Weiße Flocken fielen leise vom Himmel hinab auf die Erde. Der Schnee bedeckte alles, Häuser, Autos, Bäume, Briefkästen, Gehwege und das Fensterbrett vor Idas Fenster. Das Mädchen betrachtete ruhig das Hinabfallen der weißen Kristalle. Sie hatte den Stuhl verkehrt herumgedreht und hing mit ihrem Oberkörper über der Lehne. Die Heizung war aufgedreht, im Hintergrund lief leise Musik. Eine Armeslänge von Ida entfernt befand sich ein Glas Limonade auf ihrem Schreibtisch. Mit diesem wollte sie später das neue Jahr begrüßen. Die Leuchtanzeige des Weckers verriet, dass es noch genau eine Stunde bis zum Jahreswechsel war. Draußen konnten Ungeduldige es nicht abwarten. Sie ließen bunte Lichter in den Himmel steigen oder ließen es laut knallen.
Idas langes, blondes Haar fiel ihr in leichten Wellen über den Rücken. Ihre Augen waren von einem blassen Blau. Der Körper war durchschnittlich gebaut und ihr Gesicht kämpfte immer mal wieder mit den Zeichen der Pubertät. Die Lippen waren, trotz ihrer Pflegeversuche, aufgesprungen. Ida war ein wenig traurig. Zum einen fühlte sie sich am Tag des Jahreswechsels etwas melancholisch und zum anderen vermisste sie ihren Vater. Er hatte sie am späten Nachmittag allein in der Zweizimmerwohnung zurückgelassen und war bisher nicht zurückgekehrt. Er war Taxifahrer und hatte an diesem Silvesterabend sicherlich viel zu tun, was zumindest weniger Geldsorgen bedeutete. Trotzdem - Ida hätte ihn lieber bei sich gehabt.
Ein leiser Seufzer entwich Ida als sie sich vom Stuhl erhob, um ihre verspannten Muskeln zu lockern. Seit über einer Stunde hatte sie fast unbeweglich dagesessen. Ihre einzige Beschäftigung war es gewesen hinaus in die Nacht zu starren, wo der Wind mit den Schneeflocken spielte. Ida streckte gerade die Arme in die Luft als ein schrilles Geräusch sie zusammenzucken ließ. Dieser Ton ging ihr jedes Mal unangenehm durch Mark und Bein. Ihr Die Tatsache, dass sie keinen Besuch erwartete, verminderte das unangenehme Gefühl nicht gerade. Wer sollte um diese Zeit zu Besuch kommen? Hatte ihr Vater seinen Schlüssel vergessen? Er war manchmal etwas zerstreut. Ida hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als der schrille Laut erneut erklang. Langsam ging das Mädchen mit klopfendem Herzen zur Tür. Sie öffnete diese jedoch nicht sofort, sondern warf zunächst einen Blick durch den Spion. Sie begegnete nächtlichen Besuchern mit Misstrauen, vor allem in einer Nacht wie dieser, in der manche Leute dem Alkohol nicht abgeneigt waren und auf verrückte Ideen kamen. Vor der Wohnungstür standen zwei Personen: Ein kleiner, dünner Mann mit hellblondem Haar und eine braunhaarige, hochgewachsene Frau, neben der er noch kleiner wirkte. Sie hatten ein längliches Paket bei sich. Sie trugen beide graue Kleidung, die verdächtig an eine Uniform erinnerte. Unsicher überlegte Ida, was sie tun sollte. Die beiden machten keinen gefährlichen Eindruck. Trotzdem nagte der Zweifel an ihr. Auch, oder gerade, harmlos aussehende Menschen konnten gefährlich sein. Ida zuckte erneut zusammen als der kleine Mann ungeduldig noch einmal die Klingel betätigte und dann etwas zu seiner Begleiterin sagte, die daraufhin mit dem Kopf nickte.
Das Mädchen gab sich einen Ruck und öffnete die Tür einen Spalt. Nun stand sie den Besuchern von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
„Guten Abend", sagte der kleine Mann aufgeräumt höflich.
„Guten Abend", erwiderte Ida leise und fragte sich, wo ihre Stimme geblieben war.
„Können wir vielleicht reingehen?", erkundigte sich die Frau. „Wir haben etwas mit dir zu besprechen, dass nicht für den Hausflur bestimmt ist." Prüfend sah die Braunhaarige sich um als befürchte sie heimliche Lauscher.
Ida war absolut nicht wohl dabei, die Fremden in die Wohnung zu lassen, konnte sich aber auch nicht dazu bringen die Tür einfach wieder zu zumachen. In ihrem Kopf begann eine warnende Stimme sie darauf aufmerksam zu machen, dass diese zwei Diebe oder Mörder oder Schlimmeres sein konnten, egal wie harmlos sie aussahen. Wenn man vorhatte ein Verbrechen zu begehen, trug man nicht gerade ein Schild mit sich herum, um das Vorhaben anzukündigen. Ehe Ida reagieren konnte, hatten sich die zwei an ihr vorbei in die Wohnung gedrängt und verschwanden in Idas Zimmer, sicherlich weil dort die Tür offen stand. Als Ida nicht sofort hinterherkam, sah die Frau um die Ecke und sagte: „Kommst du? Und mach die Tür zu!"
![](https://img.wattpad.com/cover/205058069-288-k977076.jpg)
DU LIEST GERADE
Drachenmagie
FantasyIda ist ein ganz normaler Teenager bis am Silvesterabend plötzlich zwei Fremde vor der Tür stehen und ihr eröffnen, dass sie ein Ritter ist. Auf einmal eröffnet sich Ida eine ganz neue Welt, von der sie bisher nichts ahnte, mit magischen Wesen wie D...