien mich nicht mehr so häufig an oder beleidigen mich. Zwar kommen immer noch Drohungen und ich weiß nie, was und wie viel ich ihnen anvertrauen kann, aber es wurde ein bisschen besser.

Wurdest du schon mit Vorurteilen konfrontiert?
-Leider ja. Es kamen Sätze wie "Was hattest du denn an?"
"Eltern streiten sich nun einmal, das ist normal"
"Ich hatte auch immer Angst, ein Scheidungskind zu werden!"
"Du siehst aber nicht so aus, als hättest du ein Trauma"
"Und das hast du dir jetzt nicht ausgedacht?"
"Hast du auch wirklich gesagt, dass du das nicht wolltest?"
"Du warst nicht im Krieg, also kannst du keine PTBS haben!"
Und während eines Flashbacks kamen auch oft Sätze wie "Hör auf zu schauspielern" oder "Du willst doch nur Aufmerksamkeit!".
Als mir sowas gesagt wurde, habe ich mich immer mehr von der Person abgeschottet und nicht mehr viel mit ihr geredet, weil ich einfach wütend und verletzt war.
Aber ich habe auch versucht, mir nicht anmerken zu lassen, dass mich das doch sehr getroffen hat.
Das hat sich jetzt etwas geändert, meine jetzige Therapeutin ist zum Beispiel viel einfühlsamer mit dem Thema.

Möchtest du sonst noch etwas sagen?
-Vielleicht klingt das standardmäßig oder so, aber an jeden, der sowas durchmachen musste oder vielleicht sogar noch immer muss:
Es ist nicht eure Schuld, niemals. Irgendwann wird es bestimmt besser, irgendwann kommt man besser damit klar, irgendwann, wenn man die richtigen Menschen findet.
Das wollte ich kurz gesagt haben.

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